Newsletter „Hauptstadt-Radar“

Merz und die kleinen Paschas

Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

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obwohl Silvester ja nun inzwischen fast zwei Wochen her ist, hat es Oppositionsführer Friedrich Merz am Dienstagabend bei Markus Lanz noch einmal richtig krachen lassen. Sollten Sie die Sendung nicht gesehen haben, haben Sie es garantiert irgendwo gelesen, Ausschnitte in den sozialen Medien gesehen oder bei Ihnen ist die Welle der Empörung angekommen, die Merz ausgelöst hat. Der CDU-Vorsitzende hat sehr verallgemeinernd und herablassend über Migranten gesprochen, die sich nicht in Deutschland integrierten. Mehrfach sagte er „die Araber“ und formulierte Sätze wie diese: „Und dann wollen sie diese Kinder zur Ordnung rufen und die Folge ist, dass die Väter in den Schulen erscheinen und sich das verbitten. Insbesondere, wenn es sich um Lehrerinnen handelt, dass sie ihre Söhne, die kleinen Paschas, da mal etwas zurechtweisen. Da fängt es an.“

Ich saß auch als Gast in dieser Sendung – gemeinsam mit dem Soziologen Aladin El-Mafaalani und dem Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher. Eigentlich war die Sendung eher sachlich gestartet. Es ging um die Ausschreitungen in der Silvesternacht und ihre Ursachen. Wir diskutierten auch über die Ursachen für die Wut auf und die Verachtung für den Staat, die sich in den Angriffen gegen Feuerwehr und Polizei zeigt. Zwischen Merz und uns – insbesondere mit El-Mafaalani – ging es von Anfang an kontrovers zu.

Der Soziologe stellte aus meiner Sicht völlig zu Recht Merz die Frage, warum die CDU in Berlin eigentlich nach den Vornamen der deutschen Krawallmacher gefragt hat. Dass unter deutschen Staatsbürgern in Berlin auch ausländisch klingende Namen sein können, ist keine Überraschung – in einer Großstadt, in der mehr als jeder Dritte Migrationshintergrund hat. Es war spürbar, dass den Wissenschaftler El-Mafaalani ein solches Vorgehen auch persönlich trifft. Das Signal, das von einer solchen Abfrage an alle Migrantinnen und Migranten ausgeht: Ihr könnt machen, was ihr wollt und euch noch so anstrengen, am Ende schauen wir doch auf den Vornamen, ob ihr dazugehört oder nicht. Dieses Vorgehen der Berliner CDU schien Merz nicht so recht zu behagen. Er verteidigte seine Parteifreunde ohne Leidenschaft.

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Umso überraschender war seine pauschale Verurteilung von Migrantinnen und Migranten, die sich nicht integrierten. El-Mafaalani seufzte am Ende der Tirade und sagte, er wisse gar nicht, wo er anfangen solle mit seinem Widerspruch. Der gelang dann aber so umfassend und profund, dass der Soziologe anderntags für seinen Auftritt in den sozialen Medien großen Zuspruch bekam. Übrigens ist El-Mafaalani eigentlich von der CDU engagiert, um als einer von mehreren Autoren am neuen Grundsatzprogramm der Partei mitzuwirken. Man kann nur hoffen, dass der Mann nicht die Lust verliert, der CDU dabei behilflich zu sein, die richtigen Grundsätze im Kapitel zur Migration aufzuschreiben.

Merz wiederum musste sich den Vorwurf des Rassismus gefallen lassen – nicht nur in den sozialen Medien. „Integration ist eine Gemeinschaftsaufgabe und gelingt nur, wenn wir zusammenhalten. Rassistische Grundmuster, wie sie Herr Merz hier vorträgt, grenzen Menschen pauschal aus und sind pures Gift für unser Ziel, uns von der Einwanderungs- zur Integrationsgesellschaft weiterzuentwickeln“, sagte beispielsweise SPD-Chefin Saskia Esken dem „Spiegel“. Von der AfD gab es Applaus. Der Ökonom Fratzscher, der vor allem für wirtschaftspolitische Fragen in die Sendung eingeladen war, twitterte nach der Sendung: „Es ist Populismus, weil Herr Merz von einer kleinen Minderheit implizit und explizit auf alle Menschen mit arabischen Wurzeln verallgemeinert.“ Er ärgere sich sehr, zu den Aussagen in der Sendung geschwiegen zu haben, so Fratzscher.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW).

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW).

Manchmal schlägt eine solche Sendung auch bei den Beteiligten hinterher erst richtig auf. Zur Äußerung der kleinen Paschas hatte ich Merz insofern widersprochen, als dass ich ihm sagte, man müsse solche Fälle als das behandeln, was sie sind: lösbare Probleme. Elternteile, die sich so aufführen wie von Merz beschrieben können in einer Schule Hausverbot bekommen. Das habe ich übrigens in der Grundschule meiner Kinder mal erlebt. Dort war es ein deutscher Vater mit deutscher Herkunft, der sich so danebenbenommen hatte, dass er vorübergehend mit Hausverbot belegt wurde.

Was sagen die Schulen? Die Deutsche Presse-Agentur hat am Tag nach der Sendung die Lehrerverbände gefragt. Das Ergebnis: gemischt. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Lehrerverbands, wandte sich gegen einen „Generalverdacht oder Pauschalvorwurf“, sagte aber, dass es grundsätzlich Probleme gebe. Insbesondere die Autorität weiblicher Lehrkräfte werde nicht anerkannt. Der Vorsitzende des Grundschulverbands, Edgar Bohn, konnte Merz‘ Behauptung nicht bejahen. „Die zitierte Aussage und die Pauschalierung kann ich nicht bestätigen und halte sie für sehr überzeichnet und nicht zutreffend“, sagte Bohn.

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Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes

In der Sendung hat übrigens niemand bezweifelt, dass Merz Schilderung korrekt ist. Nur die Pauschalierung des Vorfalls war völlig überzogen und hat anderntags nachvollziehbar für Empörung gesorgt. Und eben da liegt das grundsätzliche Problem in der deutschen Debatte um Migration. Selbstverständlich gibt es in der Integration von Zugewanderten Defizite, über die ohne Beschönigung gesprochen werden muss. Wenn die Probleme aber überzogen, pauschal und polemisch dargestellt werden, dann grenzt das die gut integrierten Migrantinnen und Migranten aus, behebt kein einziges Problem und sorgt für eine so heftige Gegenreaktion, die es wieder schwerer macht, die Dinge klar zu benennen. Das ist übrigens nicht ein Problem der Zugewanderten. Aus diesem fatalen Kreislauf kann sich die deutsche Mehrheitsgesellschaft nur selbst befreien. Und dann kann Integration auch gelingen.

 

Bittere Wahrheit

„Ich habe null Verständnis für Gewalt – und null Verständnis dafür, politische Fragen auf dem Rücken von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auszutragen.“

Nancy Faeser,

Bundesinnenministerin

In Lützerath eskaliert die Lage. Die Demonstrantinnen und Demonstranten, die die leere Ortschaft besetzt halten, verspielen mit ihrer gewaltsamen Gegenwehr gegen die Räumung den Kredit, den sie bisher von vielen Seiten bekommen haben. Es gibt in der Gesellschaft viel Verständnis für die Verzweiflung der jungen Menschen, die ihre Lebensgrundlage durch den Klimawandel bedroht sehen. Allerdings ist die Grenze des Verständnisses spätestens erreicht, wenn Gewalt eingesetzt wird, und das ist inzwischen in Lützerath leider der Fall.

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Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

 

Wie Demoskopen auf die Lage schauen

Zum Jahresauftakt wollte das Meinungsforschungsinstitut Forsa wissen, wie groß das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Wirtschaft und ihre Institutionen ist. Trotz Energiekrise und Inflation sind die Werte sehr stabil. Spitzenreiter bleiben die eigenen Arbeitgeber, in die die Menschen zu 69 Prozent „großes Vertrauen“ haben. Gefolgt von den kommunalen Unternehmen, die bei 65 Prozent liegen. Beide mussten mit zwei Prozentpunkten eine kleine Einbuße im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen. In die Gewerkschaften haben 45 Prozent der Bürgerinnen und Bürger „großes Vertrauen“. Gefolgt von Volks- und Raiffeisenbanken (37 Prozent), Sparkassen (auch 37), Unternehmer (31), Arbeitgeberverbände (28). Am Ende der Liste rangieren Banken (27), Versicherungen (22) und Werbeagenturen (4).

In der Sonntagsfrage gibt es leichte Bewegung. Die SPD startet schwach ins neue Jahr.

Sonntagsfrage

Sonntagsfrage

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Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Dienstag wieder. Dann berichtet mein Kollege Markus Decker. Bis dahin!

Herzlichst

Ihre Eva Quadbeck

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