Heikle Pattsituation: Russen wollen Bachmut einkreisen – Ukraine setzt auf den Frost
Im Osten der Ukraine wird weiter heftig gekämpft. Im Donbass und in der Region Charkiw sind zahlreiche Ortschaften unter Beschuss.
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Die Kämpfe um die seit Monaten belagerte Stadt Bachmut spitzen sich weiter zu. Dort versuchen russische Truppen, die letzten noch unter ukrainischer Kontrolle befindlichen Städte der Region Donezk einzunehmen. Damit hätte Russlands Machthaber Wladimir Putin erstmals eines seiner Ziele erreicht. Satelliten- und Drohnenbilder zeigen eine Zerstörung apokalyptischen Ausmaßes. In den Außenbezirken von Bachmut liegen Dutzende Leichen in den Schützengräben. Die zehn Kilometer entfernte Stadt Soledar nordöstlich von Bachmut steht seit einigen Tagen immer häufiger unter Beschuss. Am Montag haben nach Angaben des ukrainischen Generaloberst Oleksandr Syrskyj erneut russische Truppen versucht, Soledar aus verschiedenen Richtungen zu stürmen. Auch die brutalen Söldner der russischen Wagner-Gruppe habe man bei dem Angriff zurückschlagen können. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.
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Russische Truppen hatten in der Region Bachmut im Osten der Ukraine zuletzt ihre Angriffe verstärkt.
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Direkte Konfrontationen mit russischen Soldaten
Der Sprecher der Ostgruppe der ukrainischen Streitkräfte, Sergej Tscherewatyj, erklärte am Montag im ukrainischen Fernsehen: „In Soledar gibt es brutale Kämpfe.“ Innerhalb von 24 Stunden habe Russland 281-mal ukrainische Stellungen in Bachmut und Soledar beschossen. Es sei zu 43 Gefechten gekommen. Am Sonntag haben die Truppen in Bachmut und Soledar zusätzliche Kräfte und Material erhalten, so Tscherewatyj. Ihm zufolge wird das frostige Wetter jetzt den Einsatz von schwerem Gerät erlauben, darunter Kampf- und Schützenpanzer, sodass Gegenangriffe möglich werden. „Die Seite, die ihre Ausrüstung besser auf die Winterphase des Kriegs vorbereitet hat, die ihr Personal auf die neuen Kämpfe vorbereitet hat und die bessere taktische Pläne entwickelt hat, wird jetzt im Vorteil sein.“
Der Militärexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) erklärt, dass die Kämpfe rund um Bachmut derzeit sehr statisch seien und es kaum Bewegung gebe. Das wird sich nun ändern: „Beide Seiten werden versuchen, mit Einsetzen des Frosts nicht mehr nur auf Feuerkraft, sondern auf Mobilität zu setzen“, sagt Mölling im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Für die Ukraine ist Mobilität ein wichtiger Faktor, weil sie dadurch die Feuerkraft der Russen umgehen und russische Schwächen in der Verteidigung nutzen kann.“ Es zeichneten sich bereits Vorbereitungen für neue Offensiven auf beiden Seiten ab.
„Bachmut hält durch, trotz allem“, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj in einer Videoansprache. „Obwohl der größte Teil der Stadt durch russische Angriffe zerstört wurde, wehren unsere Soldaten dort ständig russische Angriffe ab.“ In der Nachbarstadt Soledar sei die Zerstörung noch größer. „Dies ist einer der blutigsten Orte an der Frontlinie“, sagte Selenskyj und sicherte den Truppen weitere Unterstützung zu.
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„In der Ukraine gibt es gerade eine Pattsituation“, beschreibt Oberst Markus Reiser vom österreichischen Bundesheer die Lage. „Die Russen setzen auf den Zeitfaktor, haben sich eingegraben und hoffen, dass über die nächsten Wochen neue Reservisten zur Unterstützung kommen.“ Er sieht zwei günstige Räume für Offensiven: der Raum Melitopol im Süden der Ukraine und der Raum Kreminna nördlich von Bachmut. „Die Ukraine weiß, je länger sie mit der Offensive wartet, umso mehr gibt sie den Russen die Möglichkeit, ihr Militär mit neuen Kräften aufzufüllen und sich stärker einzugraben und auf die Offensive vorzubereiten.“
Drei Verteidigungslinien sicherten im Donbass bisher Bachmut vor den russischen Angreifern, bestehend aus Panzergräben, Minenfeldern und versteckten Stellungen. Eine der drei Linien konnten die Russen nun durchbrechen. Die nächste Linie, die russische Truppen zur Einnahme der gesamten Region Donezk überwinden müssen, ist Bachmut.
Mittendrin in der tödlichen Schlacht um die Stadt: die brutalen Söldner der russischen Wagner-Gruppe. Laut dem Militär-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) befinden sich die russischen Truppen „noch nicht in Schlagdistanz“, um Bachmut und die ukrainischen Verteidiger einzukreisen. Zuletzt hatten die russischen Truppen kaum Fortschritte in der Gegend von Bachmut erzielt. Das ISW geht von „höchstens einigen Hundert Metern pro Tag“ aus, die russische Soldaten vorgerückt sind. Soldaten der russischen Wagner-Privatarmee haben inzwischen den Ort Klischtschijiwka, sechs Kilometer südwestlich von Bachmut, erreicht. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs konnten die ukrainischen Truppen aber immer wieder russische Angriffe südlich von Bachmut abwehren. Doch Russlands Bemühungen, die ukrainischen Verteidiger einzukesseln, gehen weiter.