Newsletter „Klima-Check“

Klimastreik reloaded

Zwei große Bälle auf der Demo vorm Brandenburger Tor mit der Aufschrift „Klima retten“.

Zwei große Bälle auf der Demo vorm Brandenburger Tor mit der Aufschrift „Klima retten“.

Liebe Leserinnen und Leser,

eine Zeit lang waren die Schulstreiks fürs Klima ein regelrechtes Ritual. Tausende junge Menschen demonstrierten Freitag für Freitag allein in Berlin für mehr Tempo und Tatkraft im Kampf gegen den Klimawandel. Doch nicht nur, weil selbst die tolerantesten Schulleitungen irgendwann ihr Veto einlegten, ist es seit längerer Zeit still geworden um Fridays for Future. Grund dafür – neben Ausrichtungsfragen bei FFF – ist vor allem die Letzte Generation. Sie zieht mit ihren Klebeaktionen die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich und hat auch für die nächste Woche Aktionen angekündigt.

Am heutigen Freitag aber machte FFF mit dem Aufruf zum globalen Klimastreik einen großen Aufschlag. Deutschlandweit gab es fast 250 Aktionen, die größte davon in Berlin: Mehrere Tausend vor allem junge Menschen protestierten vor dem Brandenburger Tor. Konkret fordert FFF die Einführung eines Klimagelds, das steigende Preise für den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen sozial ausgleichen soll, die Verschärfung des Klimaschutzgesetzes und den schnellen Ausstieg aus Erdöl, Erdgas und Kohle.

„Klima retten“: Menschen beim 13. globalen Klimastreik vor dem Brandenburger Tor

„Klima retten“: Menschen beim 13. globalen Klimastreik vor dem Brandenburger Tor

Brennende Wälder und Überschwemmungen in Griechenland, ein Flutdrama ungekannten Ausmaßes in Libyen – angesichts solcher Extremwetterereignisse sind Wut und Frust groß unter denen, die heute auf die Straße gingen – darunter auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Mein Kollege Jan Sternberg hat ein Interview mit dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) geführt über die Frage, inwieweit Wissenschaftler sich in die Politik oder den Aktivismus einbringen sollen. „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben eine Bringschuld“, sagt Marcel Fratzscher. Valide Erkenntnisse müssten in die Gesellschaft kommuniziert werden, und das in verschiedene Gruppen. Im September hatte Fratzscher an der Seite von Luisa Neubauer vor dem Kanzleramt den globalen Klimastreik angekündigt. Das ganze Interview finden Sie hier.

Auf der Pressekonferenz vor dem Bundeskanzleramt im Vorfeld des globalen Klimastreiks: DIW-Präsident Prof. Marcel Fratzscher (2. v. r.).

Auf der Pressekonferenz vor dem Bundeskanzleramt im Vorfeld des globalen Klimastreiks: DIW-Präsident Prof. Marcel Fratzscher (2. v. r.).

Wie stark die Verunsicherung ist, die vor allem die Jüngeren durch die vielfältigen Krisen auf sich zukommen sehen, haben meine jungen RND-Kolleginnen und -Kollegen in einem umfangreichen Projekt zum Thema gemacht – mit Umfragen, Interviews und Analysen. Angesichts Klimawandel und Krieg, Rechtsruck und Inflation glauben viele zwischen 25 und 35, dass sie es mal schlechter haben werden als ihre Eltern. Die Recherche zeigt aber auch, dass sich Zuversicht trotz Zukunftsangst lohnt.

Krieg, Inflation und Klimawandel lösen Zukunftsängste aus. Doch Zuversicht ist wichtig.

Krieg, Inflation und Klimawandel lösen Zukunftsängste aus. Doch Zuversicht ist wichtig.

Auch heute hat der Klimawandel in Deutschland schon ganz konkrete Veränderungen gebracht. Das vage Gefühl von „Früher war mehr Schnee“ dürften viele kennen. Eine RND-Datenstory macht diese Verschiebungen nun auf einer Europakarte sichtbar: Klick für Klick sieht man, wie sich das Klima in bestimmten Städten bereits verändert hat oder voraussichtlich verändern wird. So hat etwa Karlsruhe heute ein Klima, wie es im südfranzösischen Lyon zwischen 1960 und 1991 war. Und in Bremerhaven ist es so warm und feucht wie Mitte des vorigen Jahrhunderts 400 Kilometer entfernt im südlichen Teil der Niederlande.

Klimawandel auch im „Gemüsegarten Europas“

Was diese klimatischen Verschiebungen neben den Extremwetterlagen für die Ernährungssicherheit auf der Welt bedeuten, das hat in dieser Woche meine Kollegin Laura Beigel beleuchtet. Auch Europa ist davon betroffen, besonders beim Obst- und Gemüseanbau. In Deutschland wird mehr importiert als selbst angebaut: Nur etwa ein Fünftel des Obstbedarfs in Deutschland wird durch heimische Erzeugung gedeckt, beim Gemüse sind es rund zwei Fünftel. Ob Orangen, Wassermelonen, Gurken, Paprika oder Kopfsalat – der Großteil davon stammt aus Südeuropa, vor allem Spanien. Jedoch ist dieser „Gemüsegarten Europas“ immer häufiger von Extremwetter wie Dürre oder Starkregen betroffen.

Nach dem Klimastreik ist also vor dem Klimastreik: Am kommenden Freitag gibt es in Stockholm eine Großkundgebung, aufgerufen hat Greta Thunberg. Dass nicht überall auf der Welt Menschen unbeschadet für Klima und Naturschutz ihre Stimme erheben können, war vergangene Woche schon kurz Thema im Newsletter. Tatsächlich sind nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation im vergangenen Jahr 177 Naturschützer aufgrund ihres Einsatzes ermordet worden. Besonders Indigene in Lateinamerika werden zur Zielscheibe.

Bis zur nächsten Woche

Ihre Andrea Barthélémy

 

Was kann ich tun?

Stattliche 125 Liter Trinkwasser verbraucht ein Mensch in Deutschland pro Tag. 27 Prozent davon werden in der Toilette runtergespült, 12 Prozent zum Wäschewaschen verwendet. Gerade für diese Zwecke Regen- oder Brauchwasser zu nutzen, ist also eine gute Idee, denn so könnten rund 40 Prozent des täglichen Trinkwasserverbrauchs gespart werden. Vor allem beim Neubau von Ein- und Mehrfamilienhäusern macht es Sinn, Alternativen zur kostbaren Ressource Trinkwasser zu nutzen, schreibt meine Kollegin Kristina Auer. Ihr umfangreiches Glossar zum Thema Wasseraufbereitungsanlagen finden Sie hier.

Regenwasser – hier in der Regentonne – kann auch zum Wäschewaschen und zur Toilettenspülung verwendet werden.

Regenwasser – hier in der Regentonne – kann auch zum Wäschewaschen und zur Toilettenspülung verwendet werden.

 

Das macht Hoffnung

Und noch mal zum Thema Wasser: Erfreulicherweise fließt es bei uns aus dem Wasserhahn. Es fließt jedoch nur, weil es von den Wasserwerken durchs Rohrsystem gepumpt wird. Und dazu braucht es Energie: Weltweit wird schätzungsweise ein Zehntel des Stroms für das Pumpen von Gas oder Flüssigkeiten eingesetzt, in der EU sind es sogar 15 Prozent. Eine beachtliche Menge. Forschende aus Österreich haben nun ein mögliches Sparpotenzial entdeckt. Denn wenn Flüssigkeiten oder Gas nicht – wie bisher – stetig gepumpt werden, sondern pulsierend, mit einer Pause zwischen den Pumpstößen, dann ist deutlich weniger Energie nötig. 9 Prozent Einsparung könnten es sein, weil es in den Rohren oder Pipelines zu weniger Verwirbelungen kommt. Vorbild für die pulsierende Pumpe ist das menschliche Herz. Allerdings funktioniert das Prinzip bisher nur auf geraden Strecken. Weitere Forschung ist also nötig.

Forscher Björn Hof hält das menschliche Herz für ein gutes Vorbild für Pumpen.

Forscher Björn Hof hält das menschliche Herz für ein gutes Vorbild für Pumpen.

 

Was diese Woche wichtig war

 

Der Ausblick

Wie verändern wir unser Konsumverhalten durch den Klimawandel? Welche Hürden gibt es, nachhaltige Produkte zu kaufen? Was sind die Sorgen und Meinungen der Menschen zum Thema? Auf diese Fragen will die „TÜV-Sustainability Studie 2023″ am kommenden Mittwoch einige Antworten geben. Es geht dabei um die täglichen Kaufentscheidungen etwa im Supermarkt, aber auch um die energetische Sanierung von Gebäuden.

Regional oder Bio oder was? Welche Rolle spielt der Klimawandel beim Konsumverhalten?

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