Trotz Pandemie: So werden wir wieder zuversichtlicher
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Mürbeteigkekse mit Mundschutzverzierung. Zur Maskenpflicht und vielen anderen Corona-Maßnahmen haben auch die „DNN“-Leser eine breit gefächerte Meinung.
© Quelle: dpa/Sebastian Kahnert
Dieses Jahr ist nicht einmal zwei Monate alt, doch fühlt sich an wie, nun ja, zwei Jahre Pandemie eben. Wo sind sie nur hin, die guten Vorsätze? Wollten wir nicht aktiver, zufriedener in dieses Jahr starten? Stattdessen erscheint der Alltag grau, manche fühlen gar eine Art Weltschmerz. Und doch kann es uns gelingen, selbst in diesem Grau wieder zuversichtlicher zu werden. Davon ist Professorin Gabriele Oettingen überzeugt.
Die Psychologin lehrt und forscht an der New York University und der Universität Hamburg. Ihr Spezialgebiet ist das Zukunftsdenken. Oettingen hat das Woop-Konzept entwickelt. Eine Imaginationsstrategie, mit der Menschen sich erfolgreich Ziele setzen und erreichen können. Solche Ziele könnten klassische gute Vorsätze sein, etwa fitter zu werden, aber auch die großen Fragen, zum Beispiel optimistischer aufs Leben zu schauen.
Warum wir uns mehr mit unseren Wünschen beschäftigen sollten und wieso Optimismus allein trotzdem nicht hilft, das erzählt Gabriele Oettingen im Interview.
Frau Professor Oettingen. Omikron beherrscht gerade unseren Alltag. Viele Menschen sind mit den Nerven runter. Damit wir uns besser fühlen, reicht Optimismus allein aber nicht, sagen Sie. Warum?
Positive Zukunftsfantasien und -träume heben kurzfristig die Stimmung. Wenn es aber darum geht, diese Zukunftsträume auch wirklich umzusetzen, reichen sie nicht aus, dann sind sie sogar problematisch.
Inwiefern sind sie problematisch?
Wir haben das Problematische in vielen Studien zeigen können. Zum Beispiel bei Menschen, die sich für ein Gewichtsreduktionsprogramm angemeldet haben: Je positiver sie darüber fantasiert haben abzunehmen, desto weniger haben sie danach tatsächlich an Gewicht verloren. Wir sehen das auch im professionellen Bereich, bei Hochschulabsolventen etwa: Je positiver sie darüber imaginiert haben, einfach ins Berufsleben zu starten, desto weniger haben sie zwei Jahre später verdient und desto weniger Stellenangebote haben sie bekommen.
Es ist also schädlich, positiv zu denken?
Es ist ein gutes Pflaster für den Moment – aber langfristig schwierig.
Warum ist das so?
In Experimenten haben wir die positiven Zukunftsfantasien in einer Gruppe induziert, in der Kontrollgruppe haben wir eher negative oder fragende Fantasien induziert. Dann haben wir gesehen, dass in der Gruppe mit positiven Fantasien die Energie heruntergegangen ist. Die haben sich schon angekommen gewähnt und daher einfach entspannt. Das Problem ist nur: Wenn dann ein Hindernis kommt, fehlt ihnen die Energie, dieses zu überwinden.
Wir sollten also nicht zu optimistisch sein?
Die positiven Zukunftsfantasien sind wichtig, weil sie ein Ausdruck unserer Bedürfnisse sind. Sie geben uns die Richtung des Handelns. Nur schwächen sie dummerweise unsere Energie. Wenn man aber das, was uns an der Umsetzung hindert, imaginativ gegen die Zukunftsphantasien stellt, wächst einem die Kraft zur Wunscherfüllung zu. Erst wenn wir den Hindernissen in die Augen schauen, kommen wir zur Zielrealisierung. Unsere Experimente zeigen sogar, dass komplexe nichtbewusste kognitive und motivationale Prozesse hier eine wichtige Rolle spielen.
Wie können wir denn zum Beispiel unserem Gefühl von Weltschmerz begegnen?
Man kann mit Weltschmerz unterschiedlich umgehen. Man kann dem frönen und ihn auskosten. Das ist eine Möglichkeit. Die andere ist zu schauen, was mir auf dem Herzen liegt und was ich mir eigentlich wünsche – und dabei auf die konkrete Zukunft blicken. Etwa: Ende Februar, was wünsche ich mir da? Was wünsche ich mir denn wirklich?
Sollte das möglichst konkret sein? Viele wünschen sich, ein paar Kilo abzunehmen. Oder geht auch der Wunsch: Ich möchte wieder zuversichtlicher sein?
Sie können alles nehmen, bei dem Sie das Gefühl haben: Bingo! Das ist ein wichtiger Wunsch! Dabei ist es ganz egal, ob er im zwischenmenschlichen, im professionellen Bereich oder im Fitnessbereich liegt. Gehen Sie einfach auf die Suche und lassen sich überraschen. Es ist wichtig zu fragen: Was will ich eigentlich?
Professorin Gabriele Oettingen ist Psychologin und lehrt und forscht an der New York University und der Universität Hamburg. Ihr Spezialgebiet ist das Zukunftsdenken.
© Quelle: Patrick Ohligschläger
Warum ist es so wichtig, sich mit den Wünschen zu befassen?
Weil diese Wünsche Ausdruck unserer Bedürfnisse sind und damit deutlich machen, was uns fehlt. Deswegen ist es auch sehr individuell, welcher Wunsch wirklich wichtig ist. Der Wunsch sollte aber machbar sein. Natürlich kann man sich schier Unmögliches wünschen, wie in der Lotterie zu gewinnen, nur ist das wenig sinnvoll wenn einen Wunsch sucht, der prinzipiell umsetzbar ist.
Und wie geht es dann weiter?
Wenn Sie diesen einen Wunsch identifiziert haben, können Sie ihn in ein paar Worten oder auch in einem Bild zusammenfassen. Dann fragt man sich: Was wäre das beste Ergebnis, also der beste Outcome, wenn ich mir den Wunsch erfüllt habe? Und danach darf man das machen, was man sonst beim Weltschmerz auch macht: Sich voll in diese Zukunftsperspektive reinhängen. Wie wird das sein? Wie wird man sich fühlen?
Sich den „Wenn … Hindernis, dann werde ich … verhalten“-Plan vorzustellen, ist der Anfang der Wunscherfüllung.
Gabriele Oettingen, Psychologieprofessorin
Und dann kommt das Hindernis?
Genau. Nehmen wir den Wunsch, zuversichtlicher zu sein. Wir können genau hinschauen: Was ist es, was meiner Zuversicht im Wege steht? Das ist eine Frage, die man für sich beantworten muss. Das kann eine Emotion sein, etwa sich als Opfer zu fühlen, oder auch einen Grant auf andere zu haben, oder Angst. Es kann auch eine Überzeugung sein, etwas nicht zu können, oder eine schlechte Angewohnheit. Zum Beispiel immer auf Social Media zu gehen, wenn wir unkonzentriert werden. Das Hindernis steckt meistens in uns selbst. Oder wir haben unrealistische Erwartungen. In der Lotterie zu gewinnen ist deshalb ein schwieriger Wunsch, weil es einfach nicht realistisch ist, dass er sich erfüllt.
Und wenn wir das Hindernis gefunden haben?
Dann haben wir das Meiste schon geschafft. Dann formuliert man das Hindernis kurz in wenigen Worten oder einem Bild und stellt sich dieses Hindernis ganz deutlich vor. Also man spürt regelrecht die Angst oder den Ärger. Oft erscheint in Gedanken dann schon die Handlung, mit der man das Hindernis überwinden kann. Manchmal schiebt man auch einen Plan hinterher. Zum Beispiel: Wenn ich Angst bekomme, fange ich trotzdem meinen Aufsatz an! Oder: Wenn ich bei meiner Arbeit müde werde, gehe ich eine Runde um den Block. Sich den „Wenn … Hindernis, dann werde ich … verhalten“-Plan vorzustellen, ist der Anfang der Wunscherfüllung.
Muss ich diesen Wunsch erfüllt haben, um positiver gestimmt zu sein?
Natürlich nicht.
Das sagen Sie so selbstverständlich. Warum denn nicht?
Oft geht es darum, sich einmal genau mit Wunsch und Hindernis auseinandergesetzt zu haben. Wenn wir merken, dass unser Wunsch vielleicht sehr unrealistisch war oder gar nicht unserem echten Bedürfnis entspricht, können wir uns auch guten Gewissens davon verabschieden. Beim Betrachten des Hindernisses kommen wir oft zu vielen Einsichten, die dann zu anderen, erfolgsversprechenderen Wünschen führen.
Wenn ich das konkrete Ziel für Ende Februar anvisiere: Werde ich dadurch automatisch optimistischer?
Ich werde nicht automatisch optimistischer. Aber ich werde automatisch handeln. Darum raten wir, einen Wunsch für die nächsten vier Wochen zu finden und einen für die nächsten 24 Stunden. Dann kommt man sofort ins Handeln. Und wenn ich auf dem Weg zur Wunscherfüllung bin, werde ich auch zuversichtlicher.
Warum ist das so wichtig, dass wir ins Handeln kommen?
Das Handeln kann auch sein, dass ich nicht handle. Zum Beispiel: Ich habe die ganze Woche viel gearbeitet, ich möchte morgen einmal einen Tag Ruhe haben. Der Wunsch kann sich also ändern. Und das ist wichtig, weil die positiven Wünsche aus unseren Bedürfnissen, also aus dem, was uns fehlt, resultieren. Der Wunsch gibt dem Handeln die Richtung und das Hindernis gibt die Energie.
Das Handeln kann auch sein, dass ich nicht handle.
Gabriele Oettingen, Psychologieprofessorin
Was aber daran ist so wirkmächtig? Die innere Einkehr oder die Selbstermächtigung, dass ich mich in der Lage fühle, dieses Hindernis zu überwinden?
Wirkmächtig sind die nichtbewussten Prozesse, die diese Übung in uns freisetzt.
Was heißt das konkret?
Das sind die oben erwähnten kognitiven und motivationalen Prozesse, die mir helfen, auf Rückschläge so zu reagieren, dass sich trotzdem meine Wünsche erfüllen. In der Übung von Zukunftsfantasien und Hindernis der Realität hilft mir die mentale Kontrastierung, das Hindernis mit der Realität zu verbinden. Ich kann gar nicht mehr an den Wunsch denken, ohne dass ich das Hindernis sofort mental damit verbinde. Und gleichzeitig verbinde ich das Hindernis mit dem Verhalten, um es zu überwinden. Beispiel: Sobald die Angst hochkommt, habe ich schon mit der Arbeit angefangen. Sobald die Müdigkeit hochkommt, habe ich schon meine Turnschuhe an. Das ist der Grund, warum das so effektiv ist.
Kann das jeder? Oder muss man ein grundsätzlicher Optimist sein?
Jeder kann das. Wir haben das Phänomen auch bei Kindern, bei jungen Erwachsenen und bei älteren gezeigt. Es können auch Schlaganfallpatienten oder Leute, die aus unterschiedlichen Hintergründen kommen. Das Einzige, was man dazu braucht, ist eine gewisse Offenheit der Methode gegenüber – und fünf Minuten Ruhe.
Woop steht für Wish (Wunsch), Outcome (Ergebnis), Obstacle (Hindernis) und Plan. Weitere Infos gibt es kostenlos auf der Website: https://woopmylife.org/de/home