Kommentar

Warum schlechte „Waschlappen“-Tipps nicht zielführend sind

Selten so im Fokus wie in diesen Tagen: der Waschlappen.

Selten so im Fokus wie in diesen Tagen: der Waschlappen.

Winfried Kretschmann ist 74 Jahre alt und hat andere Zeiten erlebt. Da wundert es nicht, dass Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident angesichts von Energieknappheit und steigenden Preisen für Gas und Strom findet, dass man nicht dauernd duschen müsse, und überdies zu Protokoll gibt: „Auch der Waschlappen ist eine brauchbare Erfindung.“ Bereits vor Wochen hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ja gesagt, dass sich seine ohnehin kurze Duschzeit noch einmal verkürzt habe.

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Allerdings geht zumindest der „Waschlappen“-Tipp nun den entscheidenden Schritt zu weit. Zur Bewältigung der Energiekrise gehört gewiss auch das Sparen. Darauf können und müssen Politiker und Politikerinnen hinweisen. Sie sollten es aber in allgemeiner Form tun und beachten, dass sie in einer materiell grundsätzlich viel besseren Lage sind als die meisten Bürger und Bürgerinnen. Details zur Ausführung der Körperpflege wirken nicht nur wie Bevormundung, sondern sind es. Abgesehen davon ist das Hygienebewusstsein heute ein anderes als in jener Nachkriegszeit, in der der schwäbische Regierungschef aufwuchs. Duschen ist Standard und geht auch sehr kurz.

Bitte keine sachdienlichen Hinweise

Die Botschaft, dass es fortan zu haushalten gilt, ist ohnehin angekommen. Und da, wo der Groschen noch nicht fiel, da wird er nicht mehr fallen. Also: Bitte keine sachdienlichen Hinweise an die Bevölkerung!

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Diese verbieten sich nicht zuletzt, weil die Ampelkoalition ihren Pflichten nicht nachkommt. Zwar gab es zwei Entlastungspakete, über ein drittes wird beraten. Doch das Gesamtbild bleibt verquer. Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt fallen weg. Die Energiepreispauschale von 300 Euro ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Und der Plan von Finanzminister Christian Lindner zum Kampf gegen die kalte Progression entlastet Bezieher höherer Einkommen absolut mehr, obwohl die das Geld gar nicht benötigen. Die Gasumlage wirkt derweil völlig unausgegoren. Die Mehrwertsteuersenkung auf Gas wiederum konterkariert die Absicht, Energie zu sparen.

Regierung muss sich am Riemen reißen!

Dass 78 Prozent der Bürger und Bürgerinnen laut einer Umfrage sagen, sie blickten „da nicht mehr durch“, kann niemanden verwundern. Dabei ist das Chaos programmiert. Denn die Entlastungen müssten gerecht, angesichts des radikalisierten Klimawandels ökologisch sinnvoll, wirtschaftsschonend und einfach sein.

Gerecht würde in diesem Fall heißen: Beziehende von Sozialleistungen und die untere Mittelschicht bekommen kräftige Unterstützung, die anderen bekommen eher nichts. Doch darüber, was gerecht und ökologisch sinnvoll ist, gehen die Meinungen in der Ampelkoalition auseinander. Zugleich steigen die Preise weiter – und mit ihnen das Bedrohungsfühl in der Gesellschaft. Die Regierung muss sich deshalb am Riemen reißen!

Wenn am Ende schlechte „Waschlappen“-Tipps auf anhaltend schlechte Politik treffen, dann nämlich könnte es einen Herbst geben, der sich gewaschen hat.

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