„Hat eine lange Tradition“: Städte und Gemeinden gegen ein Böllerverbot
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In Deutschland wird über ein allgemeines Böllerverbot an Silvester diskutiert.
© Quelle: Tobias Kleinschmidt/dpa
Berlin. Anderthalb Wochen vor dem letzten Tag des Jahres hat die Debatte über das Verbot von Silvesterfeuerwerk noch einmal Fahrt aufgenommen. Während sich beispielsweise Humanmediziner, Tier- und Umweltschützer für ein generelles Verbot aussprechen, sind die kommunalen Spitzenverbände dagegen und plädieren stattdessen für „Appelle an die Vernunft“.
„Ein generelles Verbot von Silvesterfeuerwerk ist aus Sicht der Städte nicht notwendig“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wir haben allerdings beim Bund angeregt, Tier- und Naturschutz stärker in der Sprengstoffverordnung zu verankern. Tierparks, Tierheime sowie Natur- und Landschaftsschutzgebiete müssen in den Katalog der Orte aufgenommen werden, in deren Nähe das Abbrennen von Pyrotechnik verboten ist.“
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Wie Dedy weiter sagte, gebe es gute Gründe, auf Feuerwerk zu verzichten, wie etwa weniger Lärm und Feinstaub, mehr Ruhe für Tiere und Anwohner, weniger Unfälle und weniger Müll. „Vorschreiben können und wollen wir das aber nicht“, betonte Dedy. „Die bestehenden Regeln haben sich bewährt und werden auch von den Menschen akzeptiert“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags.
Auch beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) hält man nichts von einem generellen Verbot. „Das neue Jahr mit Feuerwerk zu begrüßen hat eine lange Tradition in Deutschland“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem RND. „Diese Tradition sollte man nicht zwingend durch generelle Verbote infrage stellen, zumal solche Verbote kaum flächendeckend kontrolliert werden können.“
Landsberg verwies darauf, dass es seit vielen Jahren in den Kommunen örtlich begrenzte Böllerverbote gäbe, zum Beispiel in der Nähe besonders gefährdeter Bauten, in historischen Stadtkernen oder vor Krankenhäusern.
„Wir plädieren dafür, die Entscheidung vor Ort in den Kommunen treffen zu lassen und an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger zu appellieren“, sagte Landsberg. Es sei auch zu bedenken, dass gerade in Krisenzeiten viele Menschen an Silvester feiern möchten, um einen Moment ihre Sorgen zu vergessen. „Nicht Verbote, sondern Überzeugungen sind der richtige Weg“, so der DStGB-Hauptgeschäftsführer.
Jedes Silvester Tausende Innenohrverletzungen
Am Wochenende hatte sich der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, für ein dauerhaftes Böllerverbot ausgesprochen. „Die „ungeregelte Knallerei“ passe nicht mehr in die Zeit, sagte Reinhardt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Sie ist schlecht für Umwelt und Klima und führt immer wieder zu schweren Verletzungen.“ So würden jedes Jahr rund 8000 Menschen bundesweit eine Verletzung des Innenohres durch explodierende Knaller erleiden.
Obwohl ich den Reiz eines Feuerwerks gut verstehe, denke ich, dass wir uns Verletzungen durch Böller zurzeit einfach nicht erlauben können und auch grundsätzlich besser sparen sollten.
Janosch Dahmen,
gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht sich für ein Feuerwerksverbot aus. „Umfragen zeigen, dass die Menschen ein Gespür für die vielfältigen Risiken privaten Feuerwerks entwickelt haben“, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke dem RND. „Abgesehen von der Umweltbelastung, den unnötigen Müllbergen auf den Neujahrsstraßen und überlasteten Notfallambulanzen haben wir jedoch vor allem die Sicherheit unserer Kolleginnen und Kollegen im Blick“, sagte Kopelke.
Angesichts der dramatischen Situation vieler deutscher Kliniken warnen auch FDP und Grüne im Bundestag vor einer weiteren Belastung durch Silvesterböller. „Obwohl ich den Reiz eines Feuerwerks gut verstehe, denke ich, dass wir uns Verletzungen durch Böller zurzeit einfach nicht erlauben können und auch grundsätzlich besser sparen sollten“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Janosch Dahmen, der „Welt“.
Kritik wird lauter: Das Böllern an Silvester kehrt zurück
Nach zwei Jahren ohne Raketen- und Böllerverkauf wird Silvester in diesem Jahr voraussichtlich wieder lauter und bunter.
© Quelle: dpa
Eine explizite Forderung nach einem Verbot des Verkaufs und privaten Gebrauchs von Feuerwerkskörpern zu Silvester erhob Dahmen aber nicht. Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, hält ein generelles Böllerverbot für „nicht zweckmäßig“.
Feuerwerk ist Tradition
Beim Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) ist man optimistisch, dass nach zwei Jahren coronabedingtem Feuerwerksausfall in diesem Jahr wieder traditionell Silvester gefeiert wird. „Wir finden es nach wie vor zeitgemäß, dass man den Jahreswechsel auch mit einem zünftigen Silvesterfeuerwerk begeht“, sagte VPI-Geschäftsführer Klaus Gotzen dem RND.
Das Feuerwerk sei eine schöne Tradition, die die Menschen begeistert, sagte Gotzen und gab sich optimistisch für das Geschäft in diesem Jahr. Die 23 VPI-Mitgliedsunternehmen generieren 90 Prozent ihres Jahresumsatzes in den letzten drei Tagen des Jahres. Ohne staatliche Überbrückungshilfen und private Finanzgeber hätten die Firmen den Umsatzausfall der letzten beiden Corona-Jahre wohl kaum überlebt, erläuterte Gotzen.
„Jetzt hoffen wir, dass die Freude der Menschen am Feuerwerk wieder zurückkehrt und das Geschäft wieder anspringt“, sagte der VIP-Geschäftsführer.
Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. (BVPK) betont, dass die Möglichkeit, „einmal im Jahr die Funken sprühen zu lassen“, für viele Menschen „eine ganz besondere Faszination“ birgt. „Dass die Leute um Mitternacht auf die Straße treten, um das neue Jahr mit Feuerwerk zu begrüßen, hat gute Gründe: Feuerwerk markiert seit jeher einen kurzen Moment der Ausnahme und des Besonderen“, sagte BVPK-Vorstand Ingo Schubert dem RND.
„Die Anzahl an Verletzungen in der Silvesternacht, die auf Feuerwerk zurückgehen, sind äußerst gering“, sagte Schubert. Auch aus dem Gesundheitssektor sei immer wieder zu hören, dass übermäßiger Konsum von Alkohol und Drogen sowie daraus resultierende Konflikte die Notaufnahmen füllen würden, nicht das Feuerwerk, so Schubert.
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Zudem sei in den letzten zwei Jahren durch Verkaufsverbote der illegale Handel mit Feuerwerkskörpern zu einem lukrativen Geschäftsfeld geworden. Davon zeugen Rekordmengen beschlagnahmten Feuerwerks in den letzten beiden Jahren.
Forderungen nach Feuerwerksverboten nannte Schubert „umweltpolitische Nebelkerzen“, mit denen vom Versagen in den zentralen Bereichen des Klimaschutzes abgelenkt werden solle.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes gehört die Feinstaubbelastung in den ersten Stunden der Neujahrsnacht üblicherweise zur höchsten im ganzen Jahr, insbesondere in Ballungsräumen und Städten. Durch das Silvesterfeuerwerk werden pro Jahr rund 2050 Tonnen Feinstaub freigesetzt, was knapp einem Prozent der jährlichen Gesamtemission entspricht.