McCarthy scheitert auch im elften Wahlgang: Sitzung auf diesen Freitag vertagt
Auch im elften Wahlgang konnte der Republikaner nicht genügend Stimmen für die Wahl zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses erlangen.
© Quelle: Reuters
Washington. Nach drei Tagen Wahlchaos im US‑Kongress geht der Machtkampf um das höchste Amt im amerikanischen Parlament an diesem Freitag in die nächste Runde. Nach elf ergebnislosen Wahlgängen bei der Abstimmung über den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses stimmte die Parlamentskammer am Donnerstagabend (Ortszeit) dafür, die Sitzung auf diesen Freitag (Ortszeit/18 Uhr MEZ) zu vertagen. Der republikanische Kandidat Kevin McCarthy ist wegen einer parteiinternen Rebellion in den vergangenen Tagen bereits in insgesamt elf Wahlgängen durchgefallen. Das Wahldrama lähmt den Kongress und ist für den 57‑Jährigen eine historische Blamage.
Die Republikaner haben in der Kammer nur eine ganz knappe Mehrheit. Daher bräuchte McCarthy fast alle Stimmen seiner Parteikollegen, um auf den mächtigen Posten gewählt zu werden, der in der staatlichen Rangfolge in den USA auf Rang drei nach dem Präsidenten und dessen Vize folgt. Doch diverse Republikaner vom rechten Rand der Fraktion verweigerten McCarthy die Unterstützung. Dadurch erreichte er nicht die nötige Zahl an Stimmen.
Ein Abgeordneter stimmte für Trump
Trotz immer neuer Zugeständnisse McCarthys an seine Gegner sind diese bislang hart geblieben in ihrem Widerstand. Am Donnerstag stimmten wie schon zuvor 20 Republikaner hartnäckig für alternative Kandidaten aus ihrer Partei, stellten McCarthy damit bloß und versagten ihm einen Wahlsieg. Eine weitere republikanische Abgeordnete enthielt sich.
Nun deutet sich jedoch der Schimmer einer möglichen Einigung unter den Republikanern an. Nachdem die Wahl nach der insgesamt elften fruchtlosen Abstimmungsrunde am Donnerstagabend (Ortszeit) erneut vertagt wurde, verdichteten sich lange nach Einbruch der Dunkelheit die Anzeichen eines Deals mit weit rechtsstehenden Stimmverweigerern der ultrakonservativen Vereinigung Freedom Caucus die von der großen Mehrheit der Republikaner angestrebte Wahl ihres Kandidaten Kevin McCarthy betreffend.
Der Vorsitzende des Freedom Caucus, der Abgeordnete Scott Perry aus Pennsylvania, zeigte sich bei Twitter mit einem Zitat von Ex-Präsident Ronald Reagan empfänglich, gemäß dem man zwar vertrauen, sich aber rückversichern solle. Die mögliche Einigung könnte dem Vernehmen nach weitreichende Zugeständnisse an die ultrakonservativen Abgeordneten enthalten, denen sich McCarthy bislang widersetzt hatte, darunter eine Verringerung der Macht des Vorsitzenden der Kongresskammer und die Wiedereinführung einer Regel, die es einem einzelnen Abgeordneten ermöglicht, eine Abstimmung über die Absetzung des Vorsitzenden herbeizuführen.
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Sollte es McCarthy auf diesem Weg also gelingen, sich die nötige Unterstützung zu sichern, ginge sein Erfolg mit einer Schwächung seiner Position einher. Da die Republikaner nur eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, ist McCarthy auf fast jede Stimme in seiner Partei angewiesen, um Vorsitzender zu werden.
Einer seiner hartnäckigsten Kritiker, der rechtsextreme Abgeordnete Matt Gaetz, gab seine Stimme sogar für Ex‑Präsident Donald Trump ab. Trump ist kein Abgeordneter. Die Stimme für ihn war eine symbolische Geste, die zeigte, wie groß der Einfluss des ehemaligen Präsidenten in der Partei ist. Trump hatte sich für McCarthy als Repräsentantenhausvorsitzenden ausgesprochen.
McCarthy gibt sich gelassen
McCarthy sagte am Donnerstagabend nach der Sitzung: „Wir machen gute Fortschritte.“ Konkreter wurde er nicht. Der republikanische Fraktionschef bemühte sich einmal mehr, die interne Revolte gegen ihn kleinzureden und wies zurück, dass ihn der Aufstand in den eigenen Reihen schwäche. Mit Blick auf das historische Ausmaß des Dramas sagte er: „Ich mag es, Geschichte zu schreiben.“ Er halte schließlich auch schon den Rekord für die längste Rede im Repräsentantenhaus.
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Die aktuelle Abstimmung über den Spitzenposten gehört bereits jetzt zu den längsten in der US‑Geschichte. Seit dem 19. Jahrhundert haben die Abgeordneten im Repräsentantenhaus nicht mehr so viele Anläufe gebraucht, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen wie derzeit. Mehr Wahlgänge gab es zuletzt nur 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen.
Die Abgeordnete Lauren Boebert aus Colorado rief Republikaner auf, eine Zukunft ohne McCarthy in Erwägung zu ziehen. „Wir brauchen einen Anführer, der nicht vom kaputten System stammt“, sagte sie. Boebert nominierte Kevin Hern als Alternative zu McCarthy. Republikanische McCarthy-Gegner haben wiederholt den Abgeordneten Byron Donalds für den Vorsitz vorgeschlagen.
Stillstand im US-Kogress: McCarthy scheitert im elften Wahlgang
Auch im elften Wahlgang konnte der Republikaner nicht genügend Stimmen für die Wahl zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses erlangen.
© Quelle: Reuters
Trotz intensiver Verhandlungen keine Einigung
Wie lange das Gezerre diesmal andauern wird, ist völlig unklar. Es zieht sich bereits seit Dienstag hin: Das Repräsentantenhaus war da zu seiner konstituierenden Sitzung nach der Parlamentswahl im November zusammengekommen. Die Republikaner übernahmen wieder die Kontrolle in der Kongresskammer, wenn auch nur mit ganz knapper Mehrheit. Doch anstatt ihre neue politische Stärke zu demonstrieren, stürzte die Partei die Kammer in Chaos und brachte die Arbeit des Parlaments zum Stillstand. Denn bis der Vorsitz geklärt ist, geht im Repräsentantenhaus gar nichts: Die Kammer kann ihre Arbeit nicht aufnehmen. Nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden. An gesetzgeberische Arbeit ist erst gar nicht zu denken.
Die chaotischen Zustände in der amerikanischen Demokratie fallen ausgerechnet in eine Zeit, in der das Land an die beispiellose Attacke auf das US‑Kapitol erinnert. Der brutale Angriff auf den Parlamentssitz jährt sich an diesem Freitag zum zweiten Mal.
Anhänger des damaligen Präsidenten Donald Trump hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam das Kongressgebäude in der Hauptstadt Washington erstürmt. Dort war der Kongress damals zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede damit aufgewiegelt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Als Folge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.
Präsident Biden, der kurz nach der Attacke sein Amt antrat, will an diesem Freitag bei einer Zeremonie im Weißen Haus an den Gewaltausbruch erinnern und mehrere Polizisten für ihren Einsatz an jenem Tag auszeichnen. Biden hatte das Wahldrama im Kongress am Mittwoch als „peinlich“ für das Land bezeichnet. Dabei verwies er auch darauf, dass die Vereinigten Staaten gerade erst das Chaos vom 6. Januar 2021 verarbeitet hätten und die US‑Demokratie vor den Augen der Welt nun erneut „kein gutes Bild“ abgebe.
RND/dpa/AP