IPCC-Bericht

Weltklimarat: Das Zeitfenster schrumpft

Der Weltklimarat berichtet an diesem Montag über die drastischen Folgen des menschengemachten Klimawandels für Mensch und Natur.

Der Weltklimarat berichtet an diesem Montag über die drastischen Folgen des menschengemachten Klimawandels für Mensch und Natur.

Es ist wirklich nicht so, als hätten Klimawissenschaftlerinnen und Klimawissenschaftler nicht schon genug Sorgen. Doch seit Russland in die Ukraine einmarschiert ist, ist eine weitere hinzugekommen. Denn der Krieg beansprucht weltweit Geld und Ressourcen: Am Sonntag etwa beschloss der Bundestag, 100 Milliarden „Sondervermögen“ in die Bundeswehr zu investieren. Das sind finanzielle Ressourcen, die gebunden sind. Welche Folgen das genau für den Kampf gegen den Klimawandel haben wird, ist noch unklar. Doch: „Es wird Verzögerungen geben“, ist sich der Forscher Hans-Otto Pörtner sicher. Der Krieg in der Ukraine fühle sich an „wie aus der Zeit gefallen“, wenn man sich überlege „welche existenziellen Nöte die Menschheit eigentlich hat“.

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Die Nöte, die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Menschheit angesichts des Klimawandels steht, sind enorm. Das zeigt der Bericht der zweite Arbeitsgruppe des Weltklimarats IPCC, der am Montag veröffentlicht wurde, abermals. Auf Grundlage von mehr als 34.000 Studien haben hunderte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus der ganzen Welt zusammengetragen, welche Folgen der Klimawandel für Natur und Menschen haben wird und welche Anpassungen nötig sind, um diese so gering wie noch möglich zu halten. Er ist Teil des 6. IPCC-Sachstandsberichts über die Klimaforschung.

Die Lücke zwischen dem, was nötig ist und dem, was getan wird, wächst

Die wichtigste Nachricht: Die Welt befinde sich im entscheidenden Jahrzehnt, um das Ruder noch herumzureißen und die schlimmsten Folgen abzuwenden, wie der Ko-Vorsitzende der zuständigen Arbeitsgruppe Pörtner bereits im Vorfeld sagte. „Es gibt nur einen begrenzten Zeitraum, in dem erfolgreiches Handeln auf den Weg gebracht werden kann“, fügte er hinzu. Der Klimawandel ist eine Bedrohung – für das Wohlergehen der Menschen und die Gesundheit des Planeten. „Die Auswirkungen, die wir heute sehen, treten viel schneller auf und sind zerstörerischer und weitreichender als vor 20 Jahren erwartet“, berichtete die IPCC-Arbeitsgruppe. Selbst wenn es gelingt, die Erwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, muss die Menschheit schon in den nächsten 20 Jahren erhebliche Auswirkungen verkraften. Um unsere Zukunft zu sichern, müsse man jetzt handeln. Nicht nur die Treibhausgasemission zu reduzieren sei unbedingt nötig, sondern auch eine beschleunigte Anpassung an den Klimawandel.

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Doch die Lücke zwischen dem, was nötig ist und dem, was getan wird, wächst. „Wir sehen, dass eigentlich in allen Regionen der Welt, wir zu wenig für Anpassung tun“, sagt Diana Reckien, von der University of Twente und koordinierende Leitautorin für das Kapitel „Entscheidungsfindungsoptionen für den Umgang mit Risiko“. Doch es gibt auch große Unterschiede.

Armut ist Treiber von Risiko

Denn die Folgen des Klimawandels treffen nicht alle Menschen, nicht jedes Ökosystem oder jede Region gleichermaßen. Rund 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben unter Bedingungen, in „Kontexten“, die sehr anfällig für den Klimawandel sind. Armut sei so ein Treiber von Risiko, erklärt Jörn Birkmann, von der Universität Stuttgart und koordinierender Leitautor für das Kapitel „Armut, Existenzgrundlagen und nachhaltige Entwicklung“. Besonders verwundbar, so der Forscher, seien beispielsweise Regionen wie Westafrika, in denen Armut, Urbanisierung und fehlender Zugang zu zentraler Infrastruktur aufeinandertreffen.

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Und in Europa? „Europa erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt“, sagt Daniela Schmidt, von der University of Bristol und koordinierende Leitautorin für das Kapitel „Europa“. „Damit haben wir eine große Liste an Auswirkungen, die heute schon messbar sind.“ Aber auch in Europa sind die Auswirkungen nicht in allen Regionen gleich.

Hitze, Dürre, Wasserknappheit und Überschwemmungen

Insgesamt identifiziert der Bericht vier Hauptrisiken für Europa: Hitze, Dürre, Wasserknappheit und Überschwemmungen, beziehungsweise ein steigender Meeresspiegel. Schon heute, das zeigt sich, seien die Folgen von Hitzewellen und Dürren häufiger geworden. Generell gilt: „Die Auswirkungen werden dramatisch stärker werden, wenn wir 1,5-Grad globale Erwärmung übersteigen“, sagt Schmidt.

Steigt die globale Temperatur, wird das auch in Europa Folgen haben: Die Zahl der Todesfälle und Menschen, die durch Hitzestress gefährdet sind, steigt bei eine Erderwärmung um drei Grad im Vergleich zu 1,5 Grad auf das Zwei- bis Dreifache. Die Forschenden gehen auch davon aus, dass der Großteil Europas sich auf „erhebliche Verluste in der landwirtschaftlichen Produktion“ einstellen muss. Schon bei einer Erderwärmung von zwei Grad, werde mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Südeuropa Wasserknappheit ausgesetzt sein.

Städte haben besondere Rolle

Klar ist: Je mehr die Temperaturen steigen, desto größer werden die Auswirkungen sein. „Das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Klimawandels und die damit verbundenen Risiken hängen stark von kurzfristigen Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen ab, und prognostizierte nachteilige Auswirkungen und damit verbundene Verluste und Schäden eskalieren mit jedem Anstieg der globalen Erwärmung“, heißt es in dem Bericht. Es kommt also auf jedes Zehntel Erderwärmung an. Denn auch die Anpassung an den Klimawandel habe ihre Grenzen, wie Pörtner erklärt. Ambitionierter Klimaschutz und Anpassung müssten Hand in Hand gehen.

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Eine besondere Rolle fällt dabei den Städten zu. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten - Tendenz steigend. Dort ist sie unter anderem den Folgen von Hitzewellen, Starkregen oder etwa Überschwemmungen ausgesetzt. Gleichzeitig haben Städte jedoch ein großes Potenzial für Klimalösungen. Wichtig dabei sei, nicht kurzfristig, für zehn oder zwanzig Jahre zu planen, weil sonst die Auswirkungen in 50 Jahren nicht richtig einbezogen seien, sagt Reckien. Es gebe, so der Weltklimarat, zunehmend Hinweise auf Anpassungen mit unbeabsichtigte Folgen, wie etwa der Zerstörung der Natur, die Gefährdung des Lebens von Menschen oder die Erhöhung der Treibhausgasemissionen. Denn auch das betont der Bericht: Klima, Natur und Menschen kann man nicht voneinander trennen.

„Gesunde Ökosysteme sind Grundlage“

Noch nähmen Ökosysteme mehr Treibhausgase auf als sie selbst verursachten, heißt es in den IPCC-Dokumenten. Das ändere sich aber, wenn Urwald abgeholzt oder Torfmoorgebiete trockengelegt werden oder der arktische Permafrost schmilzt. „Dieser und andere Trends können noch umgekehrt werden, wenn Ökosysteme instandgesetzt, wieder aufgebaut und gestärkt und nachhaltig bewirtschaftet werden“, schreiben die Wissenschaftler. „Gesunde Ökosysteme und eine reiche Artenvielfalt sind die Grundlage für das Überleben der Menschheit.“ 30 bis 50 Prozent der Erdoberfläche müsse für Naturräume zur Verfügung gehalten werden.

Bei allem gilt, wie immer, wenn es um den Klimawandel geht: Die Zeit rennt davon. Der erste Teil des IPCC-Berichts über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels kam im August 2021 zu dem Schluss, dass der Wert von 1,5 Grad schon in den nächsten 20 Jahren erreicht oder überschritten werden dürfte. Das Zeitfenster, es schließt sich und der Nachholbedarf ist groß.

mit dpa

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