Kein Recht mehr auf Asyl

Großbritanniens Pläne für Flüchtlinge: erst Lagerhaft, dann Abschiebeflug nach Ruanda

Dover: Ein Schiff der Border Force nimmt eine Gruppe von Männern, mutmaßlich Migranten, auf.

Dover: Ein Schiff der Border Force nimmt eine Gruppe von Männern, mutmaßlich Migranten, auf.

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Im 19. Jahrhundert galt Großbritannien als sicherer Hafen für politische Geflüchtete. Nach den Napoleonischen Kriegen wurde kaum ein Einwanderer mehr des Landes verwiesen. Es galt als unbritisch, Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken. Kontrollen gab es nicht.

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Das Versprechen, dass es im Königreich jeder schaffen kann, wenn man nur hart genug arbeitet, ist im öffentlichen Diskurs lebendig wie eh und je – auch nach dem Brexit. Mit diesem Narrativ versuchte auch Rishi Sunak zu punkten. Schließlich ist er der erste nicht weiße Premierminister. Hatte der Austritt aus der EU dem Ruf Großbritanniens als weltoffenes Land auf der internationalen Bühne bereits geschadet, setzt ausgerechnet er nun auf immer schärfere Mittel, um die „illegale“ Migration zu stoppen.

Verwehrung von Asyl widerspricht internationalem Recht

Die konservative Regierung will die „Wellen“ von Menschen, die über den Ärmelkanal in kleinen Booten auf die Insel kommen, brechen, wie Innenministerin Suella Braverman es ausdrückte. Mit dieser offen fremdenfeindlichen Sprache wollen die Tories Stimmen gewinnen und überdies den rechten Flügel der Partei befrieden. Denn obwohl die Zahl der Menschen, die mithilfe von Schleppern auf die Insel kommt, vergleichsweise niedrig ist, werden diese Migranten von manchen konservativen Wählern als existenzielle Bedrohung empfunden.

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Dabei lassen die Tories unerwähnt, dass die Gründe für diese angebliche Invasion hausgemacht sind. So gibt es zwar offizielle Programme, die etwa Geflüchteten aus Afghanistan eine Einwanderung nach Großbritannien ermöglichen sollen. Die bürokratischen Hürden dafür sind jedoch schlicht zu hoch. Um dennoch auf die Insel zu kommen, wählen viele dann die gefährliche Route über den Meeresarm, der den Atlantik mit der Nordsee verbindet. Weil manche Briten zwar Arbeitskräfte aus dem Ausland wollen, aber eben keine unkontrollierte Einwanderung über die Küste, will die Regierung diese Form der Migration nun offenbar um jeden Preis und mit drakonischen Maßnahmen stoppen.

Ein Gesetzentwurf sieht vor, dass „illegale“ Einwanderer 28 Tage in Lagern interniert und dann in „sichere“ Länder – wie Ruanda – ausgeflogen werden sollen. Das Anrecht auf Asyl soll ihnen verwehrt werden, egal wie echt und überzeugend ihr Anliegen auch sein mag. Solch ein Vorgehen ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern widerspricht auch internationalem Recht. Problematisch sind die Pläne außerdem, weil gar nicht klar ist, ob die Menschen überhaupt abgeschoben werden können. Schließlich versuchen die Tories nicht das erste Mal, das Problem der Migration über den Ärmelkanal in den Griff zu bekommen.

Braverman will sich über EGMR hinwegsetzen

Schon im vergangenen Jahr führte Ex-Premierminister Boris Johnson ein Programm ein, mit welchem Geflüchtete nach Ruanda abgeschoben werden sollten. Der erste Flug nach Kigali im Juni 2022 wurde jedoch in letzter Minute durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gestoppt. Um das Projekt voranzutreiben, fordert Braverman, die vielen als Marionette der radikalen Rechten in der Partei gilt, dass Geflüchtete in Zukunft dennoch abgeschoben werden sollen – auch wenn der EGMR sich dagegen ausspricht.

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Das wiederum geht Sunak zu weit. Schließlich steht für ihn viel auf dem Spiel. Würden die Briten die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ignorieren, würde dies die Beziehungen zur Union erneut vergiften. Sein erklärtes Ziel, Großbritanniens angeschlagenen Ruf auf der Weltbühne wiederherzustellen, wäre dahin. Den Tories droht damit wieder einmal eine Selbstdemontage. Am Ende könnte die konservative Partei auf viele Wähler nicht nur herzlos und brutal wirken, sie hätte auch nichts erreicht.

Schon jetzt regen sich in der Bevölkerung Proteste gegen den Gesetzentwurf. Dies wiederum macht eine Machtübernahme durch die oppositionelle Labour-Partei unter dem Parteichef Keir Starmer bei den Wahlen, die spätestens Anfang 2025 stattfinden, wahrscheinlicher. Dieser versprach eine „frischen Start“ für das Land. Die menschenverachtenden Pläne der Tory-Regierung zeigen, dass dieser weiterhin nötig ist.

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