Warnstreiks der vergangenen Tage

Flughafen-Sicherheitspersonal: Es geht um mehr als um einen höheren Lohn um einen Euro

Verdi fordert die Erhöhung der Entgelte für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen.

Verdi fordert die Erhöhung der Entgelte für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen.

Hannover. Seit Tagen treten die privaten Sicherheitskräfte an nahezu allen größeren Flughäfen in Deutschland immer wieder in den Warnstreik. Die Folge sind Hunderte Flugausfälle und gewaltiger Ärger bei den Passagieren und Passagierinnen. Die Gewerkschaft Verdi will mit den Arbeitsniederlegungen Druck vor der nächsten Runde der Tarifverhandlungen an diesem Donnerstag aufbauen, um bessere Arbeitsbedingungen für die Fracht- und Passagierkontrolleure zu erreichen – mit weitreichenden Folgen. Worum geht es in diesem Konflikt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Welche Flughäfen sind von den Streiks betroffen?

Verdi hatte zuletzt auch die Kontrolleure in Leipzig zur Arbeitsniederlegung aufgerufen, sodass nun neun Flughäfen bestreikt werden. Neben Leipzig wird auch an den Airports in Berlin, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln/Bonn und Stuttgart gestreikt.

Warum bleibt München verschont?

In Bayern sind staatliche Unternehmen für die Kontrolle von Fracht, Fluggästen und Flughafenpersonal zuständig. Sie bezahlen ihre Beschäftigten nach den im öffentlichen Dienst üblichen Tarifen. In den anderen Bundesländern wurde die eigentlich hoheitliche Aufgabe der Kontrolle an den Flughäfen auf private Dienstleister übertragen – nicht zuletzt, um Kosten zu senken.

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Wie groß ist das Ausmaß der Streikfolgen?

Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt sagten die Gesellschaften allein am Dienstag 108 von 790 geplanten Flügen ganz ab, wie der Betreiber Fraport berichtete. Zusteigen konnte am Rhein-Main-Flughafen niemand, es wurden nur Umsteiger abgefertigt.

In Düsseldorf beispielsweise fielen dem Arbeitskampf rund 140 Verbindungen zum Opfer. In Köln/Bonn wurden 73 Flüge gestrichen. Die Zahlen variieren, Ausfälle gab es aber überall, wo die Kontrollierenden in den Ausstand traten. In vielen Fällen konnten die Fluggäste rechtzeitig über den Ausfall ihrer Flüge informiert werden, sodass ein Chaos an den Flughäfen ausblieb.

Was fordert die Gewerkschaft?

Verdi will in den Tarifverhandlungen mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) den Lohn um mindestens einen Euro je Stunde erhöhen bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Wesentlich kostspieliger könnten regionale Angleichungen sowie vereinheitlichte Tarifgruppen werden. So soll es keine Unterscheidung mehr in West- und Ostlöhne geben.

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Den Arbeitgebern zufolge brächten die Forderungen für einzelne Mitarbeitende bis zu 40 Prozent mehr Gehalt. Verdi verhandelt bundesweit für etwa 25.000 Branchenbeschäftigte. Mit den Streiks steigt der Druck auf den BDLS. „Ich hoffe, die Arbeitgeber haben unsere Signale verstanden“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Wolfgang Pieper dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Bereitschaft der Belegschaften, zu streiken nimmt zu.“

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Was sagen die Arbeitgeber?

Der BDLS wirft der Gewerkschaft Verdi Maßlosigkeit vor, nachdem man bereits bis zu 22 Prozent mehr Gehalt angeboten habe. Die Arbeitgeber kritisieren den Ausstand scharf: „Wir haben Verständnis für Warnstreiks im Rahmen von Tarifverhandlungen, aber diese Streikmaßnahmen sind ausufernd und unverhältnismäßig“, sagte BDLS-Verhandlungsführer Rainer Friebertshäuser. „Diese unangemessenen Streikaktionen müssen beendet werden.“

Kommt man sich näher?

Teils, teils. „Wir sind in den Verhandlungen bei der Angleichung der regionalen Löhne und der Angleichung Ost an West weitergekommen“, berichtet Verdi-Verhandlungsführer Pieper. Bei der Lohnerhöhung seien die Arbeitgeber mit ihrem Angebot aber weit unter der Forderung geblieben. „Außerdem wollen die Arbeitgeber Nullmonate durchsetzen“, kritisierte Pieper. „Die Arbeitgeber haben es versäumt, endlich ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen, das die Preisentwicklung aufgreift und dafür sorgt, dass die Arbeit für qualifizierte Fachkräfte im Luftsicherheitsbereich attraktiv bleibt.“

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Wie sah das jüngste Angebot des BDLS aus?

Die Beschäftigten werden in fünf Lohngruppen eingeteilt. Am besten werden die sogenannten Luftsicherheitsassistenten bezahlt, die in der Personen- und Gepäckkontrolle beschäftigt sind. Sie sollen laut BDLS-Angebot künftig einen bundesweit einheitlichen Stundenlohn von 19,51 Euro erhalten.

Die angebotene Anhebung in den oberen Lohngruppen hat man bei Verdi durchaus wohlwollend zur Kenntnis genommen. In der untersten Entgeltgruppe sieht das Angebot bundesweit 12,70 Euro Stundenlohn für „einfache Servicedienstleistungen und Fluggastdienste“ vor. „Das ist uns noch zu nah am Mindestlohn“, sagt Pieper. Der soll im Oktober immerhin auf 12 Euro steigen.

Warum fordert Verdi mehr Geld?

Die Gewerkschaft gibt mehrere Gründe an. So will sie angesichts der allgemeinen Preisentwicklung einen Ausgleich sehen. Zudem seien unterschiedliche Löhne in Ost und West längst nicht mehr zeitgemäß, sagt Pieper. Dies wird von den Arbeitgebern offenbar ähnlich gesehen. Darüber hinaus möchte Verdi einen deutlicheren Abstand zum Mindestlohn erreichen, um die Berufe der Luftsicherung interessanter zu machen.

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Die Branche stehe vor dem Problem, dass die Bundespolizei stets erst kurz vor Monatsende bei den Unternehmen die Personalstärke für den kommenden Monat anfordere. Langfristiges Planen sei da schwierig, räumt Pieper ein. Deshalb arbeiteten viele Unternehmen mit befristeten Arbeitsverträgen. Und viele Beschäftigte arbeiteten nebenher tageweise auch in anderen Berufen. Beides gefällt der Gewerkschaft nicht. „Wir müssen an den Flughäfen zu stabileren Arbeitsverhältnissen kommen“, fordert Pieper. Höhere Löhne sieht er als einen Weg dahin.

Wie geht es weiter?

Nach vier Verhandlungsrunden wollen sich beide Seiten an diesem Donnerstag in Raunheim bei Frankfurt erneut treffen. Verdi müsse dann endlich zeigen, dass überhaupt ein Wille zum Abschluss eines neuen Tarifvertrags bestehe, heißt es bei den Arbeitgebern. „Bisher zeigen sie nur, dass sie den Luftverkehr durch völlig maßlose Streiks massiv schädigen wollen“, sagte Friebertshäuser.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Die Laufzeit des Tarifvertrags bietet sich dabei oft an. Die Arbeitgeber möchten möglichst lange Planungssicherheit und deshalb Laufzeiten von am liebsten mehreren Jahren. Die Gewerkschaft bevorzugt freilich kürzere Laufzeiten, auch um die Intervalle für Lohnerhöhungen gering zu halten. Man wird sehen, ob es bei der von Verdi geforderten Laufzeit von zwölf Monaten bleiben kann.

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Oder muss die Flughafenkontrolle generell neu aufgestellt werden?

Das fordert jedenfalls der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF). „Die bestehende Organisationsstruktur macht alle Beteiligten, den Bund als Auftraggeber wie auch die Passagiere, die ohne Kontrollen ihren Flug nicht antreten können, erpressbar“, sagte BDF-Geschäftsführer Michael Engel. „Dieses System hat in den letzten zehn Jahren dazu geführt, dass sich die Kosten für diese Kontrollen in Deutschland verdoppelt haben.“

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