Hochleistungschips für E‑Autos: Im Saarland entsteht ein Leuchtturmprojekt
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Gregg Lowe (CEO Wolfspeed) spricht bei einer Veranstaltung des Getriebeherstellers ZF Group im Saarland.
© Quelle: Harald Tittel/dpa
Frankfurt am Main. Das Projekt ist derart symbolträchtig, dass der Saarländische Rundfunk sogar eine Liveübertragung auf die Beine stellte: Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reisten am Mittwoch ganz tief in den Westen – nach Ensdorf –, um den Bau einer Fabrik zu feiern, die Halbleiter für Elektroautos fertigen soll.
Das Projekt gehört ins Bilderbuch der industriellen Transformation. Das Werk der US‑Firma Wolfspeed soll auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks entstehen. Die gibt es auch anderswo. Aber Ensdorf ist der Geburtsort des früheren Wirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU), sein Vater war Bergmann. Altmaier soll beim Einfädeln der Investition – immerhin rund 3 Milliarden Dollar – eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Was er gesät hat, ernten nun sein Nachfolger und der Kanzler von der SPD.
Schnelleres Laden, größere Reichweite
Wolfspeed hat sich auf Halbleiter aus besonders leitfähigen Materialen spezialisiert. Im Fall von Ensdorf handelt es sich um Siliziumcarbid (SiC) – eine Mischung aus Silizium, das aus Quarzsand gewonnen wird, und Kohlenstoff. Die damit produzierten Chips haben vor allem die Eigenschaft, sehr effizient zu sein, sodass beim Hin- und Herschalten zwischen Strom und Nichtstrom extrem wenig Energie verloren geht. Deshalb sind sie für die sogenannte Leistungselektronik in E‑Autos enorm wichtig. So lässt sich nicht nur das Laden beschleunigen, sondern auch die Reichweite der Fahrzeuge erhöhen, und zwar um bis zu 15 Prozent. „Wenn die Elektromobilität eine Zukunft hat, dann ist es immer richtig, auf Siliziumcarbid zu setzen“, sagte Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Der Bau der Chipfabrik – sie soll die größte ihrer Art weltweit werden – ist ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen. 600 Arbeitsplätze sollen auf dem Gelände des Ex‑Kohlekraftwerks entstehen. Zudem ist ein gemeinsames Forschungszentrum unter der Führung von ZF geplant. Dudenhöffer lobt das Vorhaben: „Das ist eine gute Sache.“ ZF habe seine Kompetenzen in der Elektromobilität systematisch ausgebaut. „Dafür braucht man auch elektronische Steuerungen“, so der Experte. Die Investition sei vorbildlich und über Jahre gereift. Das Entwicklungszentrum diene dazu, künftig ganz spezifisch die Dinge zu entwickeln, die gut zu ZF passen.
Dudenhöffer fügt hinzu: „Das Saarland hat den Vorteil, dass man mit Blick auf die EU Subventionen anders gestalten kann als in Stuttgart oder Frankfurt.“ Die Wirtschaft der Region ist stark von Autozulieferern abhängig, die auf Verbrennertechnik setzen und sich deshalb auf harte Zeiten einstellen müssen. Das Saarland gilt zudem als strukturschwach. Dass es eine staatliche Förderung geben wird, gilt als selbstverständlich. Halbleiterhersteller investieren nur dort, wo sie hohe Zuwendungen erhalten. 40 Prozent der Gesamtkosten für den extrem aufwendigen Bau von Fabriken sind üblich. Die endgültigen Entscheidungen über staatliche Hilfen für Ensdorf stehen noch aus.
ZF betreibt in Saarbrücken ein Werk mit rund 9000 Beschäftigten, die dort zwar noch immer Automatikgetriebe für Verbrenner montieren, die Fabrik soll aber zum Leitstandort des Konzerns für elektrische Antriebe umgemodelt werden. Durch die Kooperation mit Wolfspeed will der deutsche Zulieferer auch seine Position gegenüber dem hiesigen Konkurrenten Bosch stärken, der eine eigene Fertigung von SiC‑Chips betreibt. Beim Startschuss der Serienproduktion Ende 2021 hatten die Stuttgarter angekündigt, weltweit führend bei der Herstellung dieser Halbleiter für die Autobranche werden zu wollen.
Chips auch für Windräder
Die Ansiedlung in Ensdorf hat auch das Zeug dazu, Abhängigkeiten von China zu reduzieren. Immerhin kam zuletzt knapp die Hälfte aller weltweit produzierten SiC‑Halbleiter aus der Volksrepublik. Wolfspeed ist derweil zwar weit vorne bei den extrem leitfähigen Bauteilen, allerdings noch nicht profitabel. Das Unternehmen hat aber seinen Umsatz im vierten Quartal um fast ein Viertel gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Und die Gesamterlöse sollen sich bis 2027 fast verfünffachen auf dann 4 Milliarden Dollar.
Mit Mercedes und Jaguar Land Rover wurden bereits Lieferverträge für die Hochleistungschips abgeschlossen. Zudem kooperiert die Firma auch mit dem US‑Zulieferer Borg-Warner, der eine halbe Milliarde Dollar in Wolfspeed investiert hat, um sich einen Zugriff auf einen größeren Teil des SiC‑Outputs zu sichern. ZF setzt indes darauf, dass die Komponenten nicht nur in E‑Autos verbaut werden, sondern künftig auch in Getrieben für Windräder und in Schiffen mit Elektroantrieb zum Einsatz kommen. Der Bau des Ensdorfer Werks soll noch in diesem Jahr beginnen und die Produktion dann 2027 starten.
Jörg Köhlinger, Leiter des IG‑Metall-Bezirks Mitte sagte: „Der Bau des großen Werkes für Halbleiter ist ein sehr positives Signal für das gesamte Saarland. Wir freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit und gehen davon aus, dass zukunftsfähige Arbeitsplätze und gute Tarifbedingungen zwei Seiten des Investitionsvorhabens des amerikanischen Chipherstellers darstellen.“