Wurde Adolf Hitler durch private Enttäuschung zum Massenmörder?

Adolf Hitler.

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Berlin. Der Holocaust-Forscher und Hitler-Biograf Thomas Weber fordert von Historikern, mehr über die Gründe und Prozesse der Radikalisierung Adolf Hitlers zu forschen.

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"Wir haben aus Hitlers Heldengeschichte ein Trauerspiel gemacht, aber die Handlung beibehalten", sagte der Professor für Geschichte und internationale Beziehungen an der Universität Aberdeen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Dadurch schauen wir auch heute noch nach den falschen Warnsignalen für die neuen Hitlers in unserer Welt."

Weber ("Wie Adolf Hitler zum Nazi wurde"; Propyläen, 2016) veröffentlicht an diesem Montag im wissenschaftlichen "Journal of Holocaust Research" einen Artikel, der sich mit bislang unbeachteten Aussagen der Tochter einer Familie beschäftigt, bei der Hitler vor dem Ersten Weltkrieg in München wohnte.

Sechs Jahre früher Antisemit

Elisabeth Grünbauer (geb. Popp) hatte in einem Interview mit dem umstrittenen Sachbuchautor und Medienhändler Karl Höffkes angegeben, Hitler sei bereits sechs Jahre früher als bisher angenommen ein glühender Antisemit gewesen. Die Forschung geht bislang übereinstimmend davon aus, dass Hitlers Judenhass politisch - nach der Wende des Ersten Weltkriegs zu Ungunsten Deutschlands und den Entwicklungen nach Kriegsende - entstanden sei.

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Grünbauer gibt jedoch an, dass Hitlers Judenhass schon vor der Wende des Ersten Weltkriegs bestand. In ihrer Aussage hat sie antisemitische Äußerungen Hitlers gegenüber ihrem Vater festgehalten, die Hitlers Entscheidung, Österreich zu verlassen, mit seinem Antisemitismus in Verbindung bringen. Der Aberdeener Historiker Weber schreibt dazu in seinem Papier: "Ich glaube, es gibt gute Gründe zu glauben, dass in dem Jahr vor Hitlers Ankunft in München etwas in seinem Privatleben passiert sein könnte, das für ihn zutiefst traumatisch war und das letztlich einen 'Butterfly Effect' ausgelöst hat."

Weber verweist darauf, das bislang völlig unklar sei, wann genau der spätere NS-Diktator von Wien nach München gegangen sei. "Alles deutet darauf hin, dass Hitler nicht vor 1913 in München angekommen ist" schreibt Weber in seinem Aufsatz. "Doch in einem Artikel für den 'Völkischen Beobachter' vom 12. April 1922 behauptete er, 1912 von Wien nach München gezogen zu sein."

Professor Thomas Weber lehrt an der Universität Aberdeen Geschichte und internationale Beziehungen.

Professor Thomas Weber lehrt an der Universität Aberdeen Geschichte und internationale Beziehungen.

Der Historiker kommt zu dem Schluss: "Es ist nie endgültig geklärt worden, warum Hitler seine Ankunft in München absichtlich um ein Jahr vorverlegt hat." Die Aufklärung von Hitlers finalem Jahr in Wien könne jedoch womöglich helfen, das öffentlich konsequent vertretene "Fehldatum" seiner Ankunft in München zu verstehen. "Was noch wichtiger ist, es hat auch das Potenzial, zu klären, ob in dieser Zeit etwas in seinem Leben geschah, was Hitlers umfassende antisemitische Transformation auslöste oder ob die orthodoxe Ansicht, dass Hitler signifikante antisemitischen Ansichten wahrscheinlich erst nach dem Ersten Weltkrieg hegte, stimmt."

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Lösten etwa private Enttäuschungen oder verschmähte Liebe letztlich den Massenmord an sechs Millionen Juden und Millionen Kriegstote aus? Das bleibt - trotz Webers Recherchen - weiterhin Spekulation. Es gibt lediglich Hinweise: 1921 berichtete die "Münchener Post", eine sozialistische Zeitung, die Hitler stets als Betrüger und gefährlichen Demagogen bezeichnete, dass er einmal verlobt gewesen wäre, um die Tochter eines osteuropäischen jüdischen Einwanderers aus Galizien zu heiraten.

Hitlers erste Geliebte

Erna Hoffmann, die Ehefrau von Hitlers "Hoffotografen" Heinrich Hoffmann, erklärte im Interview mit einer Schweizer Illustrierten sogar, dass Hitlers erste Geliebte "das jüdische Mädchen Johanna Wachsmann" gewesen sei, "die 1913 ihre reichen Eltern verlassen hatte, um mit Hitler im Wiener Gasthaus 'Zur Schwarzen Katze' zu leben".

Geschichts-Professor Weber warnt davor, diese Zeugnisse als Banalitäten abzutun. "Viele Historiker in Deutschland, nicht aber zum Beispiel in Israel, haben die eigenartige Sorge, dass, wenn man sich mit Hitler beschäftigt, die Gefahr besteht, dass wie in den 50er Jahren wieder alles Hitler in die Schuhe geschoben wird", sagt der Aberdeener Historiker. "Dadurch sitzen wir bis heute eigentlich noch mehr oder minder der Geschichte auf, die Hitler selbst über seine Genese und politische Evolution erfunden hat."

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