Silvester-Ausschreitungen: Kritik an CDU für Frage nach Vornamen
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Berliner Polizeibeamte wurden in der Silvesternacht massiv mit Böllern und Raketen attackiert.
© Quelle: Julius-Christian Schreiner/dpa
Berlin. Während die Berliner Polizei weiteren Hinweisen zu den Silvester-Krawallen nachgeht, ist in der Politik ein Streit um die Form der Aufarbeitung entbrannt. Innenpolitiker der Fraktionen von SPD, Grünen und Linke warfen der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Populismus vor. Hintergrund ist ein Fragenkatalog für den Innenausschuss, in dem die CDU auch nach Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit fragt.
„Damit lässt die CDU ihre rechtspopulistische Maske fallen“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Tom Schreiber, der Deutschen Presse-Agentur. Vasili Franco von den Grünen sagte: „Das ist eine Verbreitung von rassistischen Ressentiments.“
Das Deutschsein absprechen?
Bei Twitter sorgte der Beitrag des innenpolitischen Sprechers der Linken, Niklas Schrader, für eine rege Diskussion: „Die #CDU hat Fragen für den Innenausschuss zu #Silvester2022 eingereicht und fragt nach den Vornamen der deutschen Tatverdächtigen. Offenbar, um ihnen damit das Deutschsein abzusprechen.“
Mitten im Wahlkampf wird damit die Aufarbeitung der Ausschreitungen zum Jahreswechsel mit Angriffen auf Polizei und Feuerwehr zum Schwerpunkt der ersten Sitzung des Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses an diesem Montag (9.00 Uhr). Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will dabei jüngste Zahlen und Erkenntnisse zu den Silvester-Krawallen erläutern. Auch Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Landesbranddirektor Karsten Homrighausen werden erwartet.
Eine Fehleranalyse der Polizeiführung reicht uns nicht.
Frank Balzer,
Innenpolitischer Sprecher der CDU
Der CDU reicht das nicht. Ihr innenpolitischer Sprecher Frank Balzer kritisierte, dass keine Polizisten und Feuerwehrleute angehört werden sollen. Er warf den Regierungsfraktionen vor, mit ihrer Mehrheit „Aufklärungsbemühungen“ zu unterbinden. „Eine Fehleranalyse der Polizeiführung reicht uns nicht“, sagte Balzer.
Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist es Aufgabe der Behördenleitung, die Gesamtsituation bei solchen komplexen Einsätzen zu erläutern. Diese „Draufsicht“ hätten Einsatzkräfte nicht.
Bisherigen Angaben der Polizei reichen nicht
Mit mangelnder Transparenz begründete CDU-Politiker Balzer auch die Frage nach den Vornahmen der Verdächtigen. Die bisherigen Angaben der Polizei zu deren Nationalität reichten nicht aus, sagte er. Man wolle wissen, ob es einen Migrationshintergrund gebe bei Verdächtigen mit deutschem Pass. Nach Angaben der Einsatzkräfte sei dies der Fall. „Wenn es dort ein Problem gibt, müssen wir es wissen und es ohne Vorurteile offenlegen“, so Balzer.
Die Grünen im Bezirksparlament in Berlin-Neukölln teilten am Donnerstag mit, die Vorfälle der Silvesternacht seien eine Folge eines gesamtgesellschaftlichen Versagens in der Bildungs-, Sozial-, Jugend- und auch Geschlechterpolitik. „Es geht hier nicht um Integration.“ Es gehe vielmehr um die Verrohung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, denen kein Boden mehr unter den Füßen wegbrechen könne. „Weil da nichts mehr ist, was sie hält.“
Nach bisherigen Angaben der Berliner Polizei waren unter den 145 vorübergehend festgenommenen Verdächtigen 45 Deutsche und 17 weitere Nationalitäten, darunter 27 Afghanen und 21 Syrer. 94 der 145 sind jünger als 25 Jahre, darunter 27 Minderjährige.
Polizei und Staatsanwaltschaft sicherten unterdessen eine konsequente und zügige Verfolgung der Straftaten zu. Innensenatorin Spranger betonte am Donnerstag: „Jetzt geht es darum, die Verfahren natürlich unter Wahrung aller rechtsstaatlichen Vorgaben voranzutreiben. Ich will nicht, dass einer dieser Straftäter davonkommt.“
Bayerns Innenminister Herrmann: „Diese Silvesterchaoten müssen hart bestraft werden“
Sollte es angesichts der Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht künftig ein generelles Böllerverbot geben?
© Quelle: dpa
Die Polizei hat nach eigenen Angaben eine Zentralstelle zur Koordinierung und Auswertung aller Verfahren eingerichtet. Bei einem neuen Internet-Portal gingen nach Angaben eines Polizeisprechers erste Hinweise ein. Bei der Staatsanwaltschaft ist eine Abteilung zuständig, die sich auch mit Gewalttaten bei Sportveranstaltungen befasst. Die Verfahren sollen Priorität haben, um vor allem Jugendlichen und Heranwachsenden eine „schnelle staatliche Reaktion“ zu zeigen.
Wichtig sei aber auch, sich mit dem Thema Jugendgewalt generell auseinanderzusetzen, betonte Polizeipräsidentin Slowik im RBB. Darum gehe es im Kern. „Wir haben Gewaltexzesse gesehen, die Silvester nur als Plattform genutzt haben“, sagte Slowik.
141 Kinder bis 13 Jahre betroffen
Nach Angaben der Polizei sind 2022 in Berlin deutlich mehr Kinder und Jugendliche durch Gewalttaten aufgefallen als in den Vorjahren. Bei entsprechenden Ermittlungen seien 141 Kinder bis 13 Jahre betroffen gewesen, im Vorjahr seien es 80 gewesen. Bei den Jugendlichen bis 17 Jahre waren es 369 Verdächtige, im Vorjahr hingegen 234.
Besonders von März bis Juli habe die Polizei eine starke Zunahme solcher Taten festgestellt, die sich häufig in Parks und Grünanlagen abspielten, sagte Slowik im Dezember der Deutschen-Presse-Agentur. „Das müssen wir uns genau ansehen“, so Slowik. Kriterien wie Wohnort, Motiv, Lebens- und Begleitumstände müssten analysiert werden.
SPD-Innenpolitiker Schreiber sprach sich für gezielte Maßnahmen aus, etwa mehr Personal bei Einheiten wie der Operativen Gruppe Jugendgewalt in allen fünf Direktionen der Berliner Polizei.
Die Berliner Gewerkschaft der Polizei setzt unterdessen auf ein bundesweites Böllerverbot. Eine entsprechende Online-Petition haben in den ersten 24 Stunden rund 20 000 Menschen unterzeichnet. „Wir brauchen eine Lösung, die zeitnah greift, damit wir im nächsten Jahr nicht wieder über zig Verletzte reden“, forderte die GdP. Eine weitere Initiative gibt es von der Deutschen Umwelthilfe in Kooperation mit weiteren Organisationen, die sich mit einem offenen Brief an Bundesinnenministerin Faeser (SPD) wandte.
Wer nicht solide wirtschaftet und bei Sicherheit, Verwaltung und Wahlorganisation immer wieder durch Totalversagen auffällt, sollte zukünftig Abstriche beim Länderfinanzausgleich akzeptieren müssen.
Alexander Dobrindt,
CSU-Landesgruppenchef
Aus Bayern kam der Ruf nach finanziellen Konsequenzen für das SPD-geführte Bundesland. Nach dem Willen von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sollte Berlin weniger Geld aus dem Finanztopf der Länder erhalten. „Wer nicht solide wirtschaftet und bei Sicherheit, Verwaltung und Wahlorganisation immer wieder durch Totalversagen auffällt, sollte zukünftig Abstriche beim Länderfinanzausgleich akzeptieren müssen“, sagte Dobrindt der „Bild“ (Donnerstag).
Bayern als Geberland
Bayern gehört beim Finanzkraftausgleich der Länder zu den Gebern, Berlin war dagegen zuletzt 2021 Hauptprofiteur mit empfangenen Zuschlägen von 3,6 Milliarden Euro.
Widerspruch kam von Berlins CDU-Chef Kai Wegner. Es sei der falsche Weg, die Berliner kollektiv für das Versagen des SPD-geführten Senats zu bestrafen“, sagte Wegner dem „Tagesspiegel“.
RND/dpa