Bundestag verbietet Kükentöten: Zoos fürchten um Futter für Raubtiere

Wenige Tage alte Küken in einem Hähnchenmastbetrieb.

Wenige Tage alte Küken in einem Hähnchenmastbetrieb.

Berlin. Nach jahrelangem Streit in der Bundespolitik wird das massenhafte Töten männlicher Küken mit dem kommenden Jahr verboten. In der Legehennenzucht soll statt des bislang üblichen Erstickens von jährlich rund 40 Millionen Küken kurz nach dem Schlüpfen künftig der Brutvorgang abgebrochen werden. Dafür sollen durchgängig Methoden genutzt werden, mit denen das Geschlecht des Embryos bereits im Ei erkennbar wird.

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Der Bundestag verabschiedete das entsprechende Gesetz von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) am Donnerstagabend. Demnach dürfen ab 1. Januar 2022 keine Hühnerküken mehr getötet und ab 2024 dann auch nur noch Verfahren eingesetzt werden, die die Auslese der männlichen Tiere so früh ermöglichen, dass Schmerzen für den Embryo vermieden werden. So sollen die Landwirte Zeit bekommen, sich an die neue Rechtslage anzupassen.

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Die Agrarministerin selbst sieht ihr Gesetz als Meilenstein für den Tierschutz und internationale Pionierleistung: „Damit sind wir weltweit Vorreiter“, erklärte Klöckner.

Millionen für die Forschung

Mit dem Verbot hatte die Koalition jahrelang gewartet und zugleich die Forschung an den Früherkennungsmethoden mit Millionenbeträgen unterstützt, bis diese marktreif waren. Damit bleibt der Agrarbranche nun die kostentreibende Aufzucht der männlichen Küken erspart.

Da die männlichen Küken der Legehennen weniger Fleisch ansetzen als die Masthühner, werden sie auch nicht für die Fleischproduktion genutzt. Die wenigen Biobetriebe, die die sogenannten „Bruderküken“ dennoch mit aufziehen, legen die Zusatzkosten auf die Eier um.

Wir lagern Tierschutzfragen nicht einfach ins Ausland aus, sondern bieten hier in Deutschland eine Lösung an. Dieses Modell wollen wir zum Exportschlager machen.

Julia Klöckner (CDU),

Landwirtschaftsministerin

Dazu sind die Brütereien mit Massenproduktion nun trotz Tötungsverbots nicht gezwungen. „Damit zeigen wir, dass Tierschutz und Wirtschaftlichkeit zusammengehen“, sagte Klöckner. „Wir lagern Tierschutzfragen nicht einfach ins Ausland aus, sondern bieten hier in Deutschland eine Lösung an. Dieses Modell wollen wir zum Exportschlager machen.“

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Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2019 unter Verweis auf das Staatsziel des Tierschutzes im Grundgesetz entschieden, dass Tierschutzbelange schwerer wiegen als wirtschaftliche Interessen, und erlaubte die Praxis nur noch für eine Übergangszeit.

Tierschützer fordern andere Maßnahmen

Tierschützer kritisieren, dass die grundsätzliche Lage sich nur durch ein Ende der Hochleistungszucht verbessern würde. „In den Ställen kann es nicht so weitergehen wie bisher“, sagte etwa der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND).

Das Aussortieren von Eiern könne nur eine Übergangslösung sein, nötig sei ein grundlegender Umbau der Tierhaltung mit anderen Zuchtzielen und besseren Haltungsbedingungen. „In der Hühnerhaltung muss zukünftig konsequent auf sogenannte Zweinutzungshühner gesetzt werden, die Eier legen und Fleisch liefern können“, so Bandt.

Ein Großteil der Eier wird von kranken, leidenden Hennen gelegt – und dieses Elend wird nur dann aufhören, wenn robustere Hühnerrassen eingesetzt werden und klare gesetzliche Vorgaben sicherstellen, dass die Tiere nicht massenhaft krank gemacht werden und Schmerzen leiden.

Matthias Wolfschmidt,

Strategiedirektor von Foodwatch

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Auch der Verbraucherschutzverein von Foodwatch kritisierte das Gesetz: „Das Kükentöten wird beendet, aber das Leid in den Hühnerställen geht unvermindert weiter“, sagte deren Strategiedirektor Matthias Wolfschmidt, gelernter Tierarzt, dem RND.

„Ein Großteil der Eier wird von kranken, leidenden Hennen gelegt – und dieses Elend wird nur dann aufhören, wenn robustere Hühnerrassen eingesetzt werden und klare gesetzliche Vorgaben sicherstellen, dass die Tiere nicht massenhaft krank gemacht werden und Schmerzen leiden.“

Probleme für Zoos

Kritik am Verbot der Eintagesküken kommt aber auch von entgegengesetzter Seite: Wenn die getöteten Küken nicht mehr geliefert werden, verlieren die Tierhalter, Zoos und Tierparks in Deutschland nach eigener Aussage ein wichtiges artgerechtes Futtermittel für verschiedene Fleisch- und Allesfresser, darunter Säugetiere, Reptilien, Vögel und Amphibien.

Der Fachtierarzt für Zoo- und Gehegetiere Dominik Fischer, der als Kurator beim Grünen Zoo Wuppertal tätig ist, nannte als Beispiele in der Expertenanhörung zu Klöckners Gesetz unter anderem heimische Wildkatzen, aber auch Polarfüchse, Warane, Krokodile und Schlangen. „Auch große Spinnen aus der Familie Theraphosidae verdanken ihren deutschen Namen ‚Vogelspinne‘ der Tatsache, dass sie gelegentlich kleinere Vögel fressen“, so Fischer.

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Besonders für Raubvögel seien die Jungküken ein „ernährungsphysiologisch ausgewogenes, biologisch sinnvolles und artgerechtes Futtermittel“. Das treffe auf bereits verarbeitetes Futter nicht zu, sodass die Zoos dann „andere Futtertiere von geringer Körpergröße“ verfüttern müssten, etwa Wachteln, Fische, Mäuse oder Meerschweinchen.

„Das generelle Tötungsverbot erschwert die Versorgung von Fleischfressern in Deutschland und fördert den Import von Küken zu Futterzwecken nach Deutschland aus dem europäischen Ausland“, sagte der Präsident des Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) und Direktor des Zoo Leipzig, Jörg Junhold, dem RND. „Dies ist nicht nur unehrlich, sondern auch ökologisch und finanziell unlogisch.“

„Was macht Küken wertvoller als Nacktmäuse?“

Der VdZ-Präsident betonte, dass die Direktoren der deutschen Zoos sich uneingeschränkt zum Tierschutzgedanken bekennen. „Die Tatsache, dass das Töten männlicher Küken aus wirtschaftlichen Gründen nicht als vernünftiger Grund angesehen wird, ist nachvollziehbar“, sagte er dem RND. Es hätte allerdings nur einer Klarstellung bedurft, dass das Töten von überzähligen Jungtieren aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht erlaubt ist, so Junhold. „Die sollte zudem für alle Tierarten gelten, oder was macht ein Küken wertvoller als Nacktmäuse oder Kälber?“

Das generelle Töten von Küken ohne jede Ausnahme zu verbieten, widerspreche jedoch dem Grundsatz im Tierschutzgesetz, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf, sowie dem Grundsatz der Gleichheit aller Tierarten, sagte der Zoodirektor. „Denn Fleischfresser können nicht mit Salat gefüttert werden.“

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Die politische Begründung, die Zoos könnten ihre Futterküken künftig aus anderen europäischen Ländern einführen, mache ihn „fassungslos“, so Junhold. „Das ist unehrlich und zeigt den Widerspruch der ganzen Gesetzesänderung auf.“

Genaue Zahlen über den Bedarf an Futterküken in deutschen Zoos und Falknereien existieren nicht, aber laut Hoch­rech­nungen liegt die Zahl bei etwa 19,6 Millionen Küken pro Jahr – also etwa die Hälfte der in Deutschland erstickten Jungtiere.

Der Berliner Zoo erklärte auf RND-Anfrage: „Wir als größter Zoobetrieb Europas sehen in der geplanten Gesetzesänderung keine Beeinträchtigung für unseren Betrieb.“

Im Bundestag waren die Gegner des Kükentötens in der klaren Mehrzahl. Der Opposition ging die beschlossene Regelung nicht weit genug, sodass sie am Donnerstag eigene Gesetzesanträge einbrachte, die jedoch scheiterten.

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So wehrten sich FDP und AfD gegen den nationalen Alleingang und forderte ein EU-weites Verbot des Kükentötens.

Die Linksfraktion wollte die gesetzliche Förderung der Aufzucht männlicher Küken und tiergerechte Mindestanforderungen für Aufzucht, Haltung und Transport von sogenannten Bruderhähnen und Zweinutzungshühnern ins Tierschutzgesetz schreiben.

Die Grünen stimmten dem Koalitionsgesetz zu, weil es ein großer Schritt in die richtige Richtung sei, wie Grünen-Verbraucherexpertin Renate Künast in der Debatte sagte. Ihre Fraktion beantragte jedoch zugleich, Tierquälerei müsse grundsätzlich häufiger und härter bestraft werden.

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