Kommentar

Gefährliche Mission der EU in Kiew

Wolodymyr Selenskyj (rechts), Präsident der Ukraine, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, nehmen am EU-Ukraine-Gipfel teil.

Wolodymyr Selenskyj (rechts), Präsident der Ukraine, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, nehmen am EU-Ukraine-Gipfel teil.

Manchmal ist die Europäische Union besser als ihr Ruf. Die Kommissare einschließlich ihrer Präsidentin von der Leyen, die sich an diesem Freitag zu einem kleinen EU-Gipfel in Kiew treffen, setzen ein starkes Zeichen. Sie demonstrieren mit ihrer Anwesenheit, dass sie die Ukraine als Teil der europäischen Wertegemeinschaft sehen. Einer Gemeinschaft, die gemeinsam ihre Werte gegen das autokratische Russland verteidigt.

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Dieses Treffen ist mutig und ein wichtiges Zeichen der Solidarität der EU mit der Ukraine. Dieses Treffen gehört dennoch in die Kategorie Symbolpolitik. Immerhin ist es eine Politik starker Symbole.

Bedauerlich ist, dass die Europäische Union sich nicht in der Lage befindet, in der sie die Ukraine tatsächlich in ihre Gemeinschaft aufnehmen könnte. Seit 20 Jahren liegen in Brüssel unerledigte Hausaufgaben herum, was den Umgang mit Osteuropa angeht. Den Staaten des Westbalkans verspricht die Gemeinschaft der 27 seit zwei Jahrzehnten die Aufnahme, ohne dass es substanzielle Fortschritte gegeben hätte. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat insbesondere Kanzler Olaf Scholz den Faden wieder aufgenommen, um eine Annäherung der enttäuschten Osteuropäer an Russland zu verhindern. Die EU wird den Westbalkan nicht erneut übergehen können, wenn sie der Ukraine den Beitritt eröffnen will.

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In das Kapitel unerledigte Hausaufgaben gehört auch das immer noch geltende Einstimmigkeitsprinzip bei wegweisenden Entscheidungen. Das ist eigentlich schon bei 27 Mitgliedern nicht mehr durchzuhalten, wie die langwierigen Streits auf Brüsseler Parkett immer wieder belegen.

Die höchste Hürde für eine Aufnahme der Ukraine in die EU bleibt, dass die Staatengemeinschaft von einer eigenen Verteidigungsfähigkeit Lichtjahre entfernt ist. Europas einziger wirksamer Schutz ist die Nato. Ohne die Waffenlieferungen und finanziellen Hilfen aus den USA könnten sich die EU-Spitzen an diesem Freitag wahrscheinlich gar nicht in Kiew treffen.

Keine falschen Hoffnungen wecken

So ist die Mission der EU-Kommissare in zweifacher Hinsicht gefährlich. Durch ihren offen angekündigten Besuch setzen sie sich der besonderen Gefahr durch die russischen Angriffe aus. Zugleich drohen die EU-Vertreterinnen und Vertreter Erwartungen zu wecken, die sie nicht erfüllen können. Ein schneller Beitritt ist nach den Regeln der EU ohnehin nicht denkbar.

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Ein Land, das einem Angriffskrieg ausgesetzt ist, kann eigentlich nicht aufgenommen werden. Die EU hat zwar nicht so klare Mechanismen wie das Verteidigungsbündnis Nato, wonach der Angriff auf ein Mitglied wie der Angriff auf alle Mitglieder betrachtet werden muss. Der EU-Vertrag legt aber sehr wohl eine Beistandspflicht fest, wonach im Fall eines bewaffneten Angriffs auf ein Mitgliedsland, „die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“ schuldeten. Auch wenn die Art der Hilfe und Unterstützung nicht genauer definiert ist, könnte die EU damit sehr schnell selbst zur Kriegspartei werden.

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Die Erfahrung aus dem ständigen Konflikt zwischen Zypern und der Türkei lehrt die EU zudem, dass sie keine Länder mit ungeklärten Außengrenzen aufnehmen sollte.

Die Menschen brauchen warme Wohnungen statt warmer Worte

Kurzum: Die EU-Spitzen sollten an diesem Freitag unbedingt so ehrlich sein, dass sie ihr Treffen als das darstellen, was es ist: ein starker symbolischer Akt. Statt falsche Erwartungen an einen EU-Beitritt zu wecken, wäre es nur fair, wenn sich die EU dazu aufraffen könnte, die finanziellen und humanitären Hilfen für die ausgebombten Ukrainerinnen und Ukrainer noch einmal aufzustocken. Die Menschen in Cherson und anderen Städten brauchen warme Wohnungen statt warmer Worte – mehr denn je benötigen sie alle Mittel zum Heizen und Finanzhilfen für den Wiederaufbau der Infrastruktur.

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