Tiktok-Foodtrends: Warum leckere Kreationen auf der Video-App boomen
Der Princess-Dress-Cake ist eine der erfolgreichsten Kreationen von Food-Tiktokerin Beate „foodie.beats“ Reinsch.
© Quelle: weCreate
Der nackte Topfkuchen mit einem Dekopicker einer Prinzessin in der Mitte sieht noch etwas unspektakulär aus. Doch wenn die bunte Glasur mit farbigen, essbaren Perlen am Kuchen herunterfließt und der Prinzessin ein schönes Kleid zaubert, läuft Naschkatzen das Wasser im Mund zusammen. Der Princess-Dress-Cake ist einer der vielen Foodtrends auf Tiktok, die die Nutzerinnen und Nutzer begeistern und die in etlichen Variationen nachgeahmt wurden. Die Food-Tiktokerin Beate Reinsch, auf der Plattform bekannt als „foodie.beats“, weiß genau, womit sie bei ihren Zuschauerinnen und Zuschauern punkten kann: „Menschen lieben es, wenn im Video etwas fließt: beispielsweise die Schokolade, die Kuchenglasur oder auch der Käse“, sagt sie.
Tiktok ist in Sachen Foodtrends zur neuen Anlaufstelle geworden. Zahlreiche Rezepte haben in den vergangenen Monaten immer wieder auf der Plattform geboomt. Die Kreationen reichen von farbenfrohen Kuchen bis hin zu gesünderen Rezepten wie dem Baked Oatmeal, einem Haferflockenkuchen mit Obst, und dem südkoreanischen Eiskaffee Dalgona. Reinsch hat mit ihren vorwiegend süßen Spezialitäten bereits 2,3 Millionen Followerinnen und Follower auf Tiktok gesammelt – und ihre Videos erreichen teilweise mehr als 50 Millionen Aufrufe. Doch wie können Trends so schnell wachsen – und wieso sind Foodvideos aktuell angesagt?
Trendsetter Tiktok: Songs schaffen es dank der Video-App in die Charts
Tiktok ist noch immer vor allem für die schrillen Tänze und lustigen Videos bekannt, die mit Musik unterlegt sind. Die Plattform bewies sich dabei immer wieder als Trendsetter: Selbst ältere Songs wie „Dreams“ von Fleetwood Mac haben es dank der Viralität der Videos in die Musikcharts geschafft. Oft fängt der Trend mit einem einzigen Video an, das in vielfältiger Weise nachgeahmt und neu interpretiert wird. Mit der steigenden Beliebtheit von Tiktok haben es zunehmend auch andere Themen geschafft zu trenden. Die Verbreitung von Trends läuft bei Tiktok dabei anders als auf anderen Social-Media-Kanälen. „Der Algorithmus auf Tiktok bevorzugt mich trotz meiner vielen Follower nicht. Jeder hat die Chance, ein virales Video zu machen, wenn es gut ist“, betont Reinsch.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/EHSHLYNEQBFQZAVKAWH2W5I6WY.jpg)
Beate Reinsch ist Foodfotografin. Auf Tiktok veröffentlicht sie unter dem Namen „foodie.beats“ fast täglich ihre leckeren Kreationen.
© Quelle: weCreate
Tiktok-Algorithmus: „Rein technisch der Grund, warum Inhalte so schnell so groß werden“
Doch wie funktioniert der Algorithmus? „Der Hauptunterschied zu anderen Plattformen ist dieser nicht abreißende Strom von ganz ähnlichen Inhalten und Themen, die Nutzer interessieren“, sagt Sven Gábor Jánszky, Trendforscher und Leiter des Zukunftsforschungsinstitut „2b Ahead“. Anders als bei Instagram können Nutzerinnen und Nutzer nicht nur Inhalte von Userinnen und Usern sehen, denen sie folgen, sondern auch von ganz fremden Tiktokerinnen und Tiktokern. Die Videos werden dabei auf der sogenannten For-you-Page eingespielt. Das gelingt durch eine künstliche Intelligenz, die anhand von Likes bestimmter Inhalte erkennen kann, welche Themen die Nutzerin oder den Nutzer interessieren. So können auch diejenigen Videos Menschen erreichen, die das auf anderen Plattformen womöglich nicht schaffen würden. „Das ist rein technisch der Grund, warum Inhalte auf Tiktok so schnell so groß werden“, sagt Jánszky.
Dass Foodthemen so gut auf der Plattform funktionieren, wundert Trendexperte Jánszky nicht. „Tiktok war schon immer auch eine Selbstdarstellungsplattform. Das gilt natürlich auch für Foodthemen: Mit dem, was sie essen und zubereiten, geben Creators bestimmte Identitätsmerkmale über sich preis“, sagt er. Das Bedürfnis, die Identität zu zeigen und sich von anderen abzugrenzen, lasse sich gut über eigene Foodkreationen befriedigen. Das funktioniere am besten bei Menschen, die etwas Außergewöhnliches zubereiten – und vor allem Trendthemen wie Diät- und Ketoernährung aufgreifen.
Foodtrends: optisch ansprechend und einfach zum Nachmachen
Virale Foodtrends sind dabei eigentlich nichts Neues. Schon auf Instagram und Facebook trendeten sogenannte Foodpornthemen, die sich durch besonders „schmackhafte“ Bilder und Videos von Essen und dessen Zubereitung auszeichneten. Dabei waren unter anderem Videos von Leckereien ein Dauerbrenner, bei denen geschmolzener Käse unter vorteilhafter Belichtung in Fäden gezogen wurde. „Essen ist immer ein Thema, das war schon im Fernsehen sowie auf Youtube und Instagram so. Aber auf Tiktok wird der Nachahmungs- und Mitmachtrieb extrem beflügelt – die Leute lieben es, wenn sie es nachmachen können“, sagt Reinsch. Auch deshalb haben die zahlreichen Foodthemen aktuell vor allem auf Tiktok ihr Zuhause.
Die Zuschauerinnen und Zuschauer mögen dabei besonders simple Gerichte zum Nachmachen. Unter Reinschs Rezepten war beispielweise ein Kuchen besonders beliebt, der aus drei einfachen Zutaten bestand – Oreo-Keksen, Milch und Backpulver – und nur sieben Minuten lang in die Mikrowelle gestellt werden muss. Solch einfachen Rezepten stehen auf Tiktok aber Kreationen aus der gehobenen Küche gegenüber. Diese können Laien nicht so einfach nachmachen, jedoch kommen sie trotzdem gut an – allein wegen des ansprechenden Endresultats. Viele Nutzerinnen und Nutzer legen aber nicht nur rein auf die Ästhetik Wert: Das Essen muss auch gut für die Figur sein. „Das Foodporn konkurriert immer mit dem sehr gesunden, umweltbewussten Essen“, sagt Reinsch. Auch Fitnessspezialitäten sind im Trend – darunter der Proffee, ein Mix aus Proteinshake und Kaffee.
Erfolgsrezept auf Tiktok: Trend ins Leben rufen – oder aktuellen Trend neu interpretieren
Damit ein Foodvideo auch wirklich gut ankommt, sind unter anderem zwei Faktoren entscheidend. „Bei Videos kommt es vor allem auf die Kombination von visueller Ästhetik und Songs an, die im Trend sind“, sagt Adil Sbai, CEO von der Agentur We Create, die viele bekannte Tiktok-Creators unter Vertrag hat – darunter auch „foodie.beats“ und Jura-Tiktoker „herranwalt“. Als langjährige Foodfotografin weiß Reinsch, wie wichtig und herausfordernd zugleich eine schöne Optik bei Foodkreationen ist. „Essen gut aussehen zu lassen ist gar nicht so einfach. Man muss mit der Belichtung immer eine schöne Stimmung schaffen“, sagt sie. Zudem können ihre Videos durch angesagte Musik profitieren, da ihre Rezepte dank des Algorithmus so auch Nutzerinnen und Nutzer erreichen, denen Videos mit der gleichen Musik gefallen.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/PNATOXNUJ5H2FAXQA5WCL22Q6I.png)
Adil Sbai ist CEO der Agentur We Create, die viele bekannte Tiktok-Creators unter Vertrag hat – darunter „foodie.beats“ und Jura-Tiktoker „herranwalt“.
© Quelle: weCreate
„Wenn du einen neuen Trend ins Leben rufst und er sehr oft aufgegriffen wird, stehen die Chancen sehr gut, dass dein Video sogar im acht- bis neunstelligen Klickbereich landet“, sagt Sbai. Die Alternative sei, aktuelle Trends aufzugreifen – doch hierbei müsse man schnell sein. Reinschs Erfolgsrezept ist eine Mischung aus beiden Wegen. Manchmal interpretiert sie dabei aktuelle Tiktok-Trends neu, die zunächst nichts mit Essen zu tun haben. Beispielsweise hat sie den Pixelart-Trend für ihre Kuchenrezepte genutzt, bei dem Nutzerinnen und Nutzer Bilder und Kunstwerke schaffen, die der verpixelten Grafik alter Computerspiele ähneln. Reinsch streut dafür in einem Gitter mit kleinen quadratischen Kästchen verschiedenfarbige essbare Perlen über ihre Kuchen, damit ein Bild entsteht. Marilyn Monroe, Pikachu und die Mona Lisa landeten so bereits auf ihren Kuchen. Auch mit diesen Videos hat Reinsch viele Aufrufe erreicht.
Aber auch wenn in der Theorie alle Kriterien für ein erfolgreiches Video erfüllt sind, ist das noch keine Garantie dafür, dass das Ergebnis auch viele Aufrufe generiert. „Tiktok ist wie Lotto, nur dass die Qualität der Lose nicht immer gleich ist. Creators haben natürlich ein Gespür dafür, welche Videos viral gehen könnten – aber manchmal tun sie es einfach nicht“, sagt Sbai.
„Evergreenthemen“: Warum uns Foodtrends noch länger begleiten werden
Tiktok ist eine trendgetriebene Plattform – und daher ist es wichtig, mit den stets wandelnden Trends mitzuhalten. Das trifft auch auf den Foodbereich zu. „Einzelne Foodtrends sind erfahrungsgemäß eher kurzlebig. Sie werden in kurzer Zeit so oft nachgemacht, dass Menschen schon fast eine Überdosis davon bekommen“, betont Reinsch. Doch sie sei sich sicher, dass Foodthemen noch lange angesagt bleiben werden. Das sieht Sbai ebenfalls so: „Die Foodtrends werden sich sicherlich stets ändern, aber Essen und vor allem Süßigkeiten und deren Zubereitung sind Evergreenthemen“, sagt er. Auch Jánszky rechnet damit, dass Inhalte über Essen auf den diversen Social-Media-Plattformen stets einen Platz finden werden – die Frage sei nur, auf welcher. „Es ist natürlich davon auszugehen, dass im Laufe der nächsten Jahre wieder neue Plattformen entstehen werden. Das bedeutet nicht, dass Tiktok verschwindet, aber die Themen könnten sich entsprechend der Altersgruppen ändern, die die Plattform nutzen“, sagt der Trendforscher.