Umfrage offenbart enormen Sinneswandel

Die Deutschen und der Tod: Die meisten wollen nicht mehr klassisch beerdigt werden

Ein altes Grabkreuz ist auf einem Friedhof zu sehen.

Ein altes Grabkreuz ist auf einem Friedhof zu sehen.

Berlin. Ob das makabre Wort „Leichenschmaus“ fürs gemeinsame Essen nach einer Trauerfeier oder Bachs Kreuzstabkantate mit dem Choral „Komm, o Tod, du Schlafes Bruder“: Die Deutschen haben ein besonderes Verhältnis zum Tod. Höchstens den Österreichern, genau genommen den Wienern, mit ihrem Schmäh von der „schönen Leich“ gestehen viele Deutsche zu, noch morbider zu sein.

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Eine aktuelle repräsentative Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur offenbart, wie die Erwachsenen in Deutschland über den Tod, die eigene Trauerfeier sowie den hierzulande nach wie vor gültigen Friedhofszwang denken. Im Verhältnis zum Sterben und den Bestattungsformen hat sich in Deutschland in den letzten Jahrzehnten ein enormer Sinneswandel vollzogen.

Nur noch 14 Prozent wollen klassisch beerdigt werden

Der neuen Umfrage zufolge wünschen sich 2022 lediglich noch 14 Prozent der Erwachsenen, klassisch beerdigt zu werden. 35 Prozent nennen dagegen die Feuerbestattung, sieben Prozent eine Seebestattung, fünf Prozent die Körperspende an die Wissenschaft. 13 Prozent ist es angeblich egal, was mit ihnen als Leiche geschieht. Der Rest machte keine Angabe oder nannte etwas anderes.

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Zudem spricht sich heute mehr als die Hälfte (54 Prozent) dafür aus, dass es erlaubt werden sollte, Urnen zu Hause aufzubewahren - so wie man es zum Beispiel öfter in amerikanischen Filmen sieht. Überdurchschnittlich oft für die Aufhebung des traditionellen Friedhofzwangs sind Frauen (56 Prozent), Ostdeutsche (61 Prozent) und Menschen aus der wachsenden Gruppe der Konfessionslosen (63 Prozent).

Einäscherung gewinnt zunehmend an Beliebtheit

Jahrhundertelang war hierzulande die einzig ehrenvolle Bestattungsform die Beerdigung auf dem Friedhof. Erst vor hundert Jahren, ab den 1920er Jahren, kam die Einäscherung wieder zunehmend auf. Dabei spielte auch Angst vor Wirtschaftskrisen, Inflation und einer womöglich unwürdig ablaufenden Beisetzung im Sarg eine Rolle.

Wie der Bestattungskultur-Verein Aeternitas in Königswinter bei Bonn zu berichten weiß, wurden 1960 in der Bundesrepublik erst etwa zehn Prozent der Gestorbenen kremiert. 1993 waren es schon etwa 33 Prozent und heute sind es mehr als 75 Prozent.

Die neue Akzeptanz der Feuerbestattung hatte und hat wohl auch mit einem anderen Menschenbild und einer gewissen Fortschrittsgläubigkeit zu tun. Der Einfluss der großen Religionen auf das Verhalten nach einem Todesfall schwindet jedenfalls: Traditionell verlangen nämlich Christentum, Judentum und Islam, einen intakten Leib zu bestatten, damit im Jenseits Körper und Seele als Einheit weiterleben können.

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Wegen der Energiekrise infolge des russischen Angriffskrieges und der hohen Gaspreise stellen die Krematorien in Deutschland derzeit übrigens Abläufe um und setzen mehr auf Elektro- statt Gas-Anlagen. Laut der Gütegemeinschaft Feuerbestattungsanlagen werden Einäscherungen dennoch teurer für die Angehörigen. Nach Angaben des Verbands gibt es rund 160 Krematorien, von denen etwa zwei Drittel kommunal und ein Drittel privatwirtschaftlich betrieben werden.

Nur 20 Prozent denken „häufig“ an den eigenen Tod

Vor 300 Jahren klang Johann Sebastian Bachs geistliche Kantate „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“ (1726) noch arg todessehnsüchtig - in der Hoffnung auf eine Begegnung mit „dem schönsten Jesulein“: „Komm, o Tod, du Schlafes Bruder; Komm und führe mich nur fort; Löse meines Schiffleins Ruder; Bringe mich an sichern Port!“

Heutzutage sind viele Deutsche eher Meister im Verdrängen. 41 Prozent sagen, sie dächten nur „selten“ an den eigenen Tod, 27 Prozent sagen, sie täten dies „gelegentlich“. Acht Prozent behaupten, sich „nie“ gedanklich mit dem Tod zu beschäftigen. 20 Prozent geben an, „häufig“ oder „sehr häufig“ an die eigene Vergänglichkeit zu denken.

Gefragt nach der Idee für ihre eigene Beisetzungsfeierlichkeit geben sich 80 Prozent auffällig bescheiden. So sagen 21 Prozent, sie wollten überhaupt keine Trauerfeier für sich, 34 Prozent wünschen sich eine Totenfeier im engsten Kreis und 25 Prozent eine kleine Leichenfeier für Familie und Freunde. Sechs Prozent stellen sich ihren Abschied „eher groß“ mit Familie, Freunden, Bekannten und Kollegen vor. Zwei Prozent wollen es pompös: „so groß wie möglich“.

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RND/dpa

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