Resistente Chemikalien im Grundwasser: Wer zahlt die Rechnung?
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Das Klärwerk Waßmannsdorf.
© Quelle: Berliner Wasserbetriebe
Frankfurt am Main. „Die aktuelle rechtliche Situation wirkt aus Sicht der Hersteller wie eine Lizenz zur Verschmutzung des Grundwassers“, sagt Martin Weyand, Geschäftsführer Wasser und Abwasser beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Es geht um sogenannte Ewigkeitschemikalien (PFAS). Sie reichern sich in der Umwelt an und landen irgendwann im Grundwasser. Um die giftigen Stoffe unschädlich zu machen, bedarf es großer Anstrengungen in den Wasserwerken. Die Zeche zahlen bislang die privaten Haushalte über ihre Trinkwasserrechnung. Weyand will das nicht länger hinnehmen. Er fordert, dass künftig die Hersteller der giftigen Stoffe zur Kasse gebeten werden.
PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. Es sind mehr als 10.000 verschiedene Chemikalien. Sie werden überall eingesetzt, wenn Schmutz und Wasser abweisende Stoffe benötigt werden – von der beschichteten Pfanne über Outdoortextilien, Lebensmittelverpackungen und Kosmetik bis zu Pizzakartons. Diese Verbindungen sind extrem stabil, sie zersetzen sich auch über Jahrzehnte nicht. Das macht sie so gefährlich. Denn sie reichern sich auch in inneren Organen des Menschen wie Leber und Schilddrüse an und stehen im Verdacht, für Krebs und zahlreiche andere Erkrankungen verantwortlich zu sein.
20 Prozent höhere Trinkwassergebühren
Ein besonders krasser Fall für eine PFAS-Kontamination hat sich im badischen Landkreis Rastatt zugetragen: Die Chemikalien tauchten in hohen Konzentrationen im Grundwasser auf einer Fläche von 58 Quadratkilometern auf – was größer als der Starnberger See ist. Vermutlich wurden giftige Rückstände aus der Papierproduktion mit Kompost vermischt und von Bauern als Dünger auf die Äcker ausgebracht.
Die Konsequenz: „In Rastatt müssen die Stadtwerke ihre Kosten für den gestiegenen Aufwand bei der Aufbereitung des Grundwassers auf die Wasserpreise umlegen, mit der Konsequenz einer Steigerung von rund 20 Prozent“, sagte Weyand dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Nur wegen der PFAS-Chemikalien waren Investitionen von mehr als 15 Millionen Euro nötig. Und es bestehe überdies die Gefahr, dass sich die Schadstoffe über die Drift des Grundwassers auch in andere Regionen verteilen. Zugleich sei es enorm schwer, „der Verursacher der Kontamination habhaft zu werden“.
Deshalb ist für den BDEW-Geschäftsführer der Fall exemplarisch: „Die Bürger haben die Kosten für die Reinigung des Wassers nicht verursacht, sie müssen aber nach den geltenden Bestimmungen dafür in Form von höheren Trinkwassergebühren geradestehen.“ Der Verband hat zur Aufarbeitung ein juristisches Gutachten erstellen lassen. Das Ergebnis: „Ein PFAS-Fonds als denkbares Instrument zur Realisierung einer Finanzierungsverantwortung der Hersteller PFAS-haltiger Stoffe kann verfassungskonform ausgestaltet werden“, heißt es in dem Papier, das dem RND vorliegt.
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Die EU befasst sich schon länger mit den ewigen Chemikalien. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit vier weiteren EU-Staaten kürzlich eine Initiative gestartet, die auf ein Verbot hinauslaufen soll, allerdings dürfte es einige Jahre dauern, bis es in Kraft tritt.
Verband will Verursacherprinzip durchsetzen
Das Hauptproblem ist, dass es vielfach enorm schwer ist, Ersatzstoffe mit ähnlichen Eigenschaften zu finden. Dass aber schon jetzt nach EU-Recht die Verursacher zur Übernahme der Kosten für die Beseitigung der Schäden verdonnert werden können, leitet das Gutachten unter anderem aus der EU-Trinkwasserrichtlinie ab, die einen Schutz des Trinkwassers vor PFAS bereits festgeschrieben hat.
Für Weyand ist klar, dass die Politik möglichst schnell Regelungen schaffen muss, selbst wenn die Chemikalien sofort verboten würden. „Denn die Belastungen werden uns noch lange beeinträchtigen.“ Und Wasserversorger hätten zunehmend mit der Entfernung von PFAS zu tun. Hinzu komme, dass der hiesige Grenzwert für das Trinkwasser jetzt von 100 auf 20 Mikrogramm pro Liter herabgesetzt wird. „Das bedeutet, es wird zusätzliche Notwendigkeiten zur Aufbereitung des Grundwassers geben.“
Suche nach Verursacher oft kompliziert
Die BDEW-Idee mit der Einrichtung eines Fonds orientiert sich an ähnlichen Konzepten wie etwa dem Grünen Punkt und dem Dualen System zum Recyceln und Verwerten von Plastikverpackungen. Sie hat außerdem den Charme, dass die komplizierte Suche nach den Verursachern bei jedem Einzelfall umschifft wird. Weyand: „Unser Vorschlag ist, dass die Hersteller und die Importeure der PFAS-haltigen Stoffe in einen Fonds einzahlen, aus dem die Sanierung betroffener Flächen, die Aufbereitung des Grundwassers und die Neuerschließung von Brunnen bezahlt werden.“
Hier sei eine nationale Regelung möglich, besser wäre aber, dies gleich auf EU-Ebene zu klären, damit in Europa die gleichen Regeln gelten. Ein weiterer Vorteil aus Sicht des BDEW-Geschäftsführers: „Mit solch einem Fonds würde zudem der Anreiz geschaffen, dass Unternehmen alternative Lösungen oder andere Stoffe entwickeln, weil sie sich dadurch das Einzahlen in den Fonds ersparen würden.“