Ungerecht oder nicht? Was eine Familienanwältin zur Corona-Bonus-Regelung für Alleinerziehende sagt
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Ein fünfjähriger Junge in seinem Kinderzimmer. (Symbolfoto)
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Ab dem 7. September soll der Kinderbonus in zwei Stufen ausgezahlt werden. Für jedes Kind gibt es vom Staat 300 Euro. Allerdings wurde in den vergangenen Wochen viel Kritik von Müttern, Vätern und Sozialverbänden laut, dass Alleinerziehende dabei benachteiligt werden. Der Grund dafür ist diese Regelung des Bundesfamilienministeriums.
Wenn bei getrennt lebenden Eltern der andere Elternteil den Mindestunterhalt oder mehr zahlt oder wenn sich die Eltern die Betreuung ungefähr zur Hälfte teilen, [...] dann darf der andere Elternteil die Hälfte des Kinderbonus von seiner Unterhaltszahlung in den beiden Auszahlungsmonaten [...] abziehen.
Auszug auf den FAQ des Familienministeriums
Auch wenn die Alleinerziehenden die 300 Euro zwar direkt ausgezahlt bekommen, haben sie letztendlich nur 150 Euro mehr im Portemonnaie, da der Partner die Hälfte des Kinderbonus vom Unterhalt abziehen darf. Ebenso ist es auch beim Kindergeld geregelt. Das Familienministerium weist darauf hin, dass auch freiwillig der komplette Unterhalt gezahlt oder das Geld zum Beispiel “im Rahmen einer gemeinsamen Freizeitaktivität oder zum Kauf nötiger Dinge” für das Kind ausgegeben werden könne.
Wir wollten nun wissen: Ist es aus Sicht einer Familienanwältin richtig, dass der Betrag vom Unterhalt abgezogen werden kann? Droht so nicht ein Missbrauch der Regelung und dass der unterhaltspflichtige Elternteil das Geld einfach einspart und es eben nicht beim Kind ankommt? Hätte man den Corona-Bonus lieber nicht dem Kindergeld zuordnen sollen oder war das die richtige Entscheidung? Und vor allem die grundlegende Frage: Werden Alleinerziehende benachteiligt?
Nachteil für Alleinerziehende? Eine Anwältin für Familienrecht ordnet ein
Inge Saathoff ist Rechtsanwältin und spezialisiert auf Familienrecht. Sie hat tagtäglich mit Sorgerechtsstreitigkeiten oder dem Kampf um Unterhaltszahlungen und Umgangsrecht zu tun. Mit ihrer Erfahrung ordnet sie die Verfahrensweise zum Corona-Kinderbonus für uns ein.
Die Frage, ob die Verrechnung des Kinderbonus im Falle der alleinerziehenden Eltern als ungerecht angesehen werden kann, ist zunächst nüchtern, aus meiner rein juristischen Sicht, zu verneinen. Der Kinderbonus wird juristisch wie das Kindergeld eingeordnet und daher quasi in der Schublade der wirtschaftlichen Entlastung der Kindeseltern “verarbeitet”. Wenn also bei der Situation des alleinerziehenden Elternteils der andere, unterhaltspflichtige Elternteil seiner Unterhaltspflicht mindestens in Höhe des Mindestunterhaltes nachkommt, so ist es vor diesem Hintergrund auch gerechtfertigt, wenn er ebenso von einer Mehrzahlung durch den Kinderbonus profitiert, indem er diese hälftig beim Unterhalt abziehen darf. Insoweit sollen beide Eltern wirtschaftlich durch diesen Bonus, wie beim Kindergeld auch, entlastet werden, da beide Elternteile nach der Vorstellung des Gesetzgebers mit ihren verschiedenen Unterhaltspflichten (Zahlung des Barunterhaltes auf der einen Seite und Leistung des Naturalunterhaltes auf der anderen Seite) gleiche Anteile an der Unterhaltspflicht übernehmen und deswegen auch in gleichem Maße die Entlastung erfahren sollen.
Wird hingegen nicht wenigstens der Mindestunterhalt geleistet, so wurde beim Kinderbonus schon eine Einschränkung gemacht, sodass der Abzug aufseiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils nur insoweit – gedeckelt – vorgenommen werden kann, wie er auf den Mindestunterhalt verrechnet werden dürfte, nicht jedoch darüber hinaus.
Ich unterstelle, dass der Gesetzgeber bei seiner Zuordnung des Kinderbonus auch davon ausgegangen ist, dass in Corona-Zeiten wirtschaftliche Einbußen auf beiden Seiten vorhanden sein können durch zum Beispiel Kurzarbeit oder Ähnliches. Diese wirtschaftlichen Belastungen treffen den Unterhaltspflichtigen ebenso wie den das Kind betreuenden Elternteil.
Als ungerecht empfinden mag man diese Verrechnung des Kinderbonus also nur dann, wenn man ihn gedanklich anders einordnet, als der Gesetzgeber dies getan hat. Wenn man ihn als Unterstützung für den Mehrbetreuungsaufwand sieht, welcher in Corona-Zeiten möglicherweise durch Schulausfälle und andere Komplikationen entstanden ist. So mag es gerade in Situationen der Trennung der Eltern häufig der Fall gewesen sein, dass der Elternteil, bei welchem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, durch die coronabedingten Veränderungen weit mehr in die Pflicht genommen wurde als der andere Elternteil.
Dies lässt sich jedoch nicht in dieser Generalität feststellen, da es auch in Corona-Zeiten sehr positive Fälle gab, in welchen gerade auch die Betreuung unter den Eltern in diesen Zeiten anders geregelt wurde, wenn zum Beispiel auch der andere Elternteil im Homeoffice mehr Kapazitäten hatte, um Zeit mit dem Kind oder den Kindern zu verbringen. Da es in einer solchen Situation sicherlich auch schwierig ist, quasi dem betreuenden Elternteil per se den Kinderbonus zuzuordnen und dem anderen Elternteil keine Entlastung zu geben, obwohl dieser möglicherweise entsprechend umfangreich Unterstützung geleistet hat, wäre ebenfalls eine ungerechte Situation geschaffen.
Vergleichbar hat sich die unterhaltsrechtliche Rechtsprechung auch dazu entschieden, bei der Düsseldorfer Tabelle zunächst grundsätzlich nicht hinsichtlich der Höhe der Unterhaltssätze zu differenzieren bezüglich der Frage, in welchem Umfang der unterhaltszahlende Elternteil Umgang mit dem Kind ausübt. So kann es sein, dass in einem Fall ein Elternteil durch umfangreichen Umgang sehr viel entlastet wird, während in einem anderen Fall vielleicht gar kein Umgang stattfindet, der Unterhalt jedoch bei vergleichbaren Einkünften dennoch genauso hoch ausfällt.
Ich halte es daher für nachvollziehbar, wenn, um zum Beispiel detaillierte Diskussionen um Betreuungsumfänge zu vermeiden, der Kinderbonus eine wirtschaftliche Zuordnung erfährt wie das Kindergeld auch und somit grundsätzlich beide Eltern gleichermaßen entlastet. Zumindest solange der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Unterhaltspflicht auch wenigstens im Umfang des Mindestunterhaltes nachkommt.
Eine Einordnung von Inge Saathoff, Fachanwältin für Familienrecht