Wer in Deutschland eine Waffe besitzen darf und was nun am Waffengesetz geändert werden soll
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Ein Mann hält eine Pistole in seiner Hand (Symbolbild).
© Quelle: picture alliance / CHROMORANGE
Berlin. Der Amoklauf in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg heizt die Debatte um das deutsche Waffenrecht erneut an. Philipp F., ein ehemaliges Mitglied der Glaubensgemeinschaft, tötete am Donnerstagabend sieben Menschen und sich selbst mit einer Handfeuerwaffe. Der Täter war Sportschütze und besaß eine Waffenerlaubnis, durfte also legal eine Waffe besitzen.
Ist der Täter von Hamburg zu einfach an seine Waffe gekommen oder wurden anonyme Hinweise, der Mann sei psychisch auffällig, nicht ernst genommen? Wäre er womöglich einem Psychiater oder Psychologen aufgefallen? Nach der Amoktat wurden Forderungen nach einer umgehenden Verschärfung des Waffengesetzes laut.
Worum geht es genau bei der geplanten Verschärfung des Waffengesetzes und wie sieht das aktuelle Waffenrecht in Bezug auf Schusswaffen in Deutschland aus?
Wer darf eine Waffe besitzen?
Um eine Waffe besitzen beziehungsweise führen zu dürfen, muss die jeweilige Person laut Waffengesetz (WaffG) bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören unter anderem die Vollendung des 18. Lebensjahrs und die waffenrechtliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung. Man darf nicht rechtskräftig verurteilt, Mitglied in einem verfassungswidrigen Verein oder einer verbotenen Partei oder geschäftsunfähig sein.
Zudem muss die waffenrechtliche Sachkunde nachgewiesen werden sowie der Nachweis des persönlichen Bedürfnisses an der Waffe und am Umgang damit erbracht werden. Das gilt unter anderem für Sportschützen und Jäger, für Waffen- oder Munitionssammler, Brauchtumsschützen und gefährdete Personen. Eine Erlaubnis für eine Waffe wird in der Regel unbefristet erteilt, allerdings gibt es regelmäßige Überprüfungen durch die Waffenbehörde. In regelmäßigen Abständen (nach spätestens drei Jahren) wird geprüft, ob die Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung noch vorhanden sind. Die Bedürfnis wird alle fünf Jahre überprüft.
Wer darf eine Waffe kaufen?
Waffen kaufen dürfen nur Erwachsene, die eine Erlaubnis zum Erwerb besitzen. Das geschieht über die sogenannte Waffenbesitzkarte (WBK). Dort werden alle Waffen verzeichnet. Im zentralen Waffenregister werden alle Waffen und ihre Besitzer eingetragen. Je nach Art der WBK kann auch ein Voreintrag zum Kauf einer Waffe nötig sein.
Bei Druckluftwaffen gibt es Ausnahmen. Luftgewehre mit einer Geschossenergie bis 7,5 Joule sind erlaubnisfrei für Erwachsene erhältlich. Luftgewehre mit einer Geschossenergie bis 0,5 Joule dürfen auch von Menschen unter 18 Jahren erworben werden. Wenn diese echten Waffen ähnlich sehen, dürfen diese nicht in der Öffentlichkeit getragen werden. Bestimmt wird das in den Regelungen für Anscheinswaffen.
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Wer darf eine Waffe mit sich führen?
Das Führen von Waffen außerhalb des eigenen Grundstücks oder der Wohnung ist noch einmal gesondert geregelt. Nicht jeder, der eine Waffe besitzen darf, darf sie auch in der Öffentlichkeit tragen. Dafür wird ein Waffenschein benötigt, der nur selten an Privatpersonen ausgestellt wird. Eine Erlaubnis für Schusswaffen wird in der Regel für drei Jahre erteilt und muss anschließend verlängert werden. Sie kann auch auf einen bestimmten Anlass oder ein Gebiet beschränkt ausgestellt werden. Jäger brauchen zusätzlich einen gültigen Jagdschein. Für Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen gibt es den Kleinen Waffenschein.
Wie viele Menschen in Deutschland besitzen eine Waffenerlaubnis?
2021 gab es etwa eine Million private Waffenbesitzer in Deutschland. Insgesamt sind im Nationalen Waffenregister 5,7 Millionen legale Schusswaffen und Schusswaffenteile registriert. Die meisten Schusswaffen sind im Besitz von Jägern.
Welche Vorgaben gelten für die Aufbewahrung von Waffen und Munition?
Wer erlaubnispflichtige Schusswaffen und Munition besitzt oder die Erteilung einer Erlaubnis zum Besitz beantragt hat, muss laut Waffengesetz der zuständigen Behörde die zur sicheren Aufbewahrung getroffenen oder vorgesehenen Maßnahmen nachweisen. Außerdem muss die Person der Behörde zur Überprüfung der Pflichten jederzeit Zutritt zu den Räumen gestatten, in denen die Waffen und die Munition aufbewahrt werden. Die geforderten Vorkehrungen können laut der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) je nach Waffe und Munition variieren.
Welche Waffen sind in Deutschland generell verboten?
Verbotene Waffen werden im Waffengesetz als verbotene Gegenstände bezeichnet. Verbotene Schusswaffen sind unter anderem vollautomatische Schusswaffen (beispielsweise Maschinenpistolen und Maschinengewehre), abgesägte Schrotflinten, kurze Pumpguns und schnell zerlegbare Gewehre sowie große Magazine (über zehn Schuss bei Langwaffen und über 20 Schuss bei Kurzwaffen). Weitere verbotene Gegenstände sind laut Waffengesetz beispielsweise Schlagringe, Präzisionsschleudern, Wurfsterne, Molotowcocktails, Butterfly-, Fall-, Spring- und Faustmesser.
Welche Änderungen am Waffengesetz sind jetzt geplant?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will einen Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes prüfen. Man müsse sicherlich noch mal „an das Gesetz gehen und schauen“, ob es noch Lücken gebe, sagte sie am Freitag den ARD-„Tagesthemen“. Im Waffengesetz solle beim Antrag auf eine Waffenbesitzkarte künftig überprüft werden, „ob jemand psychologisch geeignet ist“. Dazu brauche man mit den Gesundheitsbehörden eine Überprüfung, so Faeser. „Wir wollen vor allen Dingen eine bessere Vernetzung zwischen den Behörden.“ Das sei zum Beispiel bei einem Wohnortwechsel wichtig.
Bei der ersten Erteilung einer solchen Karte solle es ein ärztliches Attest geben. Alle Sportschützen in Deutschland ohne Hinweise regelmäßig zu untersuchen, wäre aus Faesers Sicht aber sehr schwierig. „Es sollte natürlich in Maßnahmen auch verhältnismäßig sein.“ Die furchtbare Tat in Hamburg zeige aber, wie notwendig Änderungen im Waffengesetz seien, sagte Faeser.
Bei der Erteilung einer Waffenerlaubnis will Faeser die Gesundheitsämter stärker einbinden. „Wir wollen, dass künftig die Waffenbehörde nicht nur bei den Sicherheitsbehörden und der örtlichen Polizei abfragt, sondern auch bei den Gesundheitsbehörden“, ergänzte Faeser am Montag zu ihrer Ankündigung. Die Gesundheitsämter hätten oft Erkenntnisse zu Personen, „weil sie psychisch auffällig geworden sind, in irgendwelche Straftaten verwickelt wurden, eingewiesen wurden in Unterbringung“, sagte die Ministerin. Auch sollten nicht nur Antragsteller bis 25 Jahre ein ärztliches oder psychologisches Gutachten vorlegen müssen, sondern künftig auch ältere. Faeser hat im Januar einen Entwurf für ein schärferes Waffenrecht vorgelegt, den sie nach den Hamburger Ereignissen auf Lücken überprüfen will.
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte nach der Amoktat in Hamburg eine Verschärfung des Waffengesetzes an.
© Quelle: Georg Wendt/dpa
Wie sieht die politische Diskussion um eine Verschärfung des Waffengesetzes aus?
Zuletzt hatte Faeser mit ihren Plänen für mehr Kontrollen und Vorschriften die Verbände der Jäger und Schützen gegen sich aufgebracht. Diese wiederum erhielten Unterstützung von der FDP. Konstantin Kuhle, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, sagte am Samstag, psychisch kranke Personen dürften keine Schusswaffen besitzen. „Überhastete Forderungen nach gesetzgeberischen Konsequenzen“ seien nicht angebracht.
Der stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki sagte: „Die natürliche Reaktion, zunächst alles verbieten zu wollen, verbietet sich. Das ist eine menschlich nachvollziehbare Reaktion, aber sie hilft im Zweifel nicht weiter.“ Man werde „alle sinnvollen Maßnahmen“ mittragen, „aber nicht diesem emotionalen Impuls folgen, jetzt schnell mal alles zu verbieten. Also nur ein Gesetz alleine macht noch keine veränderte Wirklichkeit“. „Der Mensch selbst ist entweder psychisch krank oder kriminell. Und wenn er seine Tat umsetzen will, findet er dafür auch einen Weg“, sagte Kubicki.
Der Innenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion Marcel Emmerich forderte, die Waffenrechtsreform entschlossen anzugehen. „Weniger Waffen in privaten Händen sorgen für mehr öffentliche Sicherheit“, sagte er.
Aufgrund der sich „gefühlt mehrenden Vorfälle“ mahnte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei eine schnelle Gesetzesänderung an. Es dürfe keine Zeit durch Personalmangel und Datenschutzprozesse verloren werden, sagte Jochen Kopelke am Samstag dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Welche Verschärfungen des Waffenrechts gab es bisher?
Mit dem am 1. April 2003 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts wurde das Waffengesetz grundlegend überarbeitet und neu strukturiert. Gleichzeitig wurden die waffen- und beschussrechtlichen Vorschriften in zwei Gesetze aufgeteilt. Das Beschussgesetz soll dazu dienen, Waffen und Munition verwendungssicher zu machen. Darin wird geregelt, wie die Sicherheit von Waffen geprüft und zugelassen wird.
Durch europarechtliche Vorgaben und anlassbezogene Änderungen ist es in den letzten 20 Jahren mehrfach geändert worden. Die letzten Änderungen traten am 1. September 2020 in Kraft.
Anlass für das Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz ist die Umsetzung der im Jahr 2017 geänderten EU-Feuerwaffenrichtlinie. Die Änderung der Richtlinie erfolgte als Reaktion auf die Terroranschläge von Paris im Jahr 2015. Geändert wurde mit dem neuen Gesetz unter anderem, dass alle fünf Jahre überprüft wird, ob das Bedürfnis an der Waffe fortbesteht. Beim Überprüfen der Zuverlässigkeit wird seitdem auch eine Auskunft der Verfassungsschutzbehörden eingeholt. Außerdem gibt es strengere Nachweispflichten für Sportschützen und die Möglichkeit für die Bundesländer, Waffen- und Messerverbotszonen einzurichten.
mit dpa-Material