Früher war mehr Apfel: Warum der Hype ums Apple-Event nachlässt
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Es ist wieder so weit: Am Dienstag werden in der Apple-Zentrale Produktneuheiten präsentiert. Das Event wird weltweit live ins Netz übertragen.
© Quelle: Paul Miller/EPA FILE/dpa
Apple macht noch immer ein großes Geheimnis drum. Bis zu viermal im Jahr wird die Presse eingeladen, um neue Produkte vorzustellen. Auf einem tollen Event natürlich, um sich selbst, die iPhones, iPads, Airpods, Apple Watches und andere technische Spielereien zu feiern. Früher machten auch alle brav mit. Tagelang wurden Gerüchte geteilt: Was wird es Neues geben? Was wird das neue Gerät können? Welche technischen Feinheiten, welche ausgefallenen Designs haben sich die Entwickelnden ausgedacht?
Auch in dieser Woche wieder. Am Dienstag wendete sich Apple-Chef Tim Cook an die Weltöffentlichkeit. Aufwendig produzierte Videos haben die neuen Features vorgestellt. Millionen von Menschen weltweit saßen vor ihren Bildschirmen und begutachteten die Show. Zahlen für 2023 gibt es noch nicht, im vergangenen Jahr sollen laut Apple 30 Millionen das Liveevent verfolgt haben.
Apple-Events als Marketingtraum
Vor allem in den Anfangsjahren des Smartphonezeitalters hatte Apple mit seinen Events einen Werbetraum erreicht – überall auf der Welt wurde über Produkte gesprochen, die noch nicht einmal auf dem Markt waren, wurden kreative Ideen und Überlegungen freigesetzt, wurden Erwartungen geschaffen. „Apple-Events sind ein PR- und Marketingtraum“, schrieb Marketingexpertin Klara Malnar 2021 bei „Determ“, „sie sorgen für Aufregung, Neugier und Spekulationen, lange bevor das Datum des Events bekannt gegeben wird.“
Großes Apple-Event am Dienstag: iPhone 15 erwartet
Von Apple wird am Dienstag die Vorstellung der nächsten iPhone-Modelle erwartet. Apple selbst hält sich meist bis zum Schluss bedeckt dazu, was zu erwarten ist.
© Quelle: dpa
Von Beginn an verfolgten die Apple-Events eine Strategie, ganz im Sinne des verstorbenen Apple-Gründers Steve Jobs. Der sagte einst, dass Geschichtenerzähler die mächtigsten Menschen der Welt seien. „Der Geschichtenerzähler legt die Vision, die Werte und die Agenda einer ganzen Generation fest, die noch kommen wird.“ Und so verschrieb sich Apple auf seinen Events dem Storytelling als wichtigstem Erfolgsfaktor.
Apple und das Spiel mit Sehnsüchten, Neugierde, Spannung
Schon Monate vor dem Event startet die Apple-Werbemaschinerie. Das Event bekommt einen verträumten Namen, in diesem Jahr etwa „Wonderlust“, angelehnt an das bekannte Wort „Wanderlust“, die Sehnsucht nach Reisen. Apple gibt ein paar Happen preis, streut ein paar wenige Infos, um die Debatte anzuregen, um Spannung zu erzeugen, Träume anzuregen. Apple-Fans sprangen sofort auf, steigerten mit eigenen Erwartungen die Vorfreude und steckten andere damit an. Nicht-Apple-Fans schüttelten da bisweilen nur den Kopf: die Apple-Jünger mal wieder hörig – einem Tech-Unternehmen, das Daten sammelt und Handys zum Luxusgut macht.
Die Events selbst sind akribisch geplant: die Videos, die Worte, die Darstellung. Alles muss ins Markenimage passen, alles muss gleichzeitig Vertrautheit und Innovation ausstrahlen, eben wie die Apple-Produkte es auch sollen.
Apple inszeniert die Geschichten seiner Nutzerinnen und Nutzer
Konsumentinnen und Konsumenten spielen dabei eine wichtige Rolle. In jenen Videos rund um die neuen Produkte geht es immer auch um Nutzerinnen und Nutzer. Die Filme zeigen, wie die modernisierten Produkte und Features das Leben erleichtern oder bereichern können. Das festigt Glaubwürdigkeit, Authentizität und Kundennähe.
In diesem Jahr waren diese Geschichten gar der Einstieg ins Event. Menschen, die Geburtstag feiern – und diesen ohne ihre Apple-Produkte vielleicht nicht hätten feiern können. Die Menschen erzählen nämlich, wie Apple-Produkte ihnen das Leben gerettet haben. Die Mutter, deren Baby nach einem Alarm auf der Apple-Watch über unregelmäßige Herztöne frühzeitig zur Welt geholt wurde. Der Familienvater, der durch die SOS-Funktion am iPhone nach einem Schneesturm gerettet wurde. Das Mädchen, deren Apple Watch sie über einen zu hohen Puls informierte – und bei der Untersuchung ein Tumor entdeckt wurde. Es menschelt, es macht emotional und regt die Gedanken an: Was, wenn ich auch so etwas Unentdecktes habe? Was, wenn ich in eine solche Situation komme? Brauche ich vielleicht auch eine Apple Watch oder ein iPhone als Lebensretter?
Dieses Geschichtenerzählen beherrscht Apple perfekt – und verbindet es ebenso perfekt mit der Inszenierung neuer Produkte. Und so wundert es auch nicht, dass das Apple-Event im September so groß aufgezogen wird, dass der PR-Fokus von Apple darauf liegt: Es ist der Auftakt fürs Weihnachtsgeschäft.
Apples Events zeigten lange den Entwicklungsstand einer ganzen Branche
Mit jedem Event, das glückte, mit jedem Event, über das die Menschen sprachen, wurde der Hype um künftige Veranstaltungen größer. „Die zunehmende Popularität der Veranstaltung hat dem Unternehmen geholfen, ein breiteres Publikum zu gewinnen und eine Begeisterung für seine aktuellen und zukünftigen Produkte zu wecken“, schreibt das Wirtschaftsmagazin „Mirror Review“.
Über die Jahre hat das wunderbar funktioniert, auch, weil auf den Apple-Events nicht nur die neuesten Entwicklungen eines Unternehmens, sondern der neueste Stand einer gesamten Branche vorgestellt wurden. Wenngleich die Events noch immer Millionen vor die Bildschirme locken, so hat der große Hype nachgelassen. Das betrifft die Marke Apple, das betrifft Smartphones, das betrifft die Spannung und Vorfreude auf Produktinnovationen. Und es hat Gründe.
Zum einen wäre da der Overload an Apple-Veranstaltungen. Bis zu viermal im Jahr finden sie statt, teilweise unter verschiedenen Namen. Der Spannungseffekt weicht dem Gewohnheitseffekt.
Das ändert sich bei den neuen iPhones und Apple Watches
Vor allem aber wäre da, dass die Technologie inzwischen so weit entwickelt ist, dass nur noch kleine Schritte möglich sind. In diesem Jahr stellte Apple die neuen iPhone-15-Modelle und die Apple Watch Series 9 vor. Es ging vor allem um kleine Design- und Systemfeinheiten gegenüber älteren Modellen.
Die neuen iPhones sind in neuen Farben erhältlich (pink!), haben ein etwas verbessertes Kamerasystem mit größerem optischen Zoom und einige auch einen schnelleren A17-Chip, fürs noch angenehmere Spielen am Handy.
Außerdem gibt es statt der markentypischen Lightning-Anschlüsse nun USB-C-Anschlüsse an den Geräten. Das hat allerdings nichts mit Apple-Gedanken zu tun, es handelt sich um die Umsetzung einer EU-Verordnung, wonach bis Ende 2024 alle Smartphones, Tablets und Co. mit dem gleichen Ladeanschluss versehen sein müssen.
Kundinnen und Kunden merken die Neuerungen bei der Bedienung kaum noch
Auch die Apple Watch bekommt einen schnelleren Prozessor und eine neue Bedienfunktion, bei der mit einem Tippen von Zeigefinger und Daumen ein Anruf angenommen werden kann.
Diese Neuerungen zeigen: Die Zeiten, in denen Apple auf seinen Events Dinge vorstellte, die das Leben von Grund auf erleichtern, in denen immer wieder neue technologische Geniestreiche zu finden waren, sind vorbei. Und so begann schon vor einigen Jahren, das Interesse am Megaevent zu schwinden. 2021 witzelten Nutzerinnen und Nutzer auf Twitter gar darüber, dass eine neue Kameraanordnung als das neue große Ding beim iPhone 13 inszeniert wurde. Sie schufen Memes und Comics, die den Fortschritt, der als keiner wahrgenommen wurde, veralberten.
1100 Euro für eine minimal bessere Kamerafunktion?
Das Problem, das Apple hat, kennen auch andere Smartphonehersteller: Die aktuellen Geräte sind schlicht schon derart optimiert, dass Laiinnen und Laien kaum noch einen Unterschied erkennen. Die etwas verbesserte Kamera, das minimal veränderte Designs, der noch schnellere Chip – für Nutzerinnen und Nutzer hat das kaum mehr Auswirkungen. Sie merken schlicht nicht mehr, ob ein Handy nun noch ein bisschen schneller ist, ob die Kamera noch ein bisschen besser zoomt.
Das neue iPhone unbedingt haben zu wollen, um jeden Preis, das war früher mit einer deutlich besseren Geräteleistung zu rechtfertigen. Für den nun oft minimalen Unterschied aber sofort mehr als 1000 Euro zu zahlen (das neue iPhone 15 Pro Max ist je nach Variante ab 1117 Euro zu haben), dazu sind viele nicht mehr bereit. Schon vor der Inflation nicht. Aber nun schätzungsweise noch weniger.
Smartphonemarkt ist in Deutschland rückläufig – Apple blickt bang nach China
Ohnehin ist der Smartphonemarkt übersättigt. In Deutschland wurden 2022 21,6 Millionen Smartphones verkauft, 600.000 weniger als noch im Jahr zuvor. In diesem Jahr wird mit einem weiteren Rückgang um 200.000 Geräte gerechnet. Auch das schlägt bei Apple durch: Weltweit ging der iPhone-Absatz im zweiten Quartal 2023 um 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Die gute Botschaft für den Konzern: Der Umsatz ging deutlich weniger zurück, nur um rund 2,4 Prozent. So verkauft Apple zwar weniger Geräte, diese wenigen allerdings zu einem höheren Preis. Zudem setzt der US-Konzern auf andere Faktoren, investiert etwa im Bereich künstliche Intelligenz.
Nicht nur der Handyabsatzmarkt an sich ist schwieriger geworden für Apple. Es gibt noch weitere Herausforderungen – und das Apple-Event soll deshalb auch Hoffnung spenden. Gerade machte die Nachricht die Runde, dass China keine iPhones mehr als Diensthandys an staatliche Angestellte herausgeben werde, berichtete „The Wall Street Journal“. Binnen zwei Tagen fiel der Unternehmenswert an der Börse um 200 Milliarden US-Dollar. Dabei ist der chinesische Markt der wichtigste für Apple, schreibt das „Handelsblatt“. Geschätzt wurden im vergangenen Jahr 50 Millionen der 225 Millionen iPhones in China verkauft. Und so sollte das Apple-Event nicht nur die Marke stärken und die Kundschaft bei Laune halten – es sollte auch Hoffnung geben und das eigentliche Kerngeschäft wieder in den Fokus rücken.