Zentralrat Deutscher Sinti und Roma warnt vor „Apartheid vor unserer Haustür“
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Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma.
© Quelle: Getty Images
Berlin. An diesem Montag erinnert der Zentralrat der Sinti und Roma Deutschland mit zwei parallel stattfindenden Gedenkveranstaltung an die Opfer des Holocaust. Neben einer Onlinegedenkstunde wird es auch eine Veranstaltung samt Kranzniederlegung in Auschwitz geben. Rund 100 Gäste werden daran teilnehmen, darunter auch der deutsche Botschafter.
Der Gedenktag am 2. August wurde vor sechs Jahren vom Europäischen Parlament als offizieller Gedenktag anerkannt und erinnert an den Mord von 4300 Sinti und Roma im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944.
Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, betont die Bedeutung des 2. August: „Die Erinnerung ist für unseren demokratischen Rechtsstaat unerlässlich.“ Gerade in Zeiten eines wieder stärker um sich greifenden Antiziganismus sei es wichtig, zu erinnern, damit auch heranwachsende Generationen demokratische Verantwortung übernehmen könnten.
Rose fordert eine breitere und bewusstere Sensibilisierung der Gesellschaft. Zwar sei in den vergangenen Jahren politisch viel erreicht worden, gesellschaftlich bleibe aber noch vieles zu tun. „Der Antiziganismus ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, antiziganistische Klischees werden seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben“, sagt Rose. Außerdem gebe es in Deutschland nicht das gleiche Bewusstsein für Antiziganismus wie für Antisemitismus, klagt der Zentralratsvorsitzende. „Das muss sich ändern.“
„Unwürdige Situation“
Noch immer würden Angehörige der Minderheit ihre Zugehörigkeit aus Angst vor Ausgrenzung verheimlichen, dabei stünden kulturelle Identität und Zugehörigkeit zu einer Nation nicht im Gegensatz zueinander. Rose warnt: „Im Kampf gegen Antiziganismus und Antisemitismus geht es nicht um die Rechte von Minderheiten, es geht um die Verteidigung unseres demokratischen Rechtsstaates.“
Mit Blick auf die Lebenssituation der Sinti und Roma in Osteuropa fordert Rose mehr Engagement der Bundesregierung: „Dort herrscht eine für eine demokratische Institution wie die EU unwürdige Situation.“ Sinti und Roma müssten gleichberechtigt in ihren Heimatländern in Ost- und Südosteuropa leben dürfen, mit Zugang zu Arbeit und Bildung: „Wir dürfen keine Apartheid vor unserer Haustür dulden.“
Obwohl der 2. August seit nunmehr sechs Jahren der europäische Holocaustgedenktag für Sinti und Roma ist und obwohl dem Genozid 500.000 Menschen zum Opfer fielen, ist der Gedenktag in Deutschland weitgehend unbekannt. Markus End, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung und Mitglied der vom Bundestag eingesetzten Kommission Antiziganismus, sagt dem RND, dass ihn das nicht wundert. „Der Völkermord an den Frauen, Männern und Kindern der Sinti und Roma war lange kein Thema in Deutschland“, sagt End. Dass sich das nun langsam ändere, sei den Aktivisten, Organisationen und Verbänden der Sinti und Roma zu verdanken, die lange für die Anerkennung gekämpft hätten.
Die Arbeit der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, so End, habe gezeigt, was viele schon zuvor geahnt hätten: „Die Kontinuitäten des Antiziganismus reichen vom Nationalsozialismus bis in die Gegenwart: Ein grundlegender Perspektivwechsel hat in den deutschen Gesellschaft kaum stattgefunden.“ Zwar habe der Antiziganismus seit 1945 an Gewalt eingebüßt und zeige sich häufig in subtileren Formen, er sei aber noch immer vorhanden und setze sich auch in Strukturen und Institutionen wie Polizei, Politik und Medien fort. „Es fehlt in Deutschland noch immer an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Verbrechen und den Kontinuitäten des Antiziganismus“, sagt End, „bevor diese nicht stattfindet, wird sich nichts grundlegend ändern.“