Skandal in Brüssel

Bundesregierung besorgt über Korruptionsvorwürfe gegen EU-Abgeordnete

Das Reichstagsgebäude und die Kuppel, der Sitz des Deutschen Bundestages mit seinen 709 Abgeordneten.

Das Drama in Brüssel wird auch in Berlin besprochen.

Die Bundesregierung hat sich besorgt über die Berichte zu mutmaßlichen Korruptionsvorgängen im Brüsseler EU-Parlament geäußert. „Der Bundeskanzler hat die Berichte natürlich zur Kenntnis genommen mit dem erwartbaren Entsetzen, dass so etwas offenbar möglich ist“, sagte am Montag Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Zugleich betonte er, dass es „keine Vorverurteilungen“ geben sollte. „Jetzt müssen wir die weiteren Ermittlungen und Entwicklungen abwarten“, erklärte Hebestreit. Sollten sich die Berichte bestätigen, sei das „ein sehr ernster Vorgang, der allerdings dann auch auf Ebene des Europaparlaments zu diskutieren ist und nicht von einzelnen Nationalstaaten“, fügte der Regierungssprecher hinzu.

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Hintergrund ist einer der größten Korruptionsskandale in der Geschichte des EU-Parlaments. Es geht um Ermittlungen wegen mutmaßlicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fußball-Weltmeisterschaft. Am Freitag gab es deswegen mindestens 16 Durchsuchungen und über das Wochenende sechs Festnahmen.

Nur die Spitze des Eisbergs?

Spekulationen darüber, ob die Ereignisse in Brüssel womöglich auch ähnliche Vorgänge im Deutschen Bundestag oder in einem deutschen Landesparlament nahelegen könnten, erteilte Hebestreit eine Absage. „Da würde ich sagen Nein, das würde mich doch sehr überraschen und wundern.“ Gleichzeitig wies er darauf hin, dass es in einem solchen Fall nicht Sache der Bundesregierung, sondern Sache des Parlaments und der zuständigen Staatsanwaltschaften wäre, sich damit zu befassen.

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Der Linken-Europapolitiker Martin Schirdewan rechnet mit einer Ausweitung des Korruptionsskandals im Europäischen Parlament. „Ich befürchte, dass wir bislang erst die Spitze des Eisbergs zu sehen bekommen haben“, sagte der Chef der deutschen Linkspartei am Montag in Berlin. Er forderte unter anderem einen Untersuchungsausschuss und ein Verbot von Parteispenden aus Drittstaaten.

Vertrauensverlust programmiert

Schirdewan bezeichnete die Vorwürfe gegen die in Belgien festgenommene griechische Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili und andere Beschuldigte als „eine große Bombe“. Vor allem die Sozialdemokraten im Parlament, zu deren Fraktion die 44-jährige Kaili gehörte, müssten zur Aufklärung beitragen.

Das Vertrauen in die europäische Demokratie sei in Gefahr, sagte Schirdewan weiter. „Es sind unvorstellbare Summen geflossen, die Zahlen sind bekannt.“ Darin zeige sich mitten in der Krise die Abgehobenheit einiger Abgeordneter. Da Zuwendungen aus dem Golfemirat Katar im Raum stünden, müssten Visaerleichterungen für das Land ausgesetzt werden.

Korruptionsfall im Europäischen Parlament sorgt für Ruf nach Konsequenzen
ARCHIV - 31.01.2020, Frankreich, Straßburg: Die Flaggen der europäischen Mitgliedsstaaten wehen vor dem Gebäude des Europäischen Parlaments in Strasbourg. Das EU-Parlament steht im Fokus umfangreicher Korruptionsermittlungen belgischer Ermittler. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Am Freitag waren sechs Verdächtige von belgischen Behörden nach übereinstimmenden Medienberichten festgenommen worden.

Detaillierte Aufklärung nötig

Auch müssten solche Drittländer – also Länder außerhalb der Europäischen Union – ins Lobbyregister aufgenommen werden, Treffen mit deren Repräsentanten müssten registriert werden. „Ich verstehe überhaupt gar nicht, wie man so dämlich sein kann, ehrlich gesagt, solche Treffen überhaupt zu machen“, sagte Schirdewan. „Ich habe alle Anfragen, die mich aus Katar erreicht haben, natürlich immer abgelehnt.“

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Auch Grünen-Chef Omid Nouripour hat sich besorgt gezeigt. Er sprach am Montag in Berlin nach Beratungen der Parteigremien von einem „handfesten Skandal“, der am Vertrauen der Menschen in Deutschland und in Europa an den Institutionen rüttle. „Das ist alles andere als aushaltbar.“ Deshalb sei es dringend notwendig, dass „gründlichst aufgeklärt“ werde, sagte Nouripour: „Und zwar nicht nur, wer hat wie viel Geld wofür bekommen, sondern wer hat wieviel Geld wofür bezahlt?“ Daher brauche es einen Untersuchungsausschuss im EU-Parlament. „Es ist offensichtlich, dass da sehr viel im Argen liegt und dass die Aufklärung noch gar nicht zu Ende ist.“

Im Zuge von Ermittlungen zu einer möglichen Einflussnahme Katars auf Politiker waren am Freitag die griechische EU-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili und mehrere Parlamentsmitarbeiter festgenommen worden. Kaili steht unter Verdacht, dass sie Geld kassiert hat, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. So wird derzeit beispielsweise auf EU-Ebene in Erwägung gezogen, die Visa-Regeln für Staatsbürger von Katar zu erleichtern.

RND/dpa

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