Nutzerrückgang beim Streamingdienst

Netflix muss Dämpfer hinnehmen

Erstmals seit Jahren hat Netflix einen Rückgang seiner Nutzerzahlen zu verzeichnen.

Erstmals seit Jahren hat Netflix einen Rückgang seiner Nutzerzahlen zu verzeichnen.

Berlin. Ukraine-Krieg, allgemeine Preissteigerungen und eine stärkere Konkurrenz: Für den erfolgsverwöhnten Videostreamingdienst Netflix scheinen die Zeiten unbeschwerten Wachstums vorbei zu sein. In den ersten drei Monaten dieses Jahres musste der US-Konzern erstmals seit 2011 einen Rückgang bei den Abonnentenzahlen hinnehmen. Der große Krisengewinner der Corona-Pandemie verlor rund 200.000 zahlende Kundinnen und Kunden. Insgesamt sank die Nutzerzahl damit weltweit auf 221,6 Millionen, wie das Unternehmen bekannt gab.

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Krieg, Inflation, scharfer Wettbewerb: Netflix verliert Abonnenten – Aktie stürzt ab

Der Streamingdienst Netflix hat einen Rückgang der Zahl seiner Abonnenten hinnehmen müssen – zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt.

Damit verfehlte Netflix das eigene Ziel deutlich: Ein Plus von 2,5 Millionen zusätzlichen Abonnenten hatte der Marktführer mal angepeilt. „Mit diesem Schock beim Wachstum ist das gesamte Modell infrage gestellt“, urteilte Florian Kerkau, Geschäftsführer und Partner bei der Unternehmensberatung Goldmedia in Berlin gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dabei hätte eigentlich jedem klar sein müssen, dass so ein rasantes Wachstum bei Netflix nicht über längere Zeit durchzuhalten sei. In Deutschland, wo das Unternehmen nach Nutzerzahlen Nummer zwei hinter Amazon Prime Video ist, spricht Kerkau sogar von einer Marktsättigung für Netflix, weil pro Abonnent zwei weitere Nutzer kostenlos mitschauen dürften. „Deshalb hat Netflix auch die Preise erhöht“, erläuterte Kerkau.

Auf der Einnahmenseite läuft es tatsächlich weiterhin gut: Der Umsatz legte im vergangenen Quartal weltweit um rund 10 Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar (7,3 Milliarden Euro) zu. Der Gewinn allerdings sank gegenüber dem Vorjahreswert um etwa 6 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar (1,5 Milliarden Euro). Eine andere Möglichkeit, als möglichst viel von diesem Geld wieder in neue Serien und Filme zu investieren, bleibe dem Konzern nicht, betont Kerkau. Nur mit Eigenproduktionen könne sich Netflix weiter gegen die erstarkende Konkurrenz behaupten. Zumal eingekaufte Filme anderer künftig seltener werden könnten. In den USA schicken sich Filmstudios an, mit eigenen Streamingangeboten auf dem Markt für Onlinevideos mitzumischen. Mit Disney+ ist auch hierzulande bereits ein Hollywoodgigant aktiv.

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Eine Ursache für seine schwachen Zahlen sieht Netflix auch im plötzlichen im Stopp des Russland-Geschäfts, wo sämtliche Kundenkonten wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine eingefroren wurden. Damit fielen schlagartig rund 700.000 Abonnements weg. Marktexperte Kerkau verweist auf einen weiteren Faktor, der Netflix und anderen Onlinevideodiensten das Geschäft erschweren dürfte: „Angesichts der steigenden Preise für Energie, Lebensmittel und anderes werden viele Menschen überlegen, wie sie ihr Haushaltseinkommen künftig verteilen.“ Da könne es schon sein, dass der Streamingdienst hinten runterfällt.

Um neue Kunden für sein Angebot zu interessieren erwägt Netflix-Chef Reed Hastings nun offenbar, ein preisgünstigeres Angebot einzuführen, bei dem Filme und Serien von Werbung unterbrochen werden. In den nächsten ein bis zwei Jahren könnte dies umgesetzt werden, hieß es. Medienexperte Kerkau hat Zweifel: „Ich glaube nicht, dass das hierzulande gut funktioniert.“ Einerseits wäre ein solches Netflix-Angebot den werbefinanzierten Privatsendern zu ähnlich, andererseits seien die Werbebudgets der Unternehmen verteilt, ein Neuling, der etwas vom Kuchen abhaben wolle, werde es da schwer haben.

Wer seinen Zugang mit anderen teilt, soll mehr zahlen

Neben dem Angebot mit Werbung will Netflix noch einen neuen Weg beschreiten. Es geht um das Teilen eines Netflix-Zugangs. „Wenn Sie eine Schwester haben, die in einer anderen Stadt lebt und ihr Netflix-Abo mit ihr teilen wollen, ist das super. Wir versuchen nicht, das zu unterbinden“, sagte Produktchef Greg Peters gestern. „Aber wir werden Sie bitten, dafür etwas mehr zu bezahlen.“ Das Unternehmen kann technisch feststellen, ob Nutzer desselben Abos auch am selben Ort auf den Dienst zugreifen. Bis das System weltweit eingesetzt werde, könne es aber noch ein Jahr dauern, sagte Peters.

Zumindest in Deutschland steht die Branche zudem vor einer ungeklärten Frage: „Wie viele Streamingdienste lassen sich hierzulande gewinnbringend betreiben?“, sagt Kerkau. Er erwartet „eine Konsolidierung in den nächsten zwei bis drei Jahren“. Kleinere Anbieter würden dann von größeren geschluckt oder ganz vom Markt verschwinden. Das Wettrennen zwischen Amazon Prime Video und Netflix wird auf dem deutschen Markt indes weitergehen. Nach Zahlen der Marktforscher von Ampere Analytics konnte Amazon Prime Video im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Nutzer in Deutschland hinzugewinnen und kommt jetzt auf 12,6 Millionen. Netflix wuchs hingegen nur um 300.000 Abonnements auf 9,6 Millionen.

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Bei der Betrachtung der gesehenen Minuten liege allerdings Netflix vorn, erläutert Kerkau. „Der Kundenstamm dort ist jünger und weiblicher.“ Eine Zielgruppe, die das Angebot offenbar intensiver nutzt. Amazon Prime Video habe ein älteres Publikum, das hinsichtlich des Geschlechts ausgewogener sei. Das Rennen sei offen. Zumal Kerkau keine wirkliche Branchekrise erwartet. „Ich sehe eine Delle, die sich aber auflösen wird.“

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