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VfL WOLFSBURG 2023

Manager des VfL Wolfsburg geht in den Ruhestand: Hier verraten Klopp und Co. Schmadtkes letzte Geheimnisse

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Oft über den Weg gelaufen, nie zusammen bei einem Verein gearbeitet: Jörg Schmadtke (I.) mit dem damaligen Dortmund-Trainer Jürgen Klopp, der heute Coach des FC Liverpool in der Premier League ist. Bei ihrer ersten Begegnung war Klopp gerade erst auf dem Weg in den Profifußball. FOTOS: ROLAND HERMSTEIN/IMAGO IMAGES/ZUR NIEDEN/DPA

Mit dem Start der Rückrunde endet die Ära Jörg Schmadtke. Der Manager des VfL Wolfsburg geht nach 38 Jahren im Profifußball in den Ruhestand. Mitstreiter und Weggefährten haben für die AZ/WAZ ihre Erinnerungen an den 58-Jährigen aufgeschrieben.

Beim Probetraining durchgefallen: Das hat sich der Jörg gemerkt...

Ich war gerade 19 Jahre alt, ein junger Bursche. Dünne Gräten, lange Haare. Ich wollte meinen Traum Profifußballer erfüllen. Ich wollte mich bei der Fortuna vorstellen. Ich kam beim Probetraining hochmotiviert in die Kabine, dann ging's raus auf den Platz im Schatten des Rheinstadions. Ich hab' mich mächtig ins Zeug gelegt, hab' alles gegeben. Bin gerannt wie ein Teufel. Jörg stand im Kasten, er war damals bei der Fortuna eine echt große Nummer. Was soll ich sagen? Bin mit Pauken und Trompeten beim Probetraining durchgefallen. Das hat sich der Jörg wohl bis heute gemerkt. Er hat mir auf all seinen Stationen nie ein Angebot gemacht, Trainer zu werden. Er hat wohl gedacht: Wenn der Klopp nicht Fußballspielen kann, kann er auch kein guter Trainer sein. Dabei hätte ich gerne einmal mit ihm zusammengearbeitet. Ich bin mir sicher, dass das sehr gut gepasst hätte. Für mich ist er eine tolle Persönlichkeit. Hat sich nie verbiegen lassen in den 38 Jahren, ist sich immer treu geblieben. Er wird dem Fußball fehlen. Jürgen Klopp

Vorlesen kann er richtig gut

Wenn Vater und Sohn zusammen anpacken: 2018 wurde Jörg beim VfL, Schmadtke (I.) Manager und Sport-Geschäftsführer seit 2020 leitet sein Sohn Nils (h.) das Scouting der Wolfsburger.
Wenn Vater und Sohn zusammen anpacken: 2018 wurde Jörg beim VfL, Schmadtke (I.) Manager und Sport-Geschäftsführer seit 2020 leitet sein Sohn Nils (h.) das Scouting der Wolfsburger.

Fußball - in unserer Familie dreht sich sehr viel um den Fußball. Und ich durfte von klein auf dabei sein. Mein Vater hat mich fast überall hin mitgenommen. Besonders prägend war die Zeit, als er zum SC Freiburg gewechselt ist. Nach den Spielen durfte ich mit ihm zum Auslaufen auf den Platz, saß im Entmüdungsbecken, als plötzlich der damalige Trainer Volker Finke reinkam oder durfte mit Freiburger Profis wie Altin Rraklli Fußball-Tennis spielen. Ich war gerade mal vier, fünf Jahre alt, konnte in diese Profi-Welt ein Stück weit mit ihm eintauchen und habe den Fußball so lieben gelernt. Streit und Diskussionskultur - das hat er gelebt, er hat als Manager seinen Klubs wieder auf die Beine geholfen. Er hat immer ehrlich seine Meinung gesagt. Jetzt macht er Schluss. Nach fast 38 Jahren. Ob das wirklich so ist, ob das Fußball-Fieber ihn nicht doch erneut packt, wird sich erst noch zeigen. Ich vermute ja, er wird irgendwas in diesem Geschäft wieder machen. Doch jetzt soll er erstmal viel Zeit mit meiner Mutter verbringen, sie sollen gemeinsam reisen und dann wird er ja bald wieder Opa. Und ich muss sagen, dass mein Vater als Opa sehr einfühlsam und lieb ist. Unser Sohn fordert beispielsweise von ihm immer, dass er ihm etwas vorlesen soll, wenn die beiden zusammen sind. Das macht er richtig gut. Nils Schmadtke


Bei der Bundeswehr drohte ihm der Feldwebel

Oliver Bierhoff, bis Dezember Geschäftsführer der deutschen Nationalmannschaft, spielte mit Schmadtke in der Bundeswehr-Auswahl zusammen.
Oliver Bierhoff, bis Dezember Geschäftsführer der deutschen Nationalmannschaft, spielte mit Schmadtke in der Bundeswehr-Auswahl zusammen.

Jörg ist eine besondere Persönlichkeit. Er ist immer jemand, der die Dinge klar heraussagt und auch die Konsequenzen nicht scheut. Wir waren damals zusammen bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr und haben dort gemeinsam für die Nationalmannschaft gespielt. Zum Ende seiner Wehrdienstzeit hat der Trainer der Mannschaft, ein Feldwebel, ihm damit gedroht, dass die letzten Tage bei der Bundeswehr für ihn lang werden könnten. Das hat Jörg kalt gelassen und er hat dem Feldwebel recht klar gemacht, dass ihm das vollkommen egal ist. Diese Geradlinigkeit hat er dann später auch in seinem Job gelebt. Ich habe die Gespräche und Treffen mit ihm immer geschätzt, denn es gab nie ein überflüssiges Wort. Ich wünsche ihm einen guten Schritt in den neuen Lebensabschnitt und bin mir sicher, er wird keine Langeweile haben. Oliver Bierhoff


Der Jeck ist bald wieder zurück

Als Manager von Bayer Leverkusen verpflichte Reiner Calmund Schmadtke als Standby-Torwart.
Als Manager von Bayer Leverkusen verpflichte Reiner Calmund Schmadtke als Standby-Torwart.

Als ich Jörg Schmadtke von Freiburg nach Leverkusen holte, wusste ich: Das ist ein schlaues Köpfchen, er hat Abitur und genießt auch schon mal das Leben. Mit ihm konnte man also vernünftig reden. Als klar war, dass wir auf den jungen Dirk Heinen als unsere Nummer 1 setzen, habe ich dem Schmaddi gesagt: ,,Jörg, komm zu uns als zweiter Keeper, du kriegst die volle Prämie und kannst nebenbei in Köln den Fußball-Lehrerschein machen". Hat er dann auch so gemacht, weil er ein cleveres Kerlchen ist. Er hat in Aachen und Hannover einen tollen Job gemacht. In Köln trotz der schmutzigen Gerüchte eine Erfolgsgeschichte geschrieben und in Wolfsburg einen bestellten Laden hinterlassen. Der VW-Klub läuft in der Spur. Jörg ist ein kantiger Typ mit einem großen Herzen, der den Fußball erhobenen Hauptes verlassen kann. Aber ich mache eine Wette, dass der Jeck es im Ruhestand nicht lange aushält und bald wieder zurück ist. Reiner Calmund


Zur Beruhigung einen Kamillentee

Bei Alemannia Aachen und Hannover 96 war Schmadtke jeweils der Vorgesetzte von Trainer Dieter Hecking (r.).
Bei Alemannia Aachen und Hannover 96 war Schmadtke jeweils der Vorgesetzte von Trainer Dieter Hecking (r.).

Im Sport hat man immer gemeinsame Ziele, will möglichst viel gewinnen - und das war bei Jörg und mir vom ersten Tag an sehr ausgeprägt. Jörg und ich sind Freunde, auch unsere Familien verstehen sich. Nils Schmadtke ist immer noch mit meinen Söhnen im Austausch. Ab und an habe ich Jörg auch nach seinem Rat gefragt. Das ist ja auch normal, denn er hat viel Erfahrung. Uns hat immer geeint, dass wir in der Sache öfter mal gestritten haben, aber drei Minuten später konnten wir wieder herzhaft lachen. Ich erinnere mich noch gut an einen Streit in Aachen. Da saßen wir in einem alten Container am Tivoli, in dem die Geschäftsstelle war. In einer Mittagspause sind Jörg und ich mal fürchterlich aneinandergeraten. Es wurde laut. Nach einer halben Stunde kam die Sekretärin rein und fragte ganz schüchtern, ob sie uns zur Beruhigung einen Kamillentee bringen soll... Das ist eine Anekdote, an die ich gern mal denke. Mit Jörg verlässt ein ganz besonderer Mensch die Bundesliga-Bühne. Die Liga verliert einen Charakter-Kopf. Jörg war sich nie zu schade, auch mal unangenehme Dinge anzusprechen. Typen wie ihn braucht man einfach, wenn man erfolgreich sein will. Dieter Hecking


Flanken konnte er mir nicht beibringen

Max Eberl (r.) spielte für Borussia Mönchengladbach, als Schmadtke dort Co-Trainer wurde; als Manager sind beide Bundesliga-Kollegen und Freunde geworden.
Max Eberl (r.) spielte für Borussia Mönchengladbach, als Schmadtke dort Co-Trainer wurde; als Manager sind beide Bundesliga-Kollegen und Freunde geworden.

Wir haben uns 1999 bei Borussia Mönchengladbach kennengelernt, als Jörg Co-Trainer wurde. Ich muss zugeben, dass ich ihm die Trainerlaufbahn versaut habe, weil er mir nicht beibringen konnte, richtig zu flanken. Unabhängig davon ist er ein großartiger Manager geworden. Für mich hat er bei seinen Stationen in Aachen, Köln, Hannover und Wolfsburg Außergewöhnliches geleistet. Darüber hinaus hat er nicht nur einen tollen Job gemacht, in dem er über den Tellerrand geschaut hat, sondern er ist vor allem ein Freund geworden. Einer, der mir in vielen Situationen schon geholfen und unter die Arme gegriffen hat. Zudem wusste ich seine ,,Diplomatie" immer sehr zu schätzen... Max Eberl


Der erste Torwart, der auch die Füße benutzt hat

Ex-DFB-Präsident Fritz Keller (I.) war Chef des SC Freiburg, als Schmadtke dort im Tor stand.
Ex-DFB-Präsident Fritz Keller (I.) war Chef des SC Freiburg, als Schmadtke dort im Tor stand.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als in der 2. Liga der SC in Köln gastierte und Schmaddi sich in einer Nacht- und Nebelaktion mit unserem damaligen Trainer Volker Finke traf. Ehrlich gesagt und unter uns gesprochen, war Schmadtke wahrscheinlich der erste richtige Torhüter, der früher schon wusste, dass man die Füße nicht nur zur Abwehr, sondern auch manchmal zum Fußballspielen benutzen kann. Besonders seine klare Kante und seinen klaren Blick, seinen Fleiß und seine Voraussicht schätze ich an ihm. Er war seinerzeit schon einer, der auch in schwierigen Phasen die Mannschaft zusammenhielt und für einen Torhüter der damaligen Zeit gute soziale Kompetenz zeigte. Neben dem Fußball war Schmadtke schon in jungen Jahren ein feiner Genussmensch, was mich als Winzer sehr beeindruckt hat. Fritz Keller


Sachlichkeit, Vernunft und Stärke

Martin Kind war Klub-Boss von Hannover 96, als Schmadtke dort als Sportdirektor tätig war.
Martin Kind war Klub-Boss von Hannover 96, als Schmadtke dort als Sportdirektor tätig war.

Wenn man auf die Laufbahn von Jörg Schmadtke zurückblickt, wird deutlich: Er war überall erfolgreich. All seine Klubs führte er jeweils aus schwierigen Situationen in den Europapokal. Das gelang ihm auch bei uns in Hannover. Wir haben in der 1. Liga gespielt, zweimal an der Europa League teilgenommen und dort Erfolge erzielt, die man von uns nicht erwartet hatte. Die Basis dafür waren gute Transferentscheidungen. Ich erinnere an Lars Stindl und Ron-Robert Zieler, weil Schmadtke ihr Potenzial erkannt hat. Ein prägender Moment war die Tragödie um Robert Enke. Mein Gesprächspartner in dieser Phase war Jörg Schmadtke. Es war eine extreme Herausforderung, diese Situation zu bewältigen. Das hat er mit der notwendigen Sensibilität und Emotionalität, aber auch der gebotenen Sachlichkeit, Vernunft und Stärke gemeistert. Am Ende ist es gelungen, eine würdevolle Form der Anteilnahme zu organisieren. Die Arbeitsweise von Jörg Schmadtke ist von klaren Visionen und Vorstellungen geprägt. Ihn zeichnet eine hohe Wissensqualität aus. Dadurch war er immer argumentationsstark. Ich habe ihn als angenehmen und zuverlässigen Menschen kennengelernt, als charakterstark und konfliktfähig. Und ganz wichtig: Man kann ihm vertrauen. Der Schritt, seine Laufbahn nun zu beenden und selbst Herr dieser Entscheidung zu sein, passt zu ihm und seinem Charakter. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er sie zeitnah noch einmal überdenken wird. Er ist in Hannover immer herzlich willkommen. Martin Kind


Alle Klubs besser hinterlassen

Slaven Stanic war Zweitliga-Profi (LR Ahlen, Waldhof Mannheim) und ist heute in der Beratungsagentur "Projekt B" tätig.
Slaven Stanic war Zweitliga-Profi (LR Ahlen, Waldhof Mannheim) und ist heute in der Beratungsagentur "Projekt B" tätig.

Mit Jörg Schmadtke verlässt eine prägende Management-Persönlichkeit die Bundesliga. Er hat das fast Unmögliche geschafft, indem er seine Klubs besser hinterlassen hat, als er sie vorgefunden hat. Sein trockener Humor und seine offene und ehrliche Art werden der Liga sehr fehlen. Ich werde es ihm nie verzeihen, dass er mich als Spieler damals nicht zu Alemannia Aachen geholt hat. Ich wünsche ihm eine fantastische Zeit als ,,Rentner", mit der ganz großen Hoffnung und Sehnsucht, dass er bald wieder - in welcher Position auch immer - dem Fußball erhalten bleibt. Ich habe das große Privileg, dass mir Jörg als Mentor, Ratgeber, aber auch als kritischer Geist erhalten bleiben wird und dass wir ab Februar sicher Zeit haben, die Gespräche mit einem guten Glas Wein zu kombinieren. Slaven Stanic