Die Ampel und die Kirchen: eine gewisse Distanz
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Christian Lindner (FDP, links), designierter Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz (SPD, Mitte), designierter Bundeskanzler, und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, rechts), designierter Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, sind konfessionslos.
© Quelle: Bernd Von Jutrczenka/dpa
Berlin. Wenn der Bundestag am Mittwoch zusammentritt, um den neuen Kanzler zu wählen, dann ist eines schon vorher gewiss: Der Sozialdemokrat Olaf Scholz wird der erste Regierungschef in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der konfessionslos ist. Er ist aus der evangelischen Kirche ausgetreten – ebenso wie der künftige grüne Vizekanzler Robert Habeck. Der kommende Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat seinerseits die katholische Kirche verlassen.
Die Eidesformel „So wahr mir Gott helfe“ wird man von den drei Spitzen des Kabinetts also eher nicht hören. Dafür gehört mit Cem Özdemir erstmals ein Muslim dem Kabinett an. Eine besondere Kirchenferne der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP sehen deren Kirchenexpertinnen und -experten nicht.
Sicher, auf den ersten Blick sieht manches danach aus. So stehen im Koalitionsvertrag Dinge, die für manche Katholikinnen und Katholiken ebenso wie für manche Protestanten und Protestantinnen schwer zu verdauen sein dürften. Die sogenannten Staatsleistungen für die Kirchen von rund 500 Millionen Euro pro Jahr sollen auslaufen; sie werden bisher als Ausgleich dafür gezahlt, dass kirchliche Besitztümer im 19. Jahrhundert enteignet wurden.
Weitreichende Änderungen geplant
Ferner will die Ampel Paragraf 219a des Strafgesetzbuches streichen, der die Information über Abtreibungen erschwert. Zugleich soll reproduktive Medizin erleichtert (Stichwort: Leihmutterschaft) und das kirchliche Arbeitsrecht dem weltlichen Arbeitsrecht angepasst werden. Bisher gelten Kirchen als Einrichtungen, die aufgrund ihrer Andersartigkeit besondere Loyalität erwarten dürfen.
Freilich spiegelt sich in all dem der gesellschaftliche Wandel wider; so gehören nur noch 59 Prozent der Deutschen einer Kirche an. Bei Mitgliedern von CDU und CSU ist der sonntägliche Kirchgang ebenfalls längst eher die Ausnahme als die Regel. Überdies verweisen die Kirchenpolitiker und -politikerinnen der Koalition darauf, dass Veränderungen im Einvernehmen mit den Kirchen herbeigeführt würden. Dort gibt es etwa für die Ablösung der Staatskirchenleistungen durchaus Zustimmung.
Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Zu sagen, die Ampel sei gottlos oder kirchenfern, ist absurd. Es ist vielmehr so, dass das Parlament und die Kirchen die Pluralität unserer Gesellschaft abbilden.“ Man setze gegenüber den Religionsgemeinschaften auf einen „kooperativen Ansatz“.
Der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser, ab Mittwoch Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, sagte dem RND: „Gerade bei der Lösung der großen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit sind Kirchen und Religionsgemeinschaften für mich ein wichtiger Gesprächspartner. Sie sind ein zentraler Teil unseres Gemeinwesens und leisten einen wertvollen Beitrag für das Zusammenleben und die Wertevermittlung in der Gesellschaft. Wir reden auf Augenhöhe und in gegenseitigem Respekt miteinander.“
Katholiken zuversichtlich
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, erklärte schließlich: „Die Präambel des Grundgesetzes formuliert ‚die Verantwortung vor Gott‘, aus der heraus die Menschenwürde geachtet und verteidigt wird. Dies geschieht, da bin ich sehr zuversichtlich, auch in Zukunft im Bundestag. Ob die Abgeordneten Mitglieder einer Kirche sind oder nicht, gibt noch keinen Hinweis darauf, wie sie diese Verantwortung wahrnehmen werden.“ Auch ein Nichtmitglied könne zutiefst christlich denken und handeln. Die katholischen Laien würden in jedem Fall das Gespräch suchen.
Sie fügte hinzu: „Im Bundestag wird die Zahl der Kirchenmitglieder immer kleiner. Wir betrachten es deshalb nicht als Selbstverständlichkeit, dass christliche Positionen automatisch gekannt und in jedem Fall berücksichtigt werden.“ Es zähle die Kraft des besseren Arguments. Nicht zuletzt im ZdK selbst sei eine Reihe von engagierten Politikerinnen und Politikern vertreten, die seit langem eine Brücke zwischen dessen Positionen und der parlamentarischen Arbeit bauten, so Stetter-Karp. „Wir freuen uns auf Gespräche mit der künftigen Regierung!“
Die Unions-Parteien halten sich mit Kommentaren zur Konfessionszugehörigkeit der Ampelvertreterinnen und -vertreter übrigens zurück. Das sei eine rein persönliche Sache, hieß es am Dienstag.