Meerschweinchen oder Grashüpfer: Das schmeckt?

Maden auf asiatischem Markt

Maden oder Skorpione: Auf Märkten in Asien werden Insekten am Spieß an jeder Ecke angeboten und sind eine Köstlichkeit, die gerne nebenher genossen wird.

Schaut man sich die regionalen Küchen der Erde an, geht es mit derlei – für europäische Geschmäcker eher ungewöhnlichen – Gerichten weiter. In einigen lateinamerikanischen Ländern verwandeln sich putzige Meerschweinchen in fluffiges Frikassee. Im Himalaya wird fettiger, dickflüssiger Yakbuttertee geschlürft. Und Japan gilt als der Hort für schmierige Algen und rohen Fisch.

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Auch direkt in Europa gibt es durchaus Speisen wie Schweineohrensalat oder Zungenragout, die auf viele Menschen kaum minder exotisch wirken, als die hierzulande als skurril empfundenen Gerichte aus asiatischen Garküchen.

Sören Stegner, freier Journalist

Auf der anderen Seite finden es Menschen von Aalborg bis Bordeaux nicht weiter ungewöhnlich, in einen salzigen Klumpen zu beißen, dessen Grundlage mithilfe von Enzymen aus dem Labmagen junger Wiederkäuer ausgefällte Milch ist. Und, als wäre das nicht schon genug, dem später auch noch auf vergammeltem Brot gezüchteter Schimmel zugesetzt wird. Denn nichts anderes ist der gemeinhin als Feinkost empfundene Blauschimmelkäse. Sich an so etwas mit Wonne zu delektieren, dürfte auf das Gros der Menschen, die nicht in den als westliche Welt zusammengefassten Regionen leben, ähnlich bizarr wirken wie auf die meisten Europäer etwa ein feurig gewürztes Schlangenragout.

Exotische oder gängige Küche: Die Gewohnheit macht's

Die Bewertung, was denn eigentlich als exotisch und was als gängig einzustufen ist, ist also einerseits von der Gewöhnung an den heimischen Küchenkanon abhängig – und unterliegt darüber hinaus einem ständigen Wandel. So gab es durchaus Zeiten, in denen auch die Pizza als verwegen-südländische Speise galt. Als in den Fünfzigerjahren die erste automobile Reisewelle aus Westdeutschland über den Brenner schwappte, verproviantierten sich viele Touristen noch lieber mit Eingewecktem oder Konservendosen, als die merkwürdige italienische Küche zu kosten. Und wenn sie es doch taten, rückten die deutschen Touristen den Spaghetti mitunter mit der Schere zu Leibe.

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Diesseits der Alpen machte derweil TV-Koch Clemens Wilmenrod – der keine Kochausbildung hatte, sondern Schauspieler war – die Bundesbürger mit vermeintlich exotischer Kulinarik bekannt. Unter anderem nannte er seine auf einer Scheibe des gerade in Mode gekommenen quadratischen Röstbrotes angerichtete Schöpfung aus Formfleischschinken und Dosenananas schmissig „Toast Hawaii“. Mit Meerrettich und Tomatenmark geköcheltes Hack firmierte – warum auch immer – unter dem Signet „Arabisches Reiterfleisch“.

Foodblogger brauchen neue Herausforderungen für den Gaumen

Die Wahrnehmung dieser Gerichte kippte im Lauf der Jahre allerdings von vermeintlich veraltet zu definitiv spießbürgerlich. Für heutige Foodblogger und Besucher von Streetfoodfestivals muss es entsprechend schon ein in Hoisin-Soße geschmorter Hühnerfuß sein, damit sich auch nur halbwegs das Gefühl einstellt, dass der Gaumen herausgefordert ist.

Dabei gibt es auch direkt in Europa durchaus Speisen wie Schweineohrensalat oder Zungenragout, die auf viele Menschen kaum minder exotisch wirken, als die hierzulande als skurril empfundenen Gerichte aus asiatischen Garküchen. Mitunter hat das damit zu tun, dass sie zwar eigentlich über Jahrhunderte zum Speiseplan gehörten, jedoch mit der zunehmend industrialisierten Nahrungsmittelproduktion in Vergessenheit gerieten – und nun eine neue regionale Extravaganz entfalten.

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Interview: „Clean Meat ist exotisch“

Interview mit Ernährungssoziologe Daniel Kofahl vom Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur in Trier zum Thema exotisches Essen.

Daniel Kofahl, Ernährungssoziologe, sitzt an einem Tisch

Dr. Daniel Kofahl, Diplom-Soziologe, hat Konsum-, Kommunikations-, Medien- und Kultursoziologie an der Universität Trier studiert.

Warum empfinden Menschen manche Lebensmittel als exotisch?

Exotische Lebensmittel sind Lebensmittel, die sowohl unbekannt wie ungewöhnlich sind. Das Gefühl der Fremde kann durch räumliche Distanzen aufkommen, etwa wenn eine Beere aus China auf den deutschen Markt kommt, oder durch kulturelles Vergessen, etwa wenn gegenwärtig Menschen auf die Idee kommen, wieder Karottengrün zu verzehren. Ein anderer Faktor ist kulturelle Distanz: Wenn auf einmal Insekten gegessen werden sollen, die man bislang für Ungeziefer und nicht für Proteinquellen hielt.

Wie wandelt sich dieses Empfinden mit der Zeit?

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Die Ernährungspraktiken der Menschen haben sich immer schon gewandelt. Früher aßen die Menschen Blutsuppe vom Schwein oder die Euter der Kühe, während die ersten Produkte aus industrieller Produktion oder Hamburger etwas extrem Aufregendes gewesen sind. Doch mit neuen Produkten und neuen Versprechen, die sie mit sich bringen, wächst auch das Interesse an unbekannten Speisen.

Wie genau?

Der permanente Wandel ist ein Kennzeichen unseres modernen Lebens. Dabei können Produkte, die einst neu erschienen, wie Fast Food, durch Dinge abgelöst werden, die unsere Vorfahren essen mussten, weil sie nichts anderes hatten. Heute erscheinen uns diese irgendwie besonders exotisch – wie regionale Küche.

Was werden wir in 20 Jahren nicht mehr als exotisch empfinden?

Die Wiederentdeckung heimischer und regionaler Produkte wird nicht ewig ein neuer Trend bleiben, auch Insekten werden mehr und mehr im Alltag auf den Speiseplan kommen. Das exotischste Essen ist bald vielleicht Clean-Meat-Fleisch, das im Labor ohne Tierleid hergestellt wird.

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