Ukrainische Armee erhöht den Druck

Kampf um Cherson: Russland läuft die Zeit davon

Ein ukrainischer Panzer fährt auf zurückerobertem Gebiet (Symbolbild).

Ein ukrainischer Panzer fährt auf zurückerobertem Gebiet (Symbolbild).

Im Süden der Ukraine spitzen sich die Kämpfe um die Region Cherson weiter zu. Ukrainische Streitkräfte haben den Druck verschärft, sodass Russland nach eigenen Angaben mehr als 70.000 Menschen aus der gleichnamigen Regionalhauptstadt nach Russland und auf russisch besetztes Gebiet gebracht hat. Ein Krankenhaus sollte an diesem Freitag geräumt werden. Die Stadt Cherson liegt westlich des Flusses Dnjepr und war die einzige ukrainische Hauptstadt einer Provinz, die von russischen Truppen eingenommen wurde.

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„In Cherson ziehen sich russische Truppen gerade mit großer Eile vom westlichen Ufer zurück“, analysiert Oberst i.G. Andreas Schreiber vom Thinktank der Bundeswehr German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS). Bis vor zwei Wochen seien dort noch die Reste von drei bis vier Armeen und einem Armeekorps stationiert gewesen. „Etwa 10.000 bis 15.000 Soldaten, die stark abgenutzt waren.“ Doch die Angriffe der Ukrainer, zum Beispiel auf wichtige Brücken, seien erfolgreich gewesen. Für Russland werde es immer schwieriger, Material und Versorgungsgüter über den Dnjepr nach Cherson zu schaffen. „Ich habe den Eindruck, man versucht, dieses letzte noch kampfkräftige Personal zu evakuieren, solange man das noch kann“, sagt er im RND-Interview.

Ukrainische Streitkräfte kämpfen weiter um Region Cherson
30.09.2022, Ukraine, -: Ukrainische Soldaten nehmen während einer von den Streitkräften der Ukraine organisierten Pressetour an einem Training in der Region Tschernihiw zur Abwehr einer möglichen feindlichen Offensive teil. Foto: -/Ukrinform/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Ukraine will alle illegal von Russland annektierten Gebiete zurückerobern. Die Region Cherson im Süden des Landes ist hart umkämpft.

Russland schickt neue Rekruten

Um den sicheren Abzug aus Cherson zu ermöglichen, schickt Russland laut Militärexperte Schreiber neu rekrutiertes Personal in die Region. „Ziel ist, dass es nicht wie an anderen Teilen der Frontlinie zu Zusammenbrüchen und zu fluchtartigen Ausweichbewegungen kommt.“ Er hält es für realistisch, dass die ukrainischen Streitkräfte die Gebiete westlich des Dnjepr befreien können. „Eigentlich ist es nur eine Frage der Zeit“, sagte Schreiber mit Blick auf die schlechte Versorgungslage und die Angriffe auf russische Munitions- und Betriebsstofflager. „Dadurch könnte die Ukraine die russischen Truppen ganz ohne größere Gefechte zurückzuschlagen oder an Ort und Stelle vernichten.“

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Doch die russischen Truppen ziehen sich offenbar nicht aus der gesamten Region Cherson zurück. Zu dieser Einschätzung kommt der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) in seinem Lagebericht. Die Militärexperten sehen Hinweise darauf, dass sich Russland auf Kämpfe am östlichen Ufer vorbereitet. Der Fluss könnte demnach zur neuen Verteidigungslinie in der Region werden. „Ich sehe die Russen nicht auf einer Flucht aus Cherson“, betonte auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der italienischen Zeitung Corriere della Sera. „Sie sind nicht bereit, Cherson zu verlassen.“

Anhaltenden Berichte über russische Rückzüge

Dass Russland den Großteil der Bewohner aus der Stadt Cherson gebracht hat, muss laut Militärexperte Schreiber nicht zwangsläufig auf eine entscheidende Schlacht um die Stadt hindeuten. „Möglicherweise sehen wir zum ersten Mal in diesem Krieg ein koordiniertes Ausweichen der Russen aus einer Stellung, die ohnehin nicht mehr zu halten ist“, sagt der Experte.

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Die anhaltenden Berichte über russische Rückzüge aus dem Gebiet legen laut dem ISW nahe, dass nicht einmal das russische Militär selbst noch erwartet, die Stadt Cherson halten zu können. Die Strategie könnte laut Militärexperte Schreiber in einem Rückzug der russischen Soldaten statt einer Konfrontation mit der ukrainischen Armee liegen. „Damit würde Russland einer taktischen Niederlage entgehen und könnte einen großen Teil der Truppe unbeschadet über den Dnjepr zurückholen und für den Aufbau neuer Einheiten verwenden.“

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