20 Flaschen Wodka von Putin und ein Riesenproblem für Meloni
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Silvio Berlusconi, Ex-Ministerpräsident von Italien, hat mit seiner Freundschaft zu Wladimir Putin geprahlt.
© Quelle: Cecilia Fabiano/LaPresse/AP/dpa
Rom. Wären die Worte Silvio Berlusconis nicht aufgezeichnet worden und auf den Onlineausgaben der italienischen Zeitungen abrufbar, würde man sie glatt für Fake News, für eine böswillige Erfindung halten. Aber die Sätze sind genau so gefallen, am Dienstagnachmittag, bei einer Sitzung der Parlamentarier der Berlusconi-Partei Forza Italia im Abgeordnetenhaus: „Ich habe die Beziehungen zu Präsident Putin ein wenig wiederhergestellt, eigentlich sogar sehr“, erklärte Berlusconi auf dem Parteitreffen.
Putin habe ihm zu seinem Geburtstag am 29. September „zwanzig Flaschen Wodka und einen allerliebsten Brief geschickt, und ich habe mit Flaschen Lambrusco und einem ebenso süßen Brief geantwortet.“
Berlusconi der „beste seiner fünf wahren Freunde“
Putin habe ihn, Berlusconi, in dem Brief als „den besten seiner fünf wahren Freunde“ bezeichnet, fügte der vierfache ehemalige Ministerpräsident in der von der Agentur LaPresse veröffentlichten Audiodatei noch an. Die wahrscheinliche künftige Regierungschefin Giorgia Meloni hat die Äußerungen ihres Koalitionspartners Berlusconi nicht kommentiert – es habe ihr vor Entsetzen glatt die Sprache verschlagen, war aus der Zentrale ihrer postfaschistischen Fratelli d‘Italia zu hören.
Seit ihrem Wahlsieg am 25. September bekräftigt Meloni, dass Italien unter der voraussichtlich von ihr geführten neuen Rechtsregierung ein verlässlicher EU- und Nato-Partner bleiben und sowohl an den Sanktionen gegen Moskau als auch an den Waffenlieferungen an Kiew festhalten werde. Genau dies wird sowohl in Brüssel als auch in Washington angezweifelt, zumal nicht nur Berlusconi, sondern auch ihr zweiter Regierungspartner, Matteo Salvini, ein alter Putin-Verehrer ist. Am gleichen Tag, als sich Berlusconi mit den hochprozentigen alkoholischen Liebesgrüßen aus Moskau brüstete, zweifelte der neue Präsident der Abgeordnetenkammer, Lega-Mann Lorenzo Fontana, am Sinn der Sanktionen.
Antonio Tajani, ehemaliger Präsident des EU-Parlaments und enger Vertrauter des 86-jährigen Berlusconi, versuchte eilends zu retten, was nicht mehr zu retten war: Bei der Geschichte mit den Wodkaflaschen handle es sich um eine Episode im Jahr 2008. An der Substanz ändert dies wenig. Berlusconi, der für die neue Regierung aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Parlament unverzichtbar ist, hat einmal mehr seine seine Sympathie für den russischen Diktator bekundet – und das in einem äußerst heiklen Moment: In Rom laufen in diesen Tagen Gespräche über die Regierungsbildung, am Donnerstag wird Staatspräsident Sergio Mattarella mit seinen Konsultationen mit den Parteiführern und Fraktionschef beginnen.
Ob Tajani, der als Außenminister der neuen Regierung gesetzt schien und der in den Kreisen der Europäischen Volkspartei (EVP) als Garant für die proeuropäische und proatlantische Ausrichtung der Regierung Meloni gepriesen wird, nach den Äußerungen seines Parteichefs Berlusconi noch als künftiger Außenminister zu halten ist, wird sich in diesen Tagen weisen.
Zahlreiche Streitpunkte
Berlusconi, der die „Signora Meloni“ letzte Woche als „anmaßend, selbstherrlich, arrogant und beleidigend“ bezeichnet hatte, versetzte die designierte Regierungschefin freilich nicht nur mit seiner Hommage an Putin in Weißglut. Der Ex-Premier, gegen den immer noch vier Strafverfahren laufen, hält auch daran fest, dass das Justizministerium an seine Parteifreundin Maria Elisabetta Alberti Casellati vergeben wird. Denn eventuell, je nach den Entwicklungen an der Justizfront, bräuchte Berlusconi wieder einmal ein maßgeschneidertes Gesetz, und Casellati wäre in dieser Beziehung zweifellos eine gute Besetzung. Meloni will von einer Justizministerin Casellati aber nichts hören – wohl wissend, wie heftig die Kritiken und Polemiken bei einem solchen Personalentscheid ausfallen würden.
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Auch die Finanzmärkte schauten in Sorge auf Italien. Der Euro gab um 1,3 Prozent nach.
© Quelle: Reuters
Und als wäre das alles noch nicht genug, hat der Berlusconi-Senator Maurizio Gasparri am Dienstag auch noch einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der auf die Abschaffung des Rechts auf Abtreibung abzielt. Auch dies kratzt an der Glaubwürdigkeit Melonis, die zwar gesellschaftspolitisch konservative Ideale hat, aber immer versicherte, dass unter ihr am Recht auf Schwangerschaftsabbrüche nicht gerüttelt werde.
Fazit: Am Tag vor den Gesprächen zur Regierungsbildung mit Mattarella war die Spannung unter den Koalitionspartnern so miserabel wie nie und der Argwohn im Ausland gegenüber der künftigen Regierung größer denn je. Der bürgerliche „Corriere della Sera“ fragte sich bereits, „wie viel Schaden da noch angerichtet wird“.