„Das gesamte Transplantationssystem ist falsch konstruiert“

Eine Organtransportbox wird in den Räumen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in Berlin übergeben (Symbolfoto).

Eine Organtransportbox wird in den Räumen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in Berlin übergeben (Symbolfoto).

Berlin. Eugen Brysch ist Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, die sich um die Belange und Interessen von Patienten kümmert. Der 1962 im oberschlesischen Königshütte geborene Politikwissenschaftler arbeitete zunächst als Journalist. Seit der Gründung 1995 fungiert er als Geschäftsführer und Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung. Sie wurde 2012 in Deutsche Stiftung Patientenschutz umbenannt.

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Herr Brysch, Sie haben bei der öffentlichen Expertenanhörung der Gruppenanträge zur Organspende im Bundestag beide Vorschläge kritisiert. Warum?

Nicht erst seit den Skandalen von 2012 gibt es Verunsicherung und Vorbehalte bei der Organspende. Übrigens sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den Ärzten und Pflegekräften in den Kliniken. Denn es fehlt schlichtweg an klaren Regeln und Transparenz. Die anhaltenden Meldungen über Fehlverhalten und Unregelmäßigkeiten bei der Organtransplantation belegen das. Die Menschen müssen dem Organspendesystem endlich vertrauen können. Doch die vorliegenden Gesetzentwürfe berücksichtigen das nicht.

Worin besteht Ihrer Meinung nach das Problem?

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Das gesamte Transplantationssystem ist falsch konstruiert. Richtlinienerstellung, Organisation, Durchführung und selbst die Kontrolle sind an privatrechtliche Akteure wie die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Spitzenverband der Krankenkassen delegiert. Diese Institutionen kontrollieren sich dann auch noch selbst.

Was fordern Sie?

Die Kontrolle muss unbedingt in die Hände einer unabhängigen staatlichen Behörde gelegt werden. Deshalb hat der Bundesgesundheitsminister eine Expertenkommission einzusetzen, die die Einzelheiten festlegt. Den gesetzlichen Rahmen muss der Bundestag beschließen. Dazu gehört auch, einen effektiven Rechtsschutz für die Patienten sicherzustellen.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Welche Schwierigkeiten bestehen hier?

Derzeit ist völlig unklar, an welches Gericht sich Patienten wenden müssen, um eine Wartelistenentscheidung überprüfen zu lassen. Auch dauern solche Verfahren viel zu lange. Für Patienten, die dringend auf ein Spenderorgan warten, kommt der Gang vor Gericht somit oft nicht in Frage. Es muss möglich sein, Wartelistenentscheidungen schnell juristisch und medizinisch zu prüfen. Zudem ist es dringend erforderlich, dass zentrale Fragen zur Verteilung von Lebenschancen eine demokratische Legitimation erhalten. Der Staat hat endlich Verantwortung zu übernehmen.

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Was meinen Sie damit?

Der Gesetzgeber hat sich bisher davor gedrückt, klare Kriterien für die Verteilung der Organe festzulegen. Er hat nur die Ziele „Erfolgsaussicht“ und „Dringlichkeit“ festgelegt, die Entscheidung über deren Gewichtung aber einfach an privatrechtliche Akteure wie die Bundesärztekammer delegiert. Das darf nicht sein, denn es geht bei dieser Frage um Leben oder Tod.

Können Sie das bitte erläutern?

Die Kriterien „Dringlichkeit“ und „Erfolgsaussicht“ widersprechen einander. Wer schon in Lebensgefahr schwebt, braucht ein Organ besonders dringend. Wem es noch gut geht, hat aber möglicherweise durch eine rasche Transplantation höhere Überlebenschancen. Wer soll das lebenswichtige Organ nun bekommen? Darüber entscheidet die Ärzteschaft ohne weitere Vorgaben durch den Bundestag.

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Was schlagen Sie stattdessen vor?

Der Bundestag muss grundlegende Entscheidungen selbst treffen. So gilt es, die Verteilungskriterien einzuordnen und in der Praxis eindeutig anwendbar zu machen. Auch hier wird die Expertenkommission gefordert sein. Denn sie muss dem Bundestag Vorschläge machen, wie die Verteilungsgerechtigkeit hergestellt werden kann. Das letzte Wort hat dann der Gesetzgeber. Nur er hat die demokratische Legitimation, über Lebenschancen zu entscheiden. Denn egal was geschieht, es wird immer zu wenig Organe geben.

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