Mögliche Koalitionen

Berlin-Wahl: CDU siegt und erhebt Regierungsanspruch – SPD, Grüne und Linke könnten Pläne durchkreuzen

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner (v.l), Moderatorin Bettina Schausten, SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey und Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch stehen im ZDF-Wahlstudio im Abgeordnetenhaus.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner (v.l), Moderatorin Bettina Schausten, SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey und Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch stehen im ZDF-Wahlstudio im Abgeordnetenhaus.

Berlin. Triumph für die CDU, historische Schlappe für die SPD und der Abschied aus einem weiteren Landesparlament für die FDP: Die Christdemokraten mit Spitzenkandidat Kai Wegner sind bei der Wahl in Berlin mit großem Abstand stärkste Kraft geworden. Die SPD von Regierungschefin Franziska Giffey stürzte ab, konnte aber nach Auszählung aller Stimmen ganz knapp Platz zwei gegen die Grünen verteidigen. Die AfD legte zu und ist wieder im Abgeordnetenhaus vertreten, die FDP schied aus.

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Giffey räumt Niederlage ein: „Berlinerinnen und Berliner sind nicht zufrieden“

Die CDU hat die Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus gewonnen und löst die SPD als stärkste Kraft ab.

Mögliche Koalitionen nach der Wahl

Die Berliner CDU schnitt am Sonntag so stark ab wie seit mehr als zwanzig Jahren nicht und meldete Anspruch auf Bildung einer Regierung unter ihrer Führung an. Möglich wäre etwa ein Zweierbündnis entweder mit der SPD oder den Grünen. Doch könnten auch SPD, Grüne und Linke ihre bisherige Koalition fortsetzen - weiterhin mit Giffey an der Spitze, deren SPD unter den drei Parteien knapp die stärkste blieb.

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Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und Grünen

Nach Auszählung aller Stimmen gewann die CDU bei der Wiederholungswahl etwa zehn Prozentpunkte hinzu und kommt auf 28,2 Prozent (2021: 18,0 Prozent). Die SPD liegt bei 18,4 Prozent (21,4), die Grünen ebenfalls (18,9). Doch hat die SPD nur 105 Stimmen Vorsprung. Die Linke rutschte auf 12,2 Prozent ab (14,1). Die AfD legte dagegen auf 9,1 Prozent der Wählerstimmen zu (8,0). Die FDP verlor deutlich und scheiterte mit 4,6 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde (7,1).

Vom Landeswahlleiter lagen in der Nacht zum Montag noch keine Angaben zur Mandatsverteilung vor. Laut Hochrechnungen von ARD und ZDF vom späten Abend kommt die CDU auf 48 bis 50 Sitze. Die Grünen erhalten demnach 31 bis 33 und die SPD 31 bis 32 Mandate. Die Linke kommt auf 21 bis 22 Sitze, die AfD auf 16.

CDU-Spitzenkandidat Wegner sprach von einem „phänomenalen“ Erfolg und sagte: „Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden.“ Berlin habe den Wechsel gewählt. Er kündigte an, SPD und Grüne zu Sondierungen einzuladen. Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz schrieb auf Twitter: „Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert.“

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Giffey sprach von einem schweren Abend für ihre SPD - „daran gibt es nichts zu deuteln“. Doch sei es kein Automatismus, dass nun die CDU den Regierungschef stelle. „Auch ein Herr Wegner wird politische Mehrheiten organisieren müssen.“

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Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken sieht trotz hoher Zugewinne der CDU „keine Machtoption“ für deren Spitzenkandidaten. „Kai Wegner hat ganz klar einen Abgrenzungs- und Spaltungswahlkampf betrieben“, sagte sie am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“. Daher sehe sie wenige Möglichkeiten für ihn zu einer Regierungsbildung.

Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch betonte ihre Präferenz für die Fortsetzung der bisherigen Koalition mit SPD und Linken. Der Weg zu einer möglichen Koalition mit der CDU ist aus ihrer Sicht im Wahlkampf „ein Stückchen weiter geworden“. „Denn da wurden diverse Dinge nochmal zugespitzt“, sagte sie am Sonntagabend im ZDF. Die Grünen empören sich über Äußerungen von CDU-Politikern in der Integrationsdebatte nach den Krawallen in der Silvesternacht und fremdeln mit deren betont autofreundlicher Verkehrspolitik. Gleichwohl werde ihre Partei auch mit der CDU reden.

Berlin-Wahl: CDU stärkste Partei – Klatsche für die SPD
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner steht neben Partnerin Kathleen Kantar auf der Bühne der CDU-Wahlparty.

Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus liegen die oppositionellen Christdemokraten nach ersten Prognosen der Fernsehsender klar in Führung.

Eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot wäre eine Kampfansage an Wegner, der die CDU nun wieder nach vorn geführt hat. Der 50-Jährige ist gebürtiger Berliner, Vater dreier Kinder und lebt im Bezirk Spandau. Außerhalb der Stadt ist der Hertha-BSC-Fan wenig bekannt.

Die 44-jährige SPD-Landeschefin, die östlich von Berlin aufwuchs, war Bürgermeisterin im Bezirk Neukölln und stieg 2018 zur Bundesfamilienministerin auf. Wegen einer Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit trat Giffey im Mai 2021 aus dem Kabinett zurück.

Die 54-jährige Umweltsenatorin Jarasch hat nun die Option, erste Grünen-Regierungschefin in Berlin zu werden und Giffey abzulösen. Die gebürtige Augsburgerin steht für eine Verkehrswende weg vom Verbrenner-Auto und einen ehrgeizigen Kampf gegen die Erderhitzung - was die politische Schnittmenge mit FDP und CDU verkleinert.

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Auftrieb für die CDU auf Bundesebene

Der Erfolg der Berliner CDU dürfte der Bundespartei und dem Vorsitzenden Merz Auftrieb geben, denn in diesem Jahr stehen drei Landtagswahlen in Bremen, Hessen und Bayern an. Für die SPD im Bund ist das Ergebnis ein Dämpfer, weil Giffey ihren Posten als Regierungschefin in Berlin verlieren dürfte. Die Bundes-FDP muss verkraften, nach einer Reihe empfindlicher Wahlschlappen ein weiteres Mal aus einem Landesparlament zu fliegen.

Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Landesparlaments vom September 2021 und die Bezirkswahlen für ungültig erklärt - und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht. An diesem Wahlsonntag lief alles glatt, wie Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler sagte: „Es freut mich sehr, dass sich diesmal alles im grünen Bereich bewegt hat.“

Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Landeswahlleiters bei 63,1 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Bundestag gewählt.

Zahlreiche Pannen bei der Wahl im September 2021

Die in dieser Form bundesweit bisher einmalige Wahlwiederholung war notwendig geworden, weil der Berliner Verfassungsgerichtshof den Urnengang vom 26. September 2021 wegen zahlreicher Pannen und „schwerer systemischer Fehler“ für ungültig erklärte. Lange Warteschlangen vor Wahllokalen, fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel oder massenhaftes Wählen nach 18.00 Uhr - das Wahlchaos war kein Ruhmesblatt für die deutsche Hauptstadt.

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Geschuldet war es auch schlechter Vorbereitung und der Tatsache, dass die Berliner an dem Tag nicht nur das Abgeordnetenhaus, sondern auch die zwölf Bezirksparlamente und den Bundestag wählen konnten. Hinzu kam ein Volksentscheid. Und der Berlin-Marathon mit zahlreichen Straßensperrungen machte die Sache auch nicht leichter.

Wenn auch politisch beim neuen Anlauf am Sonntag viel offen blieb, klar scheint zu sein: Berlin kann doch noch Wahlen. Der immense Aufwand bei der Vorbereitung, mehr Wahlhelfer, mehr Wahlkabinen, eine bessere Logistik für die Stimmzettel haben sich also offenbar ausgezahlt. Ausgestanden ist das Desaster 2021 allerdings noch nicht.

Bundesverfassungsgericht prüft Entscheidung zur Wahlwiederholung

Zum einen prüft das Bundesverfassungsgericht noch, ob die Entscheidung zur Komplettwiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus überhaupt korrekt war. Oder ob womöglich nicht eine teilweise Wiederholung sachgerechter gewesen wäre, da 2021 nicht überall Fehler passierten. Da das Gericht Ende Januar einen Eilantrag auf Verschiebung der Wahl aber ablehnte, rechnen Fachleute nicht damit, dass die Wiederholung vom Sonntag, die auch die Bezirksparlamente betraf, eines Tages wiederholt werden muss.

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Als ob das nicht schon verwirrend genug wäre, steht auch noch eine Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin im Raum. Darüber entscheidet Karlsruhe in einem separaten Verfahren.

Wahlforscher erwartet langwierige Regierungsbildung in Berlin

Nach der Wiederholungswahl in Berlin erwartet der Wahlforscher Thorsten Faas eine langwierige Regierungsbildung. Trotz der hohen Zugewinne der CDU sei es schwierig, aus dem Wahlergebnis ein „Regierungssignal“ herauszulesen, sagte Faas der Deutschen Presse-Agentur. Denn neben der rot-grün-roten Koalition hätten auch die FDP und sonstige Parteien Verluste eingefahren.

„Das ist keine Frage der Mathematik mehr, sondern von politischen Einschätzungen“, sagte der Politikprofessor der Freien Universität Berlin. „Der Ball liegt bei der Union. Aber ob es ihr gelingt, eine Mehrheit zu bilden, ist mehr als offen.“ Der bisherige Senat werde in der Zwischenzeit im Amt bleiben.

Bei der wiederholten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus war die CDU mit großen Zugewinnen stärkste Kraft geworden. Vor allem die SPD der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte wichtige Prozentpunkte verloren. Die SPD habe einerseits unter der niedrigen Wahlbeteiligung gelitten, andererseits sei vor allem bei ihr der Unmut über die Pannenwahl 2021 abgeladen worden, analysierte Faas. Auch die Grünen seien trotz zwischenzeitig guter Umfragewerte nur „mit einem blauen Auge davon gekommen“.

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„Sollte sich eine der beiden Parteien für einen Wechsel zur CDU entscheiden, dann wird es für Grün oder Rot ein schwieriger Gang, weil das eigentlich gefühlt der politisch Gegner ist“, sagte Faas. „Dann wird man vielleicht sagen: Warum nicht dieses (rot-grün-rote) Bündnis fortführen?“

RND/dpa

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