Kämpfe in der Ostukraine: Der Wagner-Schutzwall ist „zum Scheitern verurteilt“
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Ein ukrainischer Soldat begleitet die Vertreterin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei einem Besuch in zurückeroberten Gebieten in der Ostukraine.
© Quelle: Getty Images
In der Ostukraine könnte die russische Front in einigen Tagen zusammenbrechen. Zu dieser Einschätzung kommt Oberst i.G. Andreas Schreiber vom German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), dem Thinktank der Bundeswehr. „Wir befinden uns jetzt wieder in einer finalen Phase der Abnutzung und die nächsten Zusammenbrüche stehen bei den Russen bevor“, sagt Schreiber im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Nicht innerhalb der nächsten ein, zwei Tage, aber wohl innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen.“ Häufig gab es Angriffe der ukrainischen Truppen, so der Militärexperte, nachdem sie die Russen soweit abgenutzt hatten, bis diese kaum noch zu Widerstand fähig waren.
Die russischen Streitkräfte versuchen seit einigen Tagen, die strategisch wichtigen Städte Bachmut und Awdijiwka in der Donbass-Region Donezk zurückzuerobern. Die Ukraine sieht Oberst Schreiber weiterhin in der Vorhand, obwohl die russischen Streitkräfte zuletzt kleinere Geländegewinne im Donbass verzeichnen konnte. „Die Fortschritte sind aber sehr gering, nur wenige hundert Meter am Tag, und es gibt epische Verluste“, erklärt Schreiber. Seit drei bis vier Tagen seien die russischen Truppen nun aber zum Halten gekommen. „Die russischen Verbände sind einfach ausgeblutet und können nicht mehr.“
Laut dem Lagebericht des US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) führt Russland nördlich des Donbass Angriffe durch, um „ukrainische Streitkräfte dort festzusetzen und sie an Gegenoffensiven im Donbass zu hindern“. Trotzdem rücken die ukrainischen Truppen laut dem Vorsitzenden der Luhansker Verwaltung, Serhij Gaidai, weiter im Donbass vor, wenn auch langsamer. „Weil es keinen Überraschungsmoment gab, hatten die Russen genug Zeit, um Brücken zu zerstören und Gelände zu verminen.“
Die Kämpfe im Donbass werden nach Einschätzung von Militärexperte Schreiber im Winter nicht zum Erliegen kommen. Gerade im Bereich des Donbass, wo der Winter sehr hart ist, wird es laut dem Experten neue taktische Möglichkeiten für Angreifer geben. „Dort werden die Flüsse und Seen zufrieren, sodass erst Infanterie und später auch Gefechtsfahrzeuge sie überschreiten können.“ Auch die aktuell aufgeweichten Böden würden bei Frost gangbar werden und sich für schnelle Vorstöße eignen.
In Sozialen Medien verbreiteten russische Kanäle in den vergangenen Tagen zahlreiche Bilder, die den Bau einer Verteidigungslinie in der ostukrainischen Region Luhansk zeigten. Er soll angeblich bis zu 200 Kilometer lang werden und sich rund 30 Kilometer hinter der aktuellen Frontlinie befinden. Der Wall besteht aus zwei Reihen von sogenannten „Drachenzähnen“, keilförmigen Betonblöcken, die Panzer abhalten sollen. Ein Graben soll das Durchkommen für Fahrzeuge zusätzlich erschweren. „Diese Form von Verteidigungslinien haben aber bestenfalls einen moralischen Wert“, analysiert Militärexperte Schreiber.
Aus seiner Sicht ist diese Befestigungslinie, die von der russischen Söldnergruppe Wagner öffentlichkeitswirksam gebaut wird, vor allem der Versuch des Wagner-Chefs Prigoschin, die eigene Truppe aufzuwerten. Dabei sei bereits seit dem Zweiten Weltkrieg bekannt, dass derartige Verteidigungswerke nichts bringen würden. „Sie sind zum Scheitern verurteilt.“