Ungarns spezielle China-Connection
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Ein Kran bewegt sich auf dem Logistikterminal nahe des Dorfes Fenyeslitke in Ostungarn.
© Quelle: picture alliance / Xinhua News Agency | Attila Volgyi
Im letzten Jahr konnten die Medien gleich mehrere spektakuläre chinesische Großinvestitionen in Ungarn verkünden. Chervon Auto baute eine Fabrik in der Nähe von Miskolc im Nordosten von Ungarn. Der Batteriehersteller Contemporary Amperex Technology Co., Limited (CATL) entschied sich für den Bau seiner Gigafabrik in Debrecen. Mit einem Volumen von 7,28 Milliarden US-Dollar (ca. 6,7 Milliarden Euro) und der Schaffung von knapp 9000 neuen Arbeitsplätzen ist es die größte Auslandsinvestition in der Geschichte Ungarns. China investierte außerdem auch in Fényeslitke, wo letztes Jahr eines der größten Intermodalterminals Europas für den Containerverkehr in Betrieb gegangen ist.
China suggeriert den Aufbruch in eine glorreiche Zukunft
Obwohl China in der Summe weniger in Ungarn investiert als zum Beispiel Deutschland, werden die Projekte, die das Reich der Mitte in Ungarn umsetzt, als moderne Zukunftsinvestitionen wahrgenommen, die Ungarn auch mittel- und langfristig erhebliche Vorteile einbringen werden. Zu solchen Projekten zählen auch große Infrastrukturprojekte im Bereich Logistik. China ist an einer effizienten Transportroute, der „Neuen Seidenstraße“, sehr interessiert. Begrüßt werden diese Pläne auch von den Ungarn. „Die Pläne zum Ausbau der Eisenbahnlinie Budapest-Serbien als Teil der Neuen Seidenstraße werden auch von einem erheblichen Teil der ungarischen Bevölkerung gutgeheißen“, erklärt der Hungarologe Adam Szabelski.
„Die Bewohner der ungarischen Großstädte sind jedoch kritischer und halten solche Großprojekte nicht selten für eine sinnlose Geldausgabe, während die Bewohner der Kleinstädte und Dörfer, an denen die Strecke verlaufen soll, mit einem Entwicklungsschub rechnen.“ Kritik und Proteste gibt es auch im Zusammenhang mit der Batteriefabrik in Debrecen. „Die Einheimischen haben Angst vor den negativen Auswirkungen dieser Investition auf die Umwelt“, so Szabelski.
Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass Viktor Orban die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit China als Gegenstrategie zur Europäischen Union eingeleitet hat. Es handelt sich keineswegs um eine neue Richtung, sondern um die Fortsetzung einer Politik, die direkt mit dem Fall des Eisernen Vorhangs begonnen hat. Die ersten Abkommen zur Regelung gegenseitiger Beziehungen wurden schon 1991 unterzeichnet. Im selben Jahr eröffnete China in Ungarn eine Handelsvertretung.
„In den 1990er Jahren war Ungarn für China ein Fenster nach Mitteleuropa mit einer sehr liberalen Visapolitik für Chinesen. Infolgedessen sind dort sehr viele Chinesen in der Gastronomie und im Kleingewerbe tätig“, sagt Szabelski.
Die chinafreundliche Politik Ungarns ist auch kein besonderes Merkmal der amtierenden populistischen Regierung. Denn auch andere ungarische Regierungen, darunter die linksliberale Regierung unter Ferenc Gyurcsány, standen der Zusammenarbeit mit China ausgesprochen offen gegenüber. Während der Regierungszeit Gyurcsánys stieg China zu den zehn wichtigsten Partnern Ungarns auf.
Vizepräsidentin Barley bezeichnet Viktor Orban als „Sündenfall“ der EU
Katarina Barley hat den langjährigen Umgang der EU mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban kritisiert.
© Quelle: dpa
Dominik Héjj, der am Institutes of Central Europe die Beziehungen Ungarns zu China analysiert, kommt zu dem Schluss, dass die Ungarn ein sehr unkompliziertes und ungezwungenes Verhältnis zum Reich der Mitte haben. „Ungarn sieht China nicht als ein Land an, von dem es sich bedroht fühlen könnte. Dies ist eine andere Perspektive im Vergleich zu den anderen Ländern der Europäischen Union“, heißt es in dem Bericht.
China ist ein wichtiger Investor in Ungarn, aber Deutschland auch
Obwohl die ungarischen Politiker die wirtschaftliche Bedeutung der chinesischen Investitionen ständig betonen, kam die Analyse des Experten Héjj zu einem differenzierten Bild. Nach Angaben der Nationalen Investitionsagentur (HIPA) stammten in den Jahren 2015 bis 2018 mehr als die Hälfte der Auslandsinvestitionen aus Deutschland und den USA. In der Zeit 2019 bis 2020 schrumpfte dieser Anteil zwar auf 19 Prozent, blieb aber in den Schlüsselbranchen der größte Faktor. Parallel dazu stieg der Anteil der asiatischen Investitionen dynamisch an. Dies gilt insbesondere für Südkorea, das verstärkt in die ungarische Automobilindustrie investiert. Deutsche Unternehmen haben im Jahr 2021 rund 900 Millionen Euro in Ungarn investiert. Deutschland ist Ungarns unangefochtener Wirtschaftspartner Nummer eins – sowohl im Handelsaustausch als auch bei Investitionen. Südkorea und China gewinnen aber in Ungarn in den Bereichen Maschinenbau, Automobilindustrie und Logistik zunehmend an Bedeutung.
Seit Jahren versucht China auch andere Länder Mittelosteuropas mit Investitionen in Zukunftstechnologien und große Infrastrukturprojekte für sich zu gewinnen. Die Erfolge sind aber sehr überschaubar und es kommt immer wieder zu massiven Rückschritten, wie im Falle Litauens. Das Land hatte sich in Richtung Taiwan orientiert, obwohl China Taiwan nicht anerkennt und es als abtrünnige Provinz bewertet. Auch in Polen, der wichtigsten Volkswirtschaft Osteuropas, gelingt es China nicht, an Einfluss zu gewinnen. Allein Ungarns Türen sind für China stets weit geöffnet. Wie lange das noch so bleibt, ist ungewiss.