Michael Schumacher: Gestartet, um zu siegen
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Die “Schumi”-Faust: Michael Schumacher bejubelt auf unnachahmliche Weise einen Sieg im Ferrari.
Geht es nach den Zahlen, ist auf den ersten Blick klar, dass Michael Schumacher zu den ganz Großen der Sportgeschichte zählt. Sieben WM-Titel, 91 Siege – da konnte in der Formel 1 sehr lange niemand mithalten, von Rekorden für die Ewigkeit war schon die Rede. Inzwischen ist ein gewisser Lewis Hamilton dabei, erst einmal gleichzuziehen – oder Schumacher eines Tages sogar zu überholen.
Jener Hamilton sagte bei Schumachers Karriereende: “Michael ist eine Legende in unserem Sport und hat so viel erreicht. Ich fühle mich privilegiert, mit ihm in der Formel 1 gefahren zu sein.” In seinem Wohnzimmer habe er früher die Rennen verfolgt. “Ich hoffe, dass ich einmal erreiche, was er geschafft hat. Ich denke nicht, dass ich ihn ersetze. Ich denke, niemand kann Michael ersetzen.” Bei all der Bewunderung für “Schumi” wundert sich Hamilton heute immer noch, “dass es mir tatsächlich gelingt, immer näher an ihn heranzukommen, vielleicht sogar seine Rekorde zu brechen. Es kommt mir absolut unwirklich vor.”
Eigentlich habe ich ja gar keine Zeit für euch.
Michael Schumacher
zu Beginn seiner Karriere 1991 gegenüber Medienvertretern
Schumacher steht für mehr als jene Rekorde, die er mit durchgedrücktem Gaspedal einfährt: Da ist der Junge aus einfachen Verhältnissen, der sich nach oben kämpft, zum Multimillionär wird, seine Herkunft aber nie verleugnet. Er ist ein traditioneller Familienmensch, der seine Frau Corinna und vor allem seine Kinder Gina-Maria und Mick so weit wie möglich vor der Öffentlichkeit abschirmt, sich gerade per TV sehr geschickt als der “ganz normale Typ von nebenan” verkauft. Auch das trägt neben allen Erfolgen dazu bei, dass viele deutsche Fans “Schumi” zu ihrem ewigen Helden auserkoren haben. Nach seinem Skiunfall, etwa ein Jahr nach seinem Karriereende in der Formel 1, gilt das vielleicht mehr als je zuvor.
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Am Anfang einer großen Karriere: Michael Schumacher wird 1994 – damals noch im Benetton-Dress – gefeiert.
© Quelle: Harry Melchert/dpa
Schumachers Karriere beginnt Ende August 1991. Es ist das erste Auftreten des schon damals sehr selbstbewussten Jungen aus Kerpen in der Formel 1. Den versammelten Medienvertretern erzählt er mal eben forsch: “Eigentlich habe ich ja gar keine Zeit für euch.” Seinen Jordan fährt er in Spa gleich einmal auf den sensationellen siebten Startplatz. Dass er im Rennen wegen eines Kupplungsdefekts nicht einmal einen Kilometer weit kommt, tut dem Eindruck der Experten keinen Abbruch: “Da kommt einer, der ein ganz Großer werden kann.”
Schumacher sollte diese Prophezeiung erfüllen. 1992 gewinnt er, ebenfalls in Belgien, seinen ersten Grand Prix. Schon zwei Jahre später, im letzten Saisonrennen in Adelaide, holt er seinen ersten WM-Titel. Es ist ein Sieg, der schon einiges widerspiegelt, was die ganze Schumacher-Karriere mit all ihren Triumphen nie ganz loslässt: Der Erfolg wird überschattet von der Imola-Tragödie mit den tödlichen Unfällen von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger. Gleichzeitig wird Schumacher gefeiert für fahrerische Glanzleistungen und ist dennoch umstritten wegen des bei allen Insidern vorhandenen Wissens um gewisse illegale Komponenten an seinem Benetton. Den Titel, den er Senna widmet, vollendet Schumacher mit einem Crash gegen den einzigen Rivalen Damon Hill.
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Schon ein paar Kennziffern zeigen die Einzigartigkeit von Schumachers Karriere. Da stehen über 300 Rennen in mehr als 20 Jahren, die 91 Siege, 68 Pole Positions, die sieben WM-Titel. 1995 holt er die WM erneut im Benetton, dieses Mal deutlich sicherer als im Jahr zuvor. Dann folgt der Wechsel zu Ferrari. Nach und nach stellt er sich sein persönliches Dream-Team zusammen: Schumacher selbst, Teamchef Jean Todt, Technikboss Ross Brawn und der oft vergessene Topdesigner Rory Byrne sollen die Scuderia schnell wieder an die Spitze bringen. Ein Deutscher, ein Franzose, ein Brite und ein Südafrikaner sollen italienisches Chaos, viel interne Politik und auch da und dort eingerissenen Schlendrian vergessen machen. Doch trotz aller Stärke: Bis zum ersten gemeinsamen WM-Titel wird es noch fünf lange Jahre dauern.
Ferrari: Der lange Weg zum Erfolg
1996 ist der Ferrari noch nicht konkurrenzfähig, lediglich unter besonderen Bedingungen, wie etwa im Regen von Barcelona, kann Schumacher die ganz großen Highlights setzen. 1997 geht der Titelkampf bis zum letzten Rennen in Jerez. Beim Showdown leistet sich Schumacher allerdings einen seiner größten Fehler, der ihm lange nachhängen wird. Weniger durch den Zwischenfall mit Jacques Villeneuve auf der Strecke selbst, aber danach: Schumacher gesteht nicht ein, schuld an der Kollision mit dem Kanadier gewesen zu sein.
Als er nach über zwei Stunden aus dem Ferrari-Motorhome, in das er sich verkrochen hat, herauskommt, schiebt er – wohl auch von seinem Umfeld schlecht beraten – die Schuld erst einmal auf Villeneuve. Später gibt er zu, dass es wohl wesentlich besser gewesen wäre, wenn er anders reagiert und seinen Fehler eingestanden hätte. Das macht er erst einige Tage danach, vor allem auf Druck von Ferrari: “Es war keine Absicht, aber ich habe einen Fehler gemacht.”
1998 sind McLaren und Mika Häkkinen zu starke Gegner, auch wenn in Ungarn in Zusammenarbeit mit Ross Brawn ein Meisterstück gelingt, über das viele Fans noch heute reden. Eine sehr aggressive Boxenstrategie mit zusätzlichen Stopps geht auf, weil Schumacher eine fahrerische Spitzenleistung bringt. Fast 20 Runden fährt er mit wenig Sprit an Bord nahezu im Qualifyingtempo – und holt sich so den Sieg.
1999 stoppt ein Unfall in Silverstone Schumacher auf dem Weg zum Titel. Beim Anbremsen der Stowe-Kurve schießt der Ferrari geradeaus, fliegt unkontrolliert über ein Kiesbett, bohrt sich durch die Reifenstapel bis in die Leitplanke. Die Aufprallgeschwindigkeit beträgt immer noch 107 Stundenkilometer, wie die Auswertung der Datenaufzeichnungen später ergibt. Ein Bremsproblem ist die Ursache, ein Beinbruch, der genagelt werden muss, die Folge.
Ich ziehe die Kappe vor Michael Schumacher, denn in meinen Augen ist er als siebenmaliger Weltmeister der beste Formel-1-Rennfahrer, seit es die Rennserie gibt.
Niki Lauda
über Michael Schumacher
Das Comeback erfolgt erst im Herbst in Malaysia – zu einem Zeitpunkt, als sein Teamkollege Eddie Irvine noch Titelchancen hat. Dass der es dann aber auch nicht schafft, macht Schumacher nicht wirklich unglücklich – schließlich will er die Früchte seiner Arbeit ernten und höchstpersönlich den ersten Titel seit über 20 Jahren nach Maranello holen.
Das klappt dann im folgenden Jahr – es beginnt eine rote Ära in der Formel 1: Ferrari feiert fünf WM-Titel in Serie, von 2000 bis 2004, die manchmal so überlegen herausgefahren sind, dass sie schon lange vor Saisonende feststehen. Es sind die Jahre, in denen aus dem erfolgreichen Rennfahrer der absolute Superstar der Szene wird, der Weltstar, dem auch ein Niki Lauda seine höchste Anerkennung erweist: “Ich ziehe die Kappe vor Michael Schumacher, denn in meinen Augen ist er als siebenmaliger Weltmeister der beste Formel-1-Rennfahrer, seit es die Rennserie gibt.”
Auch in dieser Zeit geht es jedoch nicht ganz ohne Schatten. Es gibt ewige Diskussionen um legale oder illegale Autos, um die Traktionskontrolle oder um ein mitten in der Saison 2003 zugunsten von Ferrari geändertes Reifenreglement.
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Im Ferrari feierte er fünf WM-Titel: Michael Schumacher in dem Auto, das ihn zum Superstar machte.
Diese Fakten werden im Ausland eher diskutiert als in Deutschland, wo sie medial recht klein gehalten werden, sodass sie in der breiteren Öffentlichkeit – und vor allem bei vielen Fans – gar nicht wirklich ankommen. Das Bild des strahlenden, unfehlbaren Helden bleibt somit weitgehend erhalten.
Nach dem ersten Rücktritt Ende 2006 folgen drei Jahre Pause, in denen sich Schumacher vor allem seinen Hobbys widmet, viel Motorrad fährt und seinen Sohn Mick bei dessen ersten Schritten im Kartsport begleitet. Ganz ausgefüllt fühlt er sich davon irgendwann wohl nicht mehr, sodass er 2010 noch einmal ein Comeback bei Mercedes startet.
Auch wenn er da nicht mehr ganz an frühere Erfolge anknüpfen kann – für die neue Formel-1-Generation, gerade für die deutsche, ist es etwas ganz Besonderes, ihm noch einmal auf der Strecke zu begegnen. Sebastian Vettel fährt gegen den Helden seiner Kindheit: “Er war mein Idol, ich hatte die Poster von ihm im Ferrari in meinem Zimmer hängen”, sagt er, als sich Schumacher Ende 2012 verabschiedet, wohl auch verabschieden muss, weil Mercedes Lewis Hamilton ins Team holt.
Ich werde mein Leben mit Corinna so einrichten, dass wir weiterhin glücklich leben werden.
Michael Schumacher
Auch wenn Ross Brawn, damals noch Mercedes-Teamchef, zum Abschied Rosen streut: “Ich bin sehr stolz und fühle mich geehrt, dass ich mit Michael eng zusammenarbeiten durfte. Es war ein Privileg. Für mich ist er der größte Rennfahrer dieses Jahrhunderts. Die Rekorde, die er in unserem Sport hält, sprechen für sich selbst.”
Nico Rosberg, sein Teamkollege in der Mercedes-Zeit, möchte die Zeit ebenso wenig missen: “Michael hat viel dafür getan, die Formel 1 vor allem in Deutschland populär zu machen, viele Fans haben wegen ihm den Fernseher eingeschaltet. Er hat sehr viel erreicht, daher war es etwas ganz Besonderes für mich und eine Hammererfahrung, gegen ihn und mit ihm gefahren zu sein.”
Vettel bedauert den Ausstieg des Rekordweltmeisters: “Ich denke, es ist ein großer Verlust für die Formel 1. Er war viele Jahre lang ein großer Bestandteil und wir hatten viel Spaß mit ihm. Die letzten paar Jahre ist es vielleicht nicht ganz so gelaufen, wie es sich viele für ihn gewünscht hätten und wie er sich das aus seiner Sicht gewünscht hätte. Das Auto hat es einfach nicht hergegeben. Leider konnte er nicht zeigen, dass er es nach wie vor drauf hat. Ich glaube aber, er hat niemandem mehr etwas zu beweisen. Für mich ist er immer noch einer der Größten, und wir werden ihn auf jeden Fall vermissen. Es gibt viele Leute, die es gern gesehen hätten, wenn er weitergefahren wäre. Da gehöre ich auch dazu.”
Schumacher selbst freut sich auf die “Zeit danach”, auf weniger Hektik, weniger Reisen, auf die Familie: “Ewiges Glück mit Corinna” sieht er als sein größtes Ziel nach dem Formel-1-Abschied und meint: “Dass wir diese positive Energie, dieses Glücklichsein, das Corinna und mich verbindet, so lange wie möglich erhalten können”, dafür wolle er alles tun. Und er verspricht: “Ich werde mein Leben mit Corinna so einrichten, dass wir weiterhin glücklich leben werden.” Darauf freue er sich – und auf mehr Zeit zum Reiten, Fallschirmspringen – und “vieles, was mir so viel Spaß macht. Ich werde versuchen, das Leben generell noch mehr zu genießen.”
Das Schicksal gibt ihm dafür nur noch etwas mehr als ein Jahr – bis zum 29. Dezember 2013. Da wird er bei einem Skiunfall schwer verletzt, lebt seitdem abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Erst kürzlich gab sein Freund Jean Todt der Hoffnung vieler “Schumi”-Fans neue Nahrung, die ihren Helden irgendwann wieder öffentlich erleben möchten. Todt sagte der “Daily Mail”: “Ich hoffe, die Welt wird in der Lage sein, ihn wiederzusehen. Darauf arbeiten er und seine Familie hin.”
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