Studie untersucht genetische Faktoren

Musik und Depressionen: Gibt es einen Zusammenhang?

Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass Menschen, die musizieren, häufiger an psychischen Störungen erkranken.

Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass Menschen, die musizieren, häufiger an psychischen Störungen erkranken.

Kurt Cobain, Chester Bennington oder Mindy McCready: Im Musikbereich hört man immer wieder von Künstlerinnen und Künstlern, die unter Depressionen oder an anderen psychischen Erkrankungen leiden – und auch von Suizid. Eine Studie, die unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) durchgeführt wurde, zeigt nun, dass musikalische Menschen ein höheres Risiko haben, psychisch zu erkranken. Grund dafür seien genetische Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit sowohl für psychische Erkrankungen wie auch für Musikalität erhöhen. Was genau hat nun aber die Genetik damit zu tun?

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Die Genetik spielt bei Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen eine wichtige Rolle, sagt Professor Ulrich Hegerl, Psychiater und Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Um eine Veranlagung für Depressionen zu bekommen, müssen demnach viele Hundert Genvariationen, die alle nur einen kleinen Beitrag leisten, in eine ungünstige Konstellation kommen. Es gibt also kein „einzelnes Depressions-Gen“, erklärt Hegerl. Äußere Faktoren wie Traumatisierungen oder Missbrauchserfahrungen in der frühen Kindheit können außerdem dazu führen, dass eine solche Veranlagung erworben wird.

Hohe Berufszufriedenheit bei Musikmachenden

Die Studie, die im „Translational Psychiatry-Journal“ erschienen ist, belegt, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen häufiger auch musikalisch veranlagt sind. Doch „selbst wenn es genetische Zusammenhänge zwischen dem Musizieren und psychischen Erkrankungen geben sollte, bedeutet das nicht, dass auffallend viele Musikmachende psychisch krank sind“, kommentiert Professor Gunter Kreutz, Musikforscher und Professor am Institut für Musik an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg die Ergebnisse. „Das eine führt nicht zum anderen“, sagt auch Hegerl – und betont obendrein, dass die Studie keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Musizieren und Depressionen belege.

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Auch wenn es laut Studie Zusammenhänge gibt, sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen, sagt auch Kreutz. Die gesundheitlichen Rahmenbedingungen seien gerade im mentalen Bereich für Musikmachende eher schlecht. So seien diese von hohen Belastungsfaktoren wie einer unsteten Auftragslage und finanzieller Unsicherheit betroffen – das könne die Psyche durchaus belasten. Kreutz weist aber darauf hin, dass es unter Musikerinnen und Musikern dennoch eine sehr hohe Berufszufriedenheit gäbe. Viele Musikerinnen und Musiker seien froh, ihren Traumberuf ausüben zu dürfen.

Hegerl zufolge kommt Suizid unter Musikmachenden auch nicht häufiger vor als bei anderen Menschen. „Der Eindruck, dass sich berühmte Musiker häufiger suizidieren, kommt teils dadurch zustande, dass darüber in den Medien berichtet wird“, erklärt Hegerl. So bekamen auch die Todesfälle durch Suizid von Kurt Cobain, Chester Bennington oder etwa Mindy McCready medial viel Aufmerksamkeit. Von den mehr als 25 Suiziden pro Tag durch „normale Menschen“ bekomme man Hegerl zufolge meistens hingegen nichts mit.

Gemeinsamer Nenner: „Bildung, Intelligenz“

Hegerl zufolge seien die Ergebnisse der Studie eher für die Wissenschaft interessant – aber für den Alltag wenig aussagekräftig. „Die gefundenen Zusammenhänge sind sehr klein“, erklärt Hegerl. Außerdem müsse man bei derartigen Studien viele Einflussfaktoren bedenken.

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So würden laut Hegerl in derartigen genetischen Studien nur Menschen berücksichtigt, die sich bereits Hilfe gesucht und eine Diagnose bekommen haben. Hilfe suchen sich ihm zufolge aber eher Menschen, die eine höhere emotionale Intelligenz und eine bessere Bildung haben. Diese Menschen haben, so Hegerl, generell auch eine größere Chance, in Kontakt mit dem Musizieren zu kommen. „Der gefundene statistische Zusammenhang zwischen Depressionen und Musizieren könnte demnach beispielsweise über den gemeinsamen Nenner ,Bildung, Intelligenz‘ zustande kommen“, sagt Hegerl.

Musikmachende haben größere Vulnerabilität

Die Studienergebnisse könnten sich aber auch mit Persönlichkeitseigenschaften erklären lassen, vermutet die Musiktherapeutin Dr. Angelika Stiess-Westermann. So weisen Menschen, die sehr kreativ sind, oft auch eine erhöhte Sensibilität oder eine größere Offenheit auf. „Gerade Musikmachende besitzen ja die Fähigkeit, vollkommen in einer Sache aufzugehen“, sagt Stiess-Westermann. „Ich könnte mir vorstellen, dass bei diesen Menschen oft eine gewisse Vulnerabilität für Lebenseinflüsse herrscht, die psychische Störungen hervorrufen können.“

Aber was macht Musik eigentlich grundsätzlich mit Menschen? „Schon Säuglinge können Musik sehr gut verarbeiten und das bleibt unser Leben lang“, sagt Kreutz. Diese Wirkung ist belegt – und wird in der Musiktherapie genutzt. „Musiktherapie ist der gezielte Einsatz von Musik im Rahmen der therapeutischen Beziehung zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit“, heißt es dazu bei der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft.

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Verarbeitung und Regulation von Gefühlen

Aber was passiert bei der Musiktherapie genau? „In der Therapie wird ganz gezielt mit der Wirkung von Musik gearbeitet“, erklärt Stiess-Westermann. Dabei suchen die Betroffenen sich etwa ein Musikinstrument aus, das ihrer momentanen Stimmung entspricht. Das Gespielte werde dann verbalisiert und diskutiert, das ist Stiess-Westermann zufolge ein wichtiger Schritt im Verarbeitungsprozess. „Dem Spielenden hilft das in vielen Fällen, seine eigene emotionale Situation erst richtig zu verstehen“, erklärt Stiess-Westermann. So lasse sich die Verarbeitung von Gefühlen und gleichzeitig die Regulation anregen.

Die Forschenden haben in ihrer Studie übrigens denselben genetischen Zusammenhang auch für andere künstlerische Begabungen gefunden – etwa für das Zeichnen, Schreiben oder Fotografieren. „Die Studie ist sicherlich eine gute Grundlage, um diesen Bereich mehr zu erforschen“, sagt Kreutz.

Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe weist darauf hin, dass bei Verdacht auf eine Depression oder Suizidgedanken erster Ansprechpartner der Hausarzt, ein Psychiater oder ein psychologischer Psychotherapeut ist. Betroffene bekommen Hilfe beim deutschlandweiten Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei).


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