Regierung will Asylrecht verschärfen

„Stoppt die Boote“: Großbritanniens neuer Anti-Asyl-Slogan von Australien abgekupfert

„Stop the boats“ ist der neue Anti-Asyl-Slogan von Sunaks Regierung.

„Stop the boats“ ist der neue Anti-Asyl-Slogan von Sunaks Regierung.

Sydney. „Wir müssen das Geschäftsmodell der Menschenhändler zerstören und die Linke fragen: Was ist IHRE Lösung?“ – Unter diesem Titel argumentierte der frühere australische Außenminister Alexander Downer diese Woche in der britischen „Daily Mail“ für ein hartes Vorgehen gegen Migranten, die versuchen, mit kleinen Booten über den Ärmelkanal nach Großbritannien überzusetzen. Dass Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak mit seinem Slogan „Stoppt die Boote“ auf die australische Rhetorik zurückgegriffen hat, die auch Downer mit geschaffen hat, ist sicherlich kein Zufall.

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Doch der „australische Ansatz“ ist nicht nur Vorbild für Großbritannien. Auch im restlichen Europa argumentieren konservative Stimmen regelmäßig für die restriktive Politik Australiens, wo Bootsflüchtlinge auf Pazifikinseln ausgelagert werden – ohne Hoffnung auf ein Visum in Australien. Denn die Maßnahme erfüllte ihren Zweck: Der Flüchtlingsstrom, der früher versuchte, von Indonesien aus über den Indischen Ozean nach Australien zu gelangen, ist weitgehend versiegt.

Selbst Australien knickt ein

Doch Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen kritisieren die australische Politik seit Langem als inhuman. Denn die Bootsflüchtlinge, die seit Jahren in Lagern weggesperrt sind, leiden unter Angstzuständen, Albträumen, Schlafstörungen und Gefühlen von Apathie und Verzweiflung. In der Vergangenheit ist es in den Lagern bereits zu Aufständen, Selbstmorden, zerstörerischem Verhalten und Vergewaltigung gekommen. Vor allem für Kinder und ihre Entwicklung sind die Konsequenzen meist verheerend. Hinzu kommt, dass die harschen Bedingungen der Lager oft auf Menschen treffen, die in ihren Heimatländern bereits Traumatisches erlebt haben.

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Dass die Politik auf Dauer aus humanitären Gründen nicht tragbar und zudem schlecht für das internationale Image ist, dies ist inzwischen auch in Australien angekommen. Vor allem seit dem Regierungswechsel im Mai von einer liberalkonservativen zu einer sozialdemokratischen Spitze versucht Canberra deswegen einen eher schwierigen Spagat. Inzwischen soll Humanität mit Abschreckung kombiniert werden, wobei man keinesfalls zu einem Szenario mit Bootsflüchtlingen und Schmugglern zurückkehren will. Doch ein Aufweichen der harten Politik ist erkennbar: Schon kurz nach der Wahl ließ die neue Regierung eine tamilische Familie frei, die auf der zu Australien gehörenden Weihnachtsinsel inhaftiert war. Und seit Februar können 19.000 Flüchtlinge, die seit mehr als einem Jahrzehnt auf Akzeptanz warteten, nun einen Antrag auf dauerhaften Aufenthalt in Australien stellen. Flüchtlingsvertreter feierten diese Entscheidung als einen der größten Siege der vergangenen Jahre.

Der neue Beschluss von Rishi Sunaks Regierung sieht vor, dass Flüchtlinge, die mit kleinen Booten im Vereinigten Königreich ankommen, kein Asyl mehr beantragen können. Um sicherzustellen, dass keine Boote unbeobachtet den Kanal überqueren, werden vermehrt Drohnen zur Überwachung eingesetzt.

Der neue Beschluss von Rishi Sunaks Regierung sieht vor, dass Flüchtlinge, die mit kleinen Booten im Vereinigten Königreich ankommen, kein Asyl mehr beantragen können. Um sicherzustellen, dass keine Boote unbeobachtet den Kanal überqueren, werden vermehrt Drohnen zur Überwachung eingesetzt.

Restriktive Politik

Grundsätzlich nimmt Australien durchaus regelmäßig Flüchtlinge auf: 2018-19 wurden laut des Innenministeriums über 18.750 Plätze vergeben, 2019-20 über 13.000 und 2020-21 knapp 6000, nachdem die Pandemie Umsiedlungen erschwerte. Doch seit September 2013 schließt das australische Schutzprogramm all diejenigen aus, die mit dem Boot oder ohne gültiges Visum nach Australien einreisen. Sie haben jede Chance auf ein Leben in Australien rein damit verspielt, indem sie versuchen, per Boot und/oder ohne Visum ins Land zu kommen.

Diese Asylsuchenden schickt Australien – unabhängig davon, ob ihr Asylstatus berechtigt ist oder nicht – auf die Pazifikinsel Nauru, einen winzigen Inselstaat nordöstlich von Australien. An dieser Abmachung will auch die derzeit regierende Labor-Partei nicht rütteln. Der Betrieb des Lagers wurde soeben erneut vom Parlament abgesegnet. Diese „Pazifische Lösung“, wie sich die Politik nennt, geht auf ein Ereignis im August 2001 zurück. Damals reagierte der norwegische Frachter Tampa auf einen Notruf der australischen Behörden und rettete eine Bootsladung mit 433 Asylsuchenden, die in internationalen Gewässern vor der Weihnachtsinsel zu sinken drohten. Es folgte ein tagelanges Tauziehen um die Flüchtlinge, die Australien keinesfalls in seinem Territorium haben wollte. Letztendlich wurden die Menschen nach Nauru gebracht. Später wurde auch mit Papua-Neuguinea ein Abkommen über eine ähnliche Regelung auf der Insel Manus ausgehandelt.

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Scharfe Grenztruppe

Ab 2013 wurden schließlich sämtliche Flüchtlinge, die per Boot ankamen, nach Nauru oder Manus Island geschickt – ohne Chance, jemals nach Australien umgesiedelt zu werden. In den Folgejahren setzte man noch auf zusätzliche Abschreckung: Neben der Abwicklung der Asylanten auf den ausländischen Pazifikinseln wurden die Außengrenzen besonders geschützt und die Australian Border Force – eine Art Grenztruppe – eingerichtet. Was diese genau macht, ist relativ undurchsichtig. Laut des Refugee Council in Australien wurden bisher über 30 Boote abgefangen und zurückgeschickt. Nur ein Boot soll es in den letzten Jahren bis nach Australien geschafft haben. „Wir wissen auch, dass Menschen von sinkenden Schiffen in riesigen unsinkbaren Rettungsbooten zurückgeschickt wurden“, heißt es vonseiten der Flüchtlingsorganisation.

Tatsächlich gelang es mit dieser Politik, den bis dahin konstanten Strom an Bootsflüchtlingen zu stoppen und das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler zu zerschlagen, das nicht selten das Leben der Flüchtlinge aufs Spiel setzte. Die Leidtragenden waren jedoch diejenigen Menschen, die zu diesem Zeitpunkt bereits in den Offshore-Lagern feststeckten. Um für sie nach Jahren der Ungewissheit schließlich doch eine Lösung zu finden, einigte man sich mit den USA und Neuseeland. Seit November 2016 wurden nun immerhin bis zu 1250 Flüchtlinge auf diese Weise umgesiedelt, unter ihnen auch der kurdisch-iranische Journalist Behrouz Boochani. Boochani hatte nach der Flucht aus seiner Heimat über sechs Jahre Australiens harsche Asylpolitik zu spüren bekommen. Er verbrachte die meiste Zeit im Auffanglager auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus, wo er Zeuge etlicher Grausamkeiten und Menschenrechtsverletzungen wurde, die er über Jahre via Twitter und später in Artikeln und in einem Buch dokumentierte. Boochani, der heute als freier Mann in Neuseeland lebt, ist nach wie vor ein lautstarker Kritiker des australischen Ansatzes, der dank Rishi Sunaks Regierung nun wohl teilweise auch nach Europa überschwappen wird.

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