Newsletter „Hauptstadt-Radar“

Gestern Heißer Herbst, heute Lützerath: die Protestprofis von der Linken

Die Linken-Chefin Janine Wissler bei einem Besuch am 10.01.2023 in Lützerath.

Die Linken-Chefin Janine Wissler bei einem Besuch am 10. Januar 2023 in Lützerath.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

die Vorsitzende der Linken hat sich in der vorigen Woche nach Lützerath begeben. Janine Wissler mischte sich für einen Tag und eine Nacht unter die Demonstranten und erklärte ihre Partei zum „politischen Partner der Klimaschutzbewegung“. Man darf der 41-Jährigen abnehmen, dass ihr die Sache persönlich ernst und wichtig ist. Für die Linke insgesamt trifft das allerdings bestenfalls bedingt zu.

Der linke Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Klimaschutz und Energie, Klaus Ernst, gilt als Freund der Autoindustrie – und im Zweifel auch der Kohle. Seine Berufung auf den Posten war deshalb intern sehr umstritten. Doch die Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali drückten sie durch. Dahinter steckten nicht zuletzt parteistrategische Überlegungen und Rücksicht auf den Flügel um die einstige Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Viele in der Linken sind nämlich der Meinung, dass die Partei nicht die Grünen imitieren, sondern sich vielmehr entschieden von ihnen abgrenzen und dabei vorwiegend um soziale Gerechtigkeit kümmern sollte.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Spotify Ltd., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Hinzu kommt, dass der Ostbeauftragte der Bundestagsfraktion, Sören Pellmann, ein ganz anderes Thema auf die Tagesordnung gesetzt hatte: die steigenden Energiepreise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Pellmann, ein Wagenknecht-Intimus aus Leipzig, rief einen „Heißen Herbst“ und „Montagsdemonstrationen“ aus. Davon wiederum wollten andere Linke wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow nichts wissen. Sie warnten vor einer zu großen Nähe zu rechtsextremen Kräften wie der AfD, die das Gleiche vorhatten.

In Leipzig gibt es inzwischen mehrere Montagsdemonstrationen. Der radikale Teil, unterstützt von den rechtsextremen „Freien Sachsen“, zog auch am 9. Januar 2023 über den Innenstadtring.

Leipziger Montagsdemonstration vom 9. Januar 2023: Einige Linke wollten das Thema „Steigende Energiepreise“ besetzen, das auch Rechtsradikale für sich entdeckt haben.

Der „Heiße Herbst“ fiel dann in sich zusammen wie ein Soufflé, weil die Energiepreise zwar weiterhin hoch sind, aber nicht explodieren und teilweise sogar zurückgehen. Die im Raum stehende Frage, welcher Bewegung sich die Linke nun anschließen könnte, hat Wissler umso entschlossener beantwortet: der Klimaschutzbewegung. Sie wandelt damit auf den Spuren der ehemaligen Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger.

Tatsächlich tut sich hier womöglich ein Fenster der Gelegenheit auf. Denn zwischen Fridays for Future und der Letzten Generation auf der einen und den Grünen auf der anderen Seite wird mehr und mehr Entfremdung spürbar. Die Debatte um den Weiler Lützerath, der jetzt unter der Hoheit einer schwarz-grünen nordrhein-westfälischen Landesregierung und mit zähneknirschender Billigung von Klimaschutzminister Robert Habeck abgebaggert wird, zeigt das deutlich. Den überwiegend jungen Demonstranten ist die Ökopartei längst nicht mehr radikal genug. In die Lücke will die Linke stoßen. Der Klimawandel wird schließlich bleiben und sich weiter verschärfen. Verschwinden wird er gewiss nicht.

Am Ende macht es die Linke ein bisschen so, wie es Unternehmen im von ihr beklagten Kapitalismus machen: Sie schafft im Protestgewerbe ein Angebot, wo sie eine Nachfrage sieht. Was für eine Nachfrage das ist, scheint bisweilen zweitrangig.

 

Bittere Wahrheit

Hans-Peter Bartels war von 2015 bis 2020 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages.

Hans-Peter Bartels war von 2015 bis 2020 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Ein bisschen Liebe zur Bundeswehr gehört auch dazu.“

Hans-Peter Bartels

ehemaliger Wehrbeauftragter des Bundestages, zu den Anforderungen an eine Verteidigungsministerin

Die scheidende Verteidigungsministerin Christine Lambrecht war nicht die Richtige auf dem Posten; da sind sich alle einig. Der Sozialdemokratin fehlte es unter anderem an echtem Interesse für die Bundeswehr. Ihr Parteifreund Hans-Peter Bartels, einst Wehrbeauftragter des Bundestages, hat nun ein paar Voraussetzungen definiert, die der Nachfolger Boris Pistorius erfüllen müsse. Dabei sprach er nicht von Interesse an, sondern von „Liebe“ zu den Streitkräften. Auch wenn diese Streitkräfte aus vermeintlich harten Soldatinnen und Soldaten besteht: Bartels hat recht. Das eine bedingt das andere. Immerhin hat Pistorius Anfanger der 1980er Jahre seinen Wehrdienst geleistet.

 

Wie das Ausland auf die Lage schaut

Die rechtsliberale dänische Tageszeitung „Jyllands-Posten“ (Aarhus) kommentiert die Räumung des Braunkohleortes Lützerath:

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Ja, wir müssen alles tun, um die Klimakrise und die grüne Umstellung zu bewältigen. Aber nein, wir wollen nicht frieren, und die hochmoderne Gesellschaft muss dafür die notwendige Energieversorgung sichern. Nirgendwo wird dieses grundlegende Dilemma deutlicher zur Schau gestellt als in diesen Tagen in Lützerath. Das verlassene Dorf westlich von Köln ist zum großen Symbol dafür geworden, was Aktivisten als Heuchelei im Klimakampf betrachten. Dass das Dilemma in Deutschland besonders groß ist, ist jedem klar – es ist besonders abhängig von russischer Energie gewesen. Die Misere wird dadurch nicht kleiner, dass es die Grünen sind, die den Spagat zwischen Vision und Wirklichkeit schaffen müssen. Doch das Dilemma zwischen Klimakampf und Wärme im Heizkörper ist ein gemeinsames europäisches.“

Ein Panzer vom Typ Leopard 2 während der internationalen Militärübung «Allied Spirit 2022» auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Hohenfels.

Ein Panzer vom Typ Leopard 2 während der internationalen Militärübung «Allied Spirit 2022» auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Hohenfels.

Die belgische Zeitung „De Tijd“ kommentiert Forderungen nach Leopard-Panzern für die Ukraine:

„In Deutschland ist die Diskussion über die Lieferung von Leopard-Panzern politisch brisant. Deutschland sollte andere Länder nicht daran hindern, die Ukraine zu unterstützen, erklärt der grüne Vizekanzler Robert Habeck. Auch der liberale Koalitionspartner ist dafür, dass Drittstaaten deutsche Waffen liefern können.

Doch der größte Koalitionspartner, die Sozialdemokraten von Bundeskanzler Olaf Scholz, tritt auf die Bremse. Scholz befürchtet, dass die Lieferung von Panzern den Konflikt eskalieren und Westeuropa direkt in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine hineinziehen wird. Und das will er um jeden Preis vermeiden.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das ukrainische Militär will 300 westliche Panzer, um in diesem Konflikt im Vorteil zu bleiben. Doch die sind nicht ohne Weiteres verfügbar, ganz zu schweigen von ukrainischem Militärpersonal, das über Nacht in der Lage sein müsste, damit umzugehen. Der Kampf geht also unweigerlich in ein zweites Jahr. Ein Ende des Krieges ist derzeit nicht in Sicht, ebenso wenig wie das Ende der Eskalation.“

 

Das ist auch noch lesenswert

Kommentar zum Lambrecht-Rücktritt: die falsche Frau am falschen Platz

Was Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) denkt

Wie Gregor Gysi an seinem 75. Geburtstag so drauf ist

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
 

Das „Hauptstadt-Radar“ zum Hören

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von GetPodcast, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Donnerstag wieder. Dann berichtet meine Kollegin Eva Quadbeck. Bis dahin!

Herzlich

Ihr Markus Decker

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Sie möchten uns Ihre Meinung zu den aktuellen Themen und Diskussionen in diesem Newsletter mitteilen? Oder möchten Sie Lob, Kritik und Anregungen mit uns teilen? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an hauptstadt-radar@rnd.de. Wir freuen uns auf Ihre Nachrichten. Wenn Sie keine Veröffentlichung wünschen, teilen Sie uns dies bitte in Ihrer E-Mail mit.

Abonnieren Sie auch

Der Tag: Das Nachrichten-Briefing vom RedaktionsNetzwerk Deutschland. Jeden Morgen um 7 Uhr.

Unbezahlbar: Wertvolle Tipps und Hintergründe rund ums Geld – immer mittwochs.

Klima-Check: Erhalten Sie die wichtigsten News und Hintergründe rund um den Klimawandel – jeden Freitag neu.

Das Leben und wir: Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie – jeden zweiten Donnerstag.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

What's up, America? Der USA-Newsletter liefert Hintergründe zu den Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Kultur - jeden zweiten Dienstag.

Das Stream-Team: Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. – jeden Monat neu.

Mit RND.de, dem mobilen Nachrichtenangebot des Redaktions­Netzwerks Deutschland, dem mehr als 60 regionale Medienhäuser als Partner angehören, halten wir Sie immer auf dem neuesten Stand, geben Orientierung und ordnen komplexe Sachverhalte ein – mit einem Korrespondenten­Netzwerk in Deutschland und der Welt sowie Digitalexperten aller Bereiche.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken