Wie sich der deutsche Katastrophenschutz für neue Herausforderungen wappnet
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Aufräumen nach der Flut: Helfer des THW sind nach der Flut 2021 im Einsatz. (Archivbild)
© Quelle: Marius Becker/dpa
Berlin. Der Katastrophenschutz in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren vor allem als Sorgenkind präsentiert. Zuerst war da das Fiasko um den großangelegten Warntag im September 2020. Meldungen über die Warn-Apps Nina und Katwarn kamen verspätet auf den Smartphones der Bürgerinnen und Bürger an, auch Sirenen heulten an vielen Orten nicht – sie waren längst abgeschafft. Auf die gescheiterte Übung folgte dann im Sommer 2021 der Ernstfall: Die Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit mehr als 180 Toten. Auch hier wurde vielerorts nur unzureichend gewarnt.
Es geht jetzt darum, mit aller Kraft die großen Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte aufzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass wir künftig besser für Krisen und Klimafolgen gewappnet sind.
Nancy Faeser (SPD),
Bundesinnenministerin
„Es geht jetzt darum, mit aller Kraft die großen Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte aufzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass wir künftig besser für Krisen und Klimafolgen gewappnet sind“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Mitte der Woche, als sie in Berlin Ralph Tiesler vorstellte, den neuen Präsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
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Ralph Tiesler, neuer Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
© Quelle: Carsten Koall/dpa
Die Herausforderungen dürften in den kommenden Jahren eher größer als kleiner werden: Extremwetterereignisse und Unwetterkatastrophen drohen durch den Klimawandel häufiger und verheerender zu werden. Und auch die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zeigen, dass Deutschland nicht unverwundbar ist.
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Verbockter Warntag 2020
Vor diesen Herausforderungen steht Ralph Tiesler nun und bringt dabei einige Erfahrung mit. Der 62-Jährige ist alles andere als ein Neuling im BBK. Er sei ein „erfahrener Krisenmanager“, lobte Faeser. Von 2009 bis 2016 war Tiesler bereits Vizepräsident des Bundesamts. Schon seit Mitte der 1990er-Jahre hatte er zuvor die Auslandseinsätze des Technischen Hilfswerks koordiniert. Zuletzt war Tiesler von 2016 bis 2018 Vizepräsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und im Anschluss Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft.
Nun soll er einen Prozess weiterführen, der im BBK bereits nach dem verbockten Warntag 2020 eingeleitet wurde. Der Katastrophenschutz in Deutschland soll im Ernstfall zuverlässiger werden. Dazu will die Behörde bis zum nächsten Jahr auch das Warnsystem Cell Broadcast einführen, mit dem alle Handynutzenden in einem Katastrophengebiet zuverlässig gewarnt werden können. Bei einem neuen Warntag am 8. Dezember 2022 soll das System in einem kleineren Rahmen getestet werden.
Vor allem aber soll die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern, bei denen die meisten Zuständigkeiten im Katastrophenschutz liegen, verbessert werden. Dazu haben sich Bund und Länder auf die Einrichtung eines gemeinsamen Kompetenzzentrums (GeKoB) geeinigt, das noch im Juni die Arbeit aufnehmen soll.
Ausbau von Sirenen zur Warnung
Als Meilenstein bezeichnet Faeser das – und bekommt dafür wortgleiche Zustimmung des bayerischen Landesinnenministers Joachim Herrmann (CSU). „Mit der Gründung des GeKoB wollen wir die Koordination in Krisen und bei Katastrophen verbessern“, sagte Herrmann dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wir werden mit dem GeKoB schlagkräftig auf neue Herausforderungen wie Naturkatastrophen und Wetterereignisse – ich nenne hier beispielsweise Dürren und Waldbrände, aber auch Starkregen und Hochwasser – aber auch auf Cyber- und Terrorgefahren und Pandemien reagieren können“, erklärte der Landesminister.
Sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Herbert Reul (CDU) sagte dem RND, das Kompetenzzentrum biete eine gute Richtschnur für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern auf Augenhöhe, die er sich vom neuen BBK-Chef wünsche.
Ein Streitpunkt zwischen Bund und Ländern bleibt jedoch das Geld. Die Bundesregierung hat bereits ein Förderprogramm für den Ausbau und Aufbau von Warnsirenen aufgelegt. Das sei zwar ein wichtiger Impuls, sagte Joachim Herrmann. „Die bislang bereitgestellten 88 Millionen Euro reichen jedoch bei weitem nicht aus und können nur eine Anschubfinanzierung sein“, bemängelte er. „Ich bin mir mit meinen Länderkollegen einig, dass für einen flächendeckenden Ausbau des Sirenennetzes eine bessere Finanzierungsbasis nötig ist.“ Die Länder fordern den Bund auf, im Rahmen eines „Stärkungspakts Bevölkerungsschutz“ 10 Milliarden Euro innerhalb der nächsten zehn Jahre zu investieren. Faeser verweist darauf, dass auch die Länder gefordert seien, „in diesem Bereich der klassischen Länderzuständigkeit massiv zu investieren.“
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Dieser Streit dürfte auch künftig auf der Tagesordnung bleiben. Zumindest an der Eignung des neuen BBK-Präsidenten, mit den kommenden Herausforderungen umzugehen, hat aber auch Joachim Herrmann keinen Zweifel. Tieslers berufliche Vita belege dessen Erfahrungsschatz eindrucksvoll, sagte Herrmann dem RND. Ohne einen Verweis auf die föderalen Ansprüche kommt jedoch auch dessen Lob nicht aus: „Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit, bei der aber immer auch die jeweils originären Zuständigkeiten von Bund und Länder beachtet bleiben müssen“, ergänzte der CSU-Politiker.
Hinweis. Dieser Text erschien erstmals im Juni 2022.