Razzia gegen Klima-Protestgruppe

„Bildung einer kriminellen Vereinigung“: Was die Ermittlungen gegen die Letzte Generation bedeuten

Eine Klimaaktivistin der "Letzten Generation" bei einer Sitzblockade in Magdeburg.

Eine Klimaaktivistin der Letzten Generation bei einer Sitzblockade in Magdeburg. (Symbolbild)

Am Dienstag haben Ermittler bundesweit elf Wohnungen und Räume von Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation durchsucht. Ermittelt werde gegen „etwas mehr als elf Personen“ wegen Störung öffentlicher Betriebe. Die federführende Staatsanwaltschaft Neuruppin geht auch dem Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach.

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Es gebe Hinweise, dass die Letzte Generation von einer klaren Rollenverteilung und einer kontinuierlichen Struktur geprägt sei, teilte die Staatsanwaltschaft in Neuruppin mit. Es bestehe der Verdacht, dass der Zweck der Gruppierung zumindest auch auf die Begehung von Straftaten „hinreichenden Gewichts“ ausgerichtet sei.

Eine kriminelle Vereinigung muss ihren Zweck oder ihre Tätigkeit auf die Begehung von nicht unerheblichen Straftaten richten.

Arndt Kempgens, Fachanwalt für Verkehrsrecht

Doch was heißt das – und was kann es für Konsequenzen haben? „Eine kriminelle Vereinigung ist nach Strafgesetzbuch Paragraf 129 ein auf eine längere Dauer angelegter freiwilliger Zusammenschluss von mindesten drei Personen mit einem übergeordneten gemeinsamen Interesse“, erklärt Arndt Kempgens, Fachanwalt für Verkehrsrecht, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Diese Vereinigung muss außerdem ihren Zweck oder ihre Tätigkeit auf die Begehung von nicht unerheblichen Straftaten richten“, erläutert er weiter.

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Klebeaktionen gelten als Nötigung

Dass das Wort „Tätigkeit“ hier mit aufgenommen sei, habe einen Grund, der sich gut an der Letzte Generation erklären lasse: „Der Zweck der Letzten Generation ist ja nicht, sich irgendwo festzukleben, sondern die Welt zu retten. Aber die Tätigkeiten sind trotzdem strafbar.“ Gemeint seien mit „nicht unerheblichen Straftaten“ solche, die mit mindestens zwei Jahren Höchststrafe bestraft werden können, erklärt Kempgens.

Trifft das auf die Letzte Generation zu? Zunächst einmal ja, meint der Anwalt. „Die typischen Klebeaktionen gelten als Nötigung mit drei Jahren Höchststrafe“, erklärt er. Auf „gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr“ stehe sogar eine Höchststrafe von zehn Jahren. Aktivisten und Aktivistinnen der Klimaprotestgruppe hatten sich Anfang Dezember am Münchner und Berliner Flughafen auf dem Rollfeld festgeklebt. Aber: Eine Höchststrafe von mindestens zwei Jahren gebe es auf vieles, etwa auch auf Diebstahl. Es gehe schließlich um die Höchststrafe, erklärt Kempgens. „Nur bagatellhafte Sachen haben eine geringere Höchststrafe“, macht er deutlich.

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Was verändert die Einstufung als kriminelle Vereinigung?

Was also würde es verändern, wenn die Letzte Generation als kriminelle Vereinigung eingestuft wird? „Es ermöglicht eine Ausweitung der Ermittlungen auf die Hintermänner und Organisatoren“, erklärt der Rechtsanwalt. Die seien aktuell wesentlich schwerer zu fassen, wenn sie sich nicht etwa selbst irgendwo festklebten oder direkte Beihilfe leisteten. „Hintermännern und Rädelsführern“ einer kriminellen Vereinigung drohten laut Gesetz Mindestfreiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren – Geldstrafen sind hier ausgeschlossen im Gegensatz zu dem Strafrahmen, der für „normale“ Mitglieder einer solchen kriminellen Vereinigung gelte. Zudem reiche die alleinige beteiligende Mitgliedschaft in einer solchen kriminellen Vereinigung für eine Bestrafung aus.

Kempgens glaubt, dass die Razzia und die Ermittlungen eine spannende verfassungsrechtliche Diskussion auslösen werden und schlussendlich auch vor dem Bundesverfassungsgericht landen könnten. „Man muss sich verfassungsrechtlich Gedanken machen, ob das Festkleben auf Straßen zu Klimazielen überhaupt strafbare Nötigung ist“, sagt er. Das wiederum habe Einfluss auf den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Denn würden die Klebeaktionen nicht als Nötigung eingestuft, fehle auch die Voraussetzung für diesen Vorwurf. Darüber gibt es bereits jetzt Debatten – ein Berliner Richter etwa lehnte im November eine Strafe für eine Klimaaktivistin der Letzten Generation ab, er sehe den Tatbestand der Nötigung als nicht erwiesen an.

mit dpa

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