Putins fragile Allianzen gegen den Westen
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Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan, der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko, Russlands Präsident Wladimir Putin, Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew, Kirgisistans Präsident Sadyr Japarow und Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon (von links) posieren am 16. Mai 2022 während des Gipfeltreffens der OVKS-Mitgliedsstaaten im Kreml.
© Quelle: IMAGO/ITAR-TASS
Seine erste Auslandsreise seit Beginn der Ukraine-Invasion führt den russischen Präsidenten nach Zentralasien. Bereits jetzt arbeiteten die Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres bei der Nutzung von Gas- und Ölfeldern eng zusammen, so Putin am Mittwoch bei einem Gipfeltreffen in der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik Turkmenistan.
Zu der Runde der sogenannten Kaspischen fünf zählen neben Russland und Turkmenistan auch Kasachstan, Aserbaidschan und Iran. Während Moskau weltweit als weitgehend isoliert gilt, verweist der Kreml gern auf seine vielen Partner und Allianzen, auf die man sich verlassen kann.
„Wir versuchen, Beziehungen zu den politischen Kräften aufzubauen, die die Lage kontrollieren.“
Russlands Präsident Wladimir Putin
Wählerisch ist man dabei nicht: Auch das Verhältnis zu den militant-islamistischen Taliban in Afghanistan soll intensiviert werden. „Wir tun alles dafür, dass sich die Situation in dem Land normalisiert und versuchen, Beziehungen zu den politischen Kräften aufzubauen, die die Lage kontrollieren“ , betonte Putin am Dienstag.
Fast alle Allianzen, denen Russland angehört, wurden als Antipoden zu bereits existierenden, vom Westen dominierten Bündnissen etabliert und kranken an inneren Gegensätzen der Mitgliederstaaten, an wirtschaftlicher Schwäche oder an Russlands politischer Dominanz.
Ein Überblick:
Brics - der Anti-G7
„Erfunden“ wurde dieses Bündnis Anfang des Jahrtausends von der Großbank Goldman Sachs als eine Art „Junior Club“ der G7. Vier Schwellenländer, Brasilien, Russland, Indien und China, verband damals ein fast ungehemmtes, zweistelliges Wachstum und, mit Ausnahme Chinas, eine hoffnungsvolle Entwicklung in Sachen Demokratie. Später kam Südafrika hinzu, seit 2009 treffen sich die Brics-Staaten einmal pro Jahr.
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Putin während der Teilnahme am digitalen Brics-Gipfel Ende Juni.
© Quelle: IMAGO/ITAR-TASS
Auf dem Papier sind sie ein Koloss: In ihnen leben 42 Prozent der Weltbevölkerung, die 22 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erbringen. Allerdings verbindet sie politisch kaum etwas, einmal abgesehen vom Anliegen, eine Antipode zum Westen bilden zu wollen.
Kaum überraschend also, dass genau da Putin beim jüngsten Gipfel ansetzte: Die Organisation müsse vorangehen bei der Schaffung einer „multipolaren Welt“, in der die Beziehungen der Staaten untereinander auf dem Völkerrecht beruhten, appellierte er. Was allerdings unter Völkerrecht verstanden wird – darüber gehen auch in den Brics-Staaten die Vorstellungen weit auseinander.
Zwar regieren in Indien und Brasilien heute autokratische Populisten, die demokratische Substanz, Pressefreiheit und unabhängige Justiz sind in beiden Schwellenländen wie auch in Südafrika aber nicht ernsthaft gefährdet. Indien und Südafrika waren auch zum jüngsten G7-Gipfel in Elmau eingeladen. Zudem gibt es zwischen einzelnen Brics-Staaten wie Indien und China ein großes Konfliktpotenzial.
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Russische OVKS-„Friedenstruppen“ Anfang Januar bei ihrer Ankunft in Kasachstan während eines Aufstandes.
© Quelle: picture alliance/dpa/Russian Defence Ministry
OVKS - die Anti-Nato
Diese Organisation erinnert nicht nur dem Namen nach an den Warschauer Pakt, Moskaus Bündnis im Kalten Krieg: Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) mit ihrem Hauptquartier in Moskau soll den Einfluss des Kremls auch in den Nachbarstaaten sichern. Schnelle Eingreiftruppen, die zuletzt im Januar 2022 einen Aufstand gegen den kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew niederschlugen, garantieren das.
Dem OVKS gehören mit Ausnahme Armeniens ausschließlich autokratisch und diktatorisch regierte Staaten wie Belarus, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan an. Während es vor allem der Schutz vor äußeren Feinden ist, der Länder zu Mitgliedern der Nato werden lässt, handelt es sich bei der OKVS um ein reines Machtinstrument zu Sicherung des russischen Einflusses.
Auch hier bildet Armenien die Ausnahme, weil sich das kleine Land im Kaukasus tatsächlich von der OVKS einen Schutz vor seinen übermächtigen Feinden Aserbaidschan und der Türkei erhofft.
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Wladimir Putin (r.) und Nikol Pashinjan, Ministerpräsident von Armenien, während eines Treffens der Eurasischen Wirtschaftsunion.
© Quelle: picture alliance / Mikhail Klimentyev/POOL SPUTNIK KREMLIN/AP/dpa
Eurasische Wirtschaftsunion - die Anti-EU
Eurasische Wirtschaftsunion ist ein Zusammenschluss von Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Russland zu einem Binnenmarkt mit Zollunion. Sie ging 2015 aus verschiedenen Vorläufern hervor, unter anderem der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft, und war stets direkt als Gegenpol zur EU geplant.
Auf dem Papier ist die Eurasische Wirtschaftsunion ein rein ökonomisches Projekt. Russlands Anteil innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion beträgt jeweils mehr als 80 Prozent der Bevölkerung sowie der Wirtschaftsleistung.
Diese Dominanz ist kein Zufall, das eurasische Projekt taucht immer wieder in Putins abstrusen pseudohistorischen Ausführungen auf und beruht auf der Theorie des rechtsradikalen klerikalen Vordenkers wie Alexander Dugin, der in Russland sehr populär ist. Der Professor an der Moskauer Lomonossow-Universität greift eine Idee der 1920er-Jahre auf: Eurasia.
Kern dieser Ideologie: Russland, jahrhundertelang von den Mongolen beherrscht, müsse einen dritten „asiatischen“ Weg gehen und ein eigenes Reich gründen – von Wladiwostok bis Lissabon. Was die Zerstörung der EU bedeutet. Die Ukraine, die eine enge Bindung an die EU anstrebt, war die Blaupause, glaubt der britische Historiker Timothy Snyder.
In der Realität ist auch dieses Bündnis fragil: So hat Kasachstan Moskau jüngst herausgefordert. Das rohstoffreiche Land verweigert den ostukrainischen Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk die Anerkennung und kritisierte jüngst in St. Petersburg Putins Krieg.
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Auch die existiert noch – wenn auch jenseits der öffentlichen Wahrnehmung. Einst war die GUS Moskaus hoffnungsvollstes Projekt: Nach dem Zerfall der Sowjetunion gründeten die nunmehr unabhängigen Staaten, ausgenommen die drei Baltenrepubliken, im Dezember 1991 die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.
Das Bündnis gibt es nominell noch immer, wenn auch arg geschrumpft und ohne politische oder wirtschaftliche Bedeutung. Was nicht wundert, denn nominell gehören ihm untereinander bis aufs Messer verfeindete Staaten wie Aserbaidschan und Armenien sowie Tadschikistan und Kirgistan an – aber auch der EU-Beitrittskandidat Moldau und eben Russland.