Umstrittene Verteidigungsministerin: Christine Lambrecht will sich durchbeißen
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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wurde zuletzt mit vielen Vorwürfen konfrontiert.
© Quelle: IMAGO/Future Image
Berlin. Christine Lambrecht zeigte am Dienstag Flagge – in Brüssel. Bei einem Treffen der Verteidigungsminister der Europäischen Union sagte die sozialdemokratische Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt mit Blick auf die Blockade des Nato-Beitritts von Schweden und Finnland durch die Türkei: „Am Ende ist es eine Bereicherung, wenn zwei so starke EU-Staaten wie Finnland und Schweden der Nato beitreten.“
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Selbstverständlich ist das schon deshalb nicht, weil im Berliner Regierungsviertel zuletzt niemand sicher war, ob die 56‑Jährige im Amt bleiben würde. Nun heißt es auf eine entsprechende Frage im direkten Umfeld von Kanzler Olaf Scholz (SPD): „Ja, klar.“
Zwar hatte der SPD-Spitzenkandidat bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, Thomas Kutschaty, am Montag gesagt, die Debatten um Lambrechts Amtsführung hätten ihm „auf jeden Fall nicht genützt“. Freilich haben ihr sowohl Scholz als auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil soeben den Rücken gestärkt. Der Kanzler sagte gar, die Ministerin werde am Ende als diejenige gelten, die die Bundeswehr gut ausgestattet habe. Das klang nicht wie eine Durchhalteparole.
Lambrecht war nach ohnehin holprigem Start kürzlich massiv in die Kritik geraten, als bekannt wurde, dass sie ihren 21‑jährigen Sohn in einem Helikopter der Flugbereitschaft zu einem Truppenbesuch mitnahm – um tags darauf mit diesem einen Osterurlaub auf der nahe gelegenen Insel Sylt anzutreten. Am Samstag folgte ein Artikel im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, in dem das Bild einer lustlosen Politikerin gezeichnet wurde, die vor Amtsantritt nicht nur nichts von Verteidigungspolitik verstand, sondern sich auch weigerte, das Notwendige zu lernen.
Helikopterflug mit Sohn: Christine Lambrecht bittet um Verständnis
Wegen eines Mitfluges ihres Sohnes in einem Regierungshubschrauber steht die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in der Kritik.
© Quelle: dpa
So habe sie auf die Münchner Sicherheitskonferenz ebenso wenig Lust gehabt wie auf Kennenlerntelefonate mit ihrem britischen Amtskollegen; Friseurbesuche seien im Zweifel wichtiger. Zahlreiche Informationen konnten nur aus dem Ministerium selbst gekommen sein – was den Schluss nahelegt, dass viele sie dort gern loswürden. Aus der Truppe verlautete am Dienstag: „Niemand nimmt einem Minister übel, dass er keine Ahnung hat; aber man nimmt ihm übel, wenn er sich nicht einarbeitet.“
Auch viel Unterstützung
In SPD-Kreisen heißt es hingegen: „Frau Lambrecht ist zäh. Sie lässt sich nicht unterkriegen.“ Bei dem „Spiegel“-Artikel sei „auch viel böser Wille im Spiel“. Im Ministerium hört sich das ähnlich an. Von Desinteresse Lambrechts könne keine Rede sein, sagen manche. So habe sie sich bereits am 19. Dezember mit den Inspekteuren der Teilstreitkräfte getroffen. Und sie werde nun „alles daransetzen, um zu liefern“ – etwa bei der Vereinfachung des Beschaffungswesens, dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Bundeswehr oder der militärischen Unterstützung für die Ukraine.
Beim Tauziehen um das Sondervermögen schien es lange, als sei Lambrecht außen vor. Das hat sich geändert. So verlautet aus Regierungskreisen, sie sei aufseiten derer, die das Ausgabeziel „Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“ durch das Wort „Streitkräfte“ ersetzen wolle. Diese Verengung ist vor allem den Grünen nicht recht. Sie wollen mindestens, dass noch Geld für die Cybersicherheit übrig bleibt. Immerhin: Der SPD-Politikerin wird jetzt eine mitgestaltende Rolle zugeschrieben. Das ist neu.
Eine Garantie für einen Verbleib im Amt ist es nicht. Noch ein schwerer Fehler – dann wäre sie wohl weg. Doch wenn der Kanzler das Gefühl hat, er solle zu etwas gedrängt werden, hier zur Entlassung seiner Ministerin, dann tut er im Zweifel das Gegenteil. Für Christine Lambrecht gilt nach jetzigem Stand: Aufgeben wird sie nicht.
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