Rechtsextreme legen bei Umfragen zu

Wahlkampf aus der Zelle: Griechenlands Neonazis wollen zurück ins Parlament

Ilias Kasidiaris bei einer Wahlkampfveranstaltung im Jahr 2016.

Ilias Kasidiaris bei einer Wahlkampfveranstaltung im Jahr 2016.

Athen. Ilias Kasidiaris, ehemaliger Abgeordneter der griechischen Neonazi-Partei Goldene Morgenröte, sitzt in einer Zelle der Haftanstalt Domokos. Im Oktober 2020 verurteilte ihn ein Gericht wegen Anführung einer kriminellen Vereinigung zu 13 Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Aber seine politischen Ambitionen hat der 42-Jährige nicht aufgegeben. Aus der Zelle macht er Wahlkampf für seine neu gegründete Nationale Partei Griechen. Umfragen zeigen: Bei der Parlamentswahl im Frühjahr könnten die Rechtsextremisten die Rückkehr ins Parlament schaffen. Die konservative Regierung sucht nach Wegen, das zu verhindern.

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Die Goldene Morgenröte war der Überraschungsgewinner der griechischen Parlamentswahlen von 2012. Von 0,3 Prozent drei Jahre zuvor schnellte sie auf einen Stimmenanteil von 7 Prozent und eroberte 21 der 300 Mandate im Parlament am Athener Syntagmaplatz. Ihren Erfolg verdankte die Partei der damaligen Finanzkrise: Das Spardiktat der ausländischen Kreditgeber, die Rezession, explodierende Arbeitslosenzahlen und die Migration trieben den Neonazis viele Wählerinnen und Wähler in die Arme.

Goldene Morgenröte als kriminelle Vereinigung verboten

Seit 2020 ist die Partei Geschichte. Die Goldene Morgenröte wurde als kriminelle Vereinigung verboten, ihre führenden Köpfe verbüßen langjährige Haftstrafen. Aber der frühere Chefideologe Kasidiaris arbeitet an einem Comeback. Wenige Monate vor seiner Verurteilung gründete er im Juni 2020 die Nachfolgeorganisation Griechen für das Vaterland, die sich inzwischen Nationale Partei Griechen nennt.

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Über einen Youtube-Kanal macht Kasidiaris jetzt Wahlkampf. Geschickt montieren seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter telefonische Botschaften des Parteigründers aus der Haft mit älteren Videos von Kundgebungen und Parlamentsreden. So scheint es für oberflächliche Zuschauerinnen und Zuschauer, als spreche Kasidiaris bereits wieder im Plenarsaal. Vor einem Monat hatte Kasidiaris für seinen Kanal 116.000 Abonnenten, aktuell sind es bereits 122.000.

Ilias Kasidiaris wird im Oktober 2020 nach seiner Verurteilung ins Gefängnis gebracht.

Ilias Kasidiaris wird im Oktober 2020 nach seiner Verurteilung ins Gefängnis gebracht.

Politologinnen und Politologen stellen fest, dass Kasidiaris, dessen linken Oberarm eine große Hakenkreuztätowierung schmückt, jetzt neonazistische Thesen meidet und sich für breitere Wählerschichten der nationalistischen Rechten zu öffnen versucht. Im Kern sei die Partei aber eine Nachfolgeorganisation der Goldenen Morgenröte, so die Politikwissenschaftlerin Vasiliki Tsagroni.

In Meinungsumfragen vom Dezember kommt die Kasidiaris-Partei auf 2,7 Prozent. Damit nähert sie sich der Dreiprozenthürde, die Parteien in Griechenland zum Einzug ins Parlament überspringen müssen. In einigen Gegenden Nordgriechenlands sehen Meinungsforschende die Neonazis sogar bei 5 Prozent. Das Stimmenpotenzial könnte in Wirklichkeit noch größer sein, sagen Demoskopen, weil Anhängerinnen und Anhänger rechtsextremer Parteien in Umfragen häufig ihre Wahlabsichten verschweigen.

Ein Strohmann mit identischem Namen

Die Regierung will den Wiederaufstieg der Neonazis stoppen. Die Politik müsse dafür „die Möglichkeiten ausschöpfen, die die Verfassung bietet“, sagt der konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Er will in den nächsten Tagen dem Parlament eine Gesetzesänderung vorlegen. Sie soll ein Verbot von Parteien ermöglichen, die Nachfolgeorganisationen krimineller Vereinigungen sind oder von Personen geführt werden, die wegen Verbrechen gegen die demokratische Grundordnung verurteilt wurden.

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Die 1975 nach dem Sturz der Obristenjunta verabschiedete griechische Verfassung setzt allerdings für Parteienverbote hohe Hürden. Sie zieht damit die Konsequenzen aus dem KPD-Verbot in den 1950er- und 60er-Jahren sowie der Militärdiktatur. Entscheiden müsste über ein Verbot in jedem Fall der Areopag, Griechenlands Oberster Gerichtshof. Ein solches Verbotsverfahren würde eingehende Prüfungen erfordern. Es ist deshalb fraglich, ob eine Teilnahme der Kasidiaris-Partei an den nächsten Wahlen, die voraussichtlich im April stattfinden werden, verhindert werden kann.

Kasidiaris selbst habe für den Fall, dass er die Parteiführung abgeben müsste, bereits vorgesorgt, berichten Insider. Einer seiner Cousins könnte dann pro forma den Parteivorsitz übernehmen. Der Name des Strohmanns: Ilias Kasidiaris.

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