Kommentar

Solizuschlag – Zweck entfallen, aber nicht zwecklos

Auf einem Steuerbescheid wird der Posten Solidaritätszuschlag ausgewiesen.

Auf einem Steuerbescheid wird der Posten Solidaritätszuschlag ausgewiesen.

Der Streit über die Rechtmäßigkeit des Solidaritäts­zuschlags ist so alt wie die Abgabe selbst. Bislang haben das Bundesverfassungsgericht und der Bundesfinanzhof (BFH) als höchstes deutsches Finanzgericht den Soli stets als verfassungs­gemäß betrachtet. Doch seit dem Auslaufen des Solidarpakets für die neuen Länder und einer Reform der Abgabe in der vergangenen Wahlperiode ist eine neue Lage entstanden, die höchstwahrscheinlich zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen wird. Am Montag wird der BRH sein mit Spannung erwartetes Urteil verkünden.

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Soli-Zuschlag wird vom höchsten Steuergericht geprüft
ARCHIV - 14.11.2019, Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin: Der Posten Solidaritätszuschlag ist auf einer Lohnabrechnung zu sehen. Der Bundesfinanzhof verhandelt am Dienstag (ab 10.00 Uhr) darüber, ob der Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß ist. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der Bundesfinanzhof verhandelt am Dienstag darüber, ob der Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß ist. Ein Ehepaar hat gegen die Zusatzabgabe geklagt.

Überhaupt kein Zweifel besteht daran, dass der Solidaritätszuschlag über viele Jahre seine Berechtigung hatte. Die deutsche Wiedervereinigung löste einen immensen Finanzbedarf aus: In den Aufbau Ost flossen im Rahmen der Solidarpakte I und II ab 1995 fast 250 Milliarden Euro. Doch mit dem Auslaufen des Solidarpakts Ende 2019 ist offensichtlich, dass der ursprüngliche Zweck des Soli nicht mehr besteht. Sicher, Geld kann der Bund immer gut gebrauchen. Doch an eine Ergänzungsabgabe ist nun einmal an einen konkreter zusätzlichen Finanzbedarf geknüpft, und das ist – oder besser war – im Fall des Solizuschlags der Aufbau Ost.

Eine dauerhafte Ergänzungsabgabe – und davon muss man rund 30 Jahre nach der Einführung sprechen – würde auch aus einem anderen Grund die Verfassung verletzen: Das Grundgesetz lässt nicht zu, dass sich der Bund bei der Einkommensbesteuerung eine Art zweite Säule schafft, deren Einnahmen ihm allein zustehen und über die er damit ohne Beteiligung der Länder auch allein bestimmen kann. Es wäre schon sehr erstaunlich, wenn der Bundesfinanzhof eine derartige Verletzung der Finanzverfassung akzeptieren würde.

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Mehr Steuergerechtigkeit durch den Soli

Das weitere Argument der Kritiker, wonach der Solidaritätszuschlag insbesondere seit der Abschaffung der Abgabe für 90 Prozent der bisherigen Zahlerinnen und Zahler den Gleichheitsgrundsatz verletzt, ist dagegen leicht zu widerlegen. Schließlich hat der Gesetzgeber weite Spielräume, die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu bestimmen.

Das Gegenteil ist richtig: Der Solidaritätszuschlag ist gerade in der abgeschmolzenen Form vorbildlich gerecht, weil ihn wirklich nur die Gut- und Spitzenverdiener zahlen müssen. Er trägt damit dazu bei, dass das unfaire Einkommensteuersystem, das insbesondere mittlere Einkommen zu stark und höhere Einkommen zu gering belastet, etwas solidarischer wird. Nur zur Erinnerung: Heute trifft der Spitzensteuersatz Steuerpflichtige, die knapp das Doppelte des durchschnittlichen Bruttogehalts aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verdient. Im Jahr 1965 lag der Wert beim 15-fachen.

Und das ist die Krux mit dem Soli: Zwar ist sein Zweck hinsichtlich des Aufbaus Ost entfallen, mit Blick auf die Steuergerechtigkeit hat er aber einen guten – und auch verfassungsrechtlich möglichen – Zweck. An Vorschlägen, den Zuschlag in die Einkommensteuer zu integrieren, um die Einnahmen zu sichern und damit insbesondere die mittleren Einkommen zu entlasten, hat es nicht gemangelt. Allein, es fehlte der politische Wille. Selbst der vormalige Finanzminister Olaf Scholz unternahm nicht einmal einen Versuch, sich in der Großen Koalition auf entsprechende Schritte zu einigen.

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Wenn es Amtsnachfolger Christian Lindner wirklich ernst meint mit seiner immer wieder vorgetragenen Forderung nach Steuergerechtigkeit, dann muss er sein Dogma fallen lassen, wonach es bei einer Steuerreform für alle Entlastungen geben muss. Das würde die Ungerechtigkeiten nur zementieren. Einen ersten Schritt in Richtung Fairness hat der FDP-Mann ja schon getan, indem er beim Abbau der kalten Progression die Reichensteuer von 45 Prozent ausgenommen hat. Weiter so!

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