Kommentar

Polens vergifteter Wahlkampf startet bereits

Polinnen und Polen auf dem Weg zur großen Demonstration der Opposition In Warschau am Sonntag.

Polinnen und Polen auf dem Weg zur großen Demonstration der Opposition In Warschau am Sonntag.

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Das Datum ist historisch. Und die Teilnehmer der Großdemonstration in Warschau passen dazu. Am 4. Juni 1989 hielt die damalige Volksrepublik die ersten halbfreien Wahlen ab, die sozialistischen Machthaber beugten sich dem jahrelangen Druck der Bürgerbewegung Solidarnosc. Ihr legendärer Anführer Lech Wałęsa, inzwischen 79 Jahre alt, ging am Sonntag wieder auf die Straße, dieses Mal gegen die nationalkonservative Regierung, deren starker Mann Jaroslaw Kaczynski die Geschicke Polens auch nach der Parlamentswahl im Herbst weiter bestimmen will.

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Es soll die größte Demonstration seit 1989 werden, versprach die Opposition. Nicht nur in Warschau, auch in anderen Großstädten waren die Plätze gefüllt. Das gerade verabschiedete Gesetz „gegen russische Einflussnahme“ richte sich eigentlich gegen die demokratischen Gegner Kaczynskis. Dem früheren Premier und prominentestem Oppositionspolitiker Donald Tusk soll eine angebliche Nähe zu Russland unterstellt werden, die nach der aktuellen Form des Gesetzes eine Sperre für öffentliche Ämter nach sich ziehen würde.

Wie vergiftet wird der Wahlkampf?

Tusk soll durch seine Nähe zur deutschen Kanzlerin Angela Merkel auch deren Russland-Politik mitgetragen haben, werfen ihm seine Gegner vor. Auch später als EU-Ratspräsident habe er „im deutschen Team“ gespielt, hängt ihm seit Jahren nach. Geht das Gesetz wie geplant durch, bekämen solche Angriffe eine rechtliche Grundlage.

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An diesem Wochenende zeigte sich, wie vergiftet der Wahlkampf in Polen werden kann, das als direkter Nachbar zum Ukraine-Krieg enorm an Bedeutung gewonnen hat. Die EU darf nicht vor diesem erneuten Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat einknicken, den das Gesetz darstellt.

Kann Tusk die Regierung erfolgreich herausfordern?

Die Opposition stellt sich jetzt natürlich vereint hinter Tusk. Aber erhöht das auch seine Chancen, im Herbst als Spitzenkandidat die entscheidenden Prozente zum Sieg zu holen? Am Sonntag steht noch ein anderer Politiker auf der Bühne, dem das vielleicht eher zugetraut wird: Warschaus Stadtpräsident Rafał Trzaskowski. „Wir werden gewinnen!“, rief er. Und meint vielleicht auch sich selbst.


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