Tierischer Einschüchterungs­versuch

Merkel, Putin und die Sache mit dem Hund

Januar 2007: Koney, der schwarze Labrador von Russlands Präsident Wladimir Putin, läuft beim Treffen seines Herrchens mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sotschi durchs Zimmer.

Januar 2007: Koney, der schwarze Labrador von Russlands Präsident Wladimir Putin, läuft beim Treffen seines Herrchens mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sotschi durchs Zimmer.

Es ist eine Episode in Angela Merkels Kanzlerschaft, die mittlerweile schon 15 Jahre zurückliegt: Im ersten Interview seit dem Ende ihrer Kanzlerschaft spricht „Spiegel“-Journalist Alexander Alexander Osang die Kanzlerin a. D. auch auf eine Episode mit besonderem Charakter an. Es geht um ein Treffen der Kanzlerin 2007 im Badeort Sotschi am Schwarzen Meer mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Dabei spielte eine Labradorhündin eine Rolle, die während einer Pressekonferenz ohne Leine zwischen Merkel und Putin herumwuselte.

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Merkel war damals anzusehen, dass ihr die Situation nicht geheuer war. „Wollte Putin Ihnen damit vielleicht eine Freude machen?“, sprach Osang die Kanzlerin auf den Vorfall an. „Na ja“, entfuhr es der Altkanzlerin einem Stoßseufzer gleich. „Wer’s glaubt, wird seelig.“ Und dann erzählte sie, dass Putin sie bereits beim ersten Besuch im Kreml, kurz nachdem sie 2005 Kanzlerin geworden war, mit dem Satz überraschte: „Ich habe gehört, du hast ein Problem mit Hunden.“ Danach überreichte er ihr als Gastgeschenk einen großen Stoffhund.

Merkel als Jugendliche von Hund gebissen

Tatsächlich war Angela Kasner, so Merkels Mädchenname, in ihrer Jugend von einem Hund gebissen worden, was wohl dazu geführt hat, dass sie Hunde bis heute lieber aus großer Distanz sieht. Was Putin aber nicht davon abhielt, beim erwähnten Treffen in Sotschi die Kanzlerin mit einer echten Hündin zu überraschen – ein klarer Einschüchterungs­versuch.

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Heute kann Merkel darüber lachen: „Eine tapfere Bundeskanzlerin muss mit so einem Hund fertigwerden. Wenn solche psychologischen Probleme dazu führen, dass man nicht mehr handlungsfähig ist, dann läuft da etwas falsch“, so ihr munterer Kommentar im Interview.

Was verbinde sie und Putin noch – beide annähernd gleich alt (67 und 69), beide aufgewachsen und sozialisiert in einer kommunistischen Diktatur und die jeweilige Sprache des Gegenübers sprechend? Nichts, so Merkels Antwort. „Unser Werteverständnis ist grundsätzlich unterschiedlich. Er hält Demokratie für falsch, ich halte sie für richtig“, so Merkel.

Altbundes­kanzlerin Merkel bezeichnet russischen Angriff als „tiefgreifende Zäsur“

Monatelang verzichtete Angela Merkel auf öffentliche Auftritte – auch Putins Angriff auf die Ukraine änderte daran zunächst nichts.

Bei komplexen Fragen redeten Merkel und Putin in ihren Muttersprachen

Vor der Annexion der Krim 2014 habe es durchaus noch private Momente gegeben, „mal ein persönliches Geschenk“, so Merkel, „danach war das schon ein tiefer Einschnitt“. Man habe nur noch auf zwischenstaatlicher Ebne verkehrt. „Es ist eine rationale Beziehung, in der es um einen Wettbewerb zwischen gesellschaftlichen Modellen geht.“ Dass man sich aber, wie von manchem unterstellt, am Telefon angebrüllt habe, „daran kann ich mich nicht erinnern“, so Merkel. Und übrigens spreche Putin besser Deutsch als sie Russisch. Ging es in Gesprächen um hochkomplexe politische Dinge, dann habe stets jeder in seiner Landessprache gesprochen – ansonsten „redet Putin auch Deutsch. Nur einmal kam es vor, dass er ein Wort auf Deutsch nicht wusste, das wusste ich dann auf Russisch.“

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Ihre Verachtung für Putin möchte Angela Merkel aber von ihrer Bewunderung für Russland und die russische Kultur trennen. „Ich kann die Kultur eines Landes toll finden, dennoch habe ich da jetzt jemanden, der trampelt das Völkerrecht mit Füßen. Die Tragik wird damit größer, dass ich das Land mag, aber das macht mich nicht nachsichtiger.“

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Als Jugendliche sei sie einmal durch den Kaukasus gereist, „halb legal“, wie sie erklärt. Damals gab es für Ostdeutsche die Möglichkeit, von Moskau ein Transitvisum für die Fahrt nach Bulgarien zu bekommen. „Kurz vorm Kaukasus stieg man einfach aus, besuchte Georgien und Aserbaidschan. Die Behörden dort fanden dann, dass es gar nicht geht, da nur wenige Stunden zu verweilen.“ Also blieb sie länger.

Zur Strafe musste sie in Sotschi einen Aufsatz schreiben, Thema: Warum habe ich so lange studiert und halte mich trotzdem nicht an die Gesetze? Das angedrohte Zwangsgeld wurde ihr aber erlassen, weil sie den Aufsatz in tadellosen Russisch verfasste.

Abgesehen von dem, was da politisch gerade angerichtet wird, gesteht Angela Merkel, eine „Faszination für das Land“ zu haben. Und sie fügt kurz vor Ende des Interviews hinzu: „Ich habe aber auch eine Faszination für Amerika.“

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