Energiekrise

Angst vor Blackouts: Run auf Trainingskurse für Katastrophenfälle

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat angesichts der akuten Energiekrise vor flächendeckenden Stromausfällen in Deutschland gewarnt.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat angesichts der akuten Energiekrise vor flächendeckenden Stromausfällen in Deutschland gewarnt.

Berlin. Es ist ein Szenario, das kaum vorstellbar erscheint: Über längere Zeit fällt in Teilen Deutschlands der Strom aus. Bereits nach wenigen Tagen wäre die Versorgung der Menschen mit lebensnotwendigen Gütern in den betroffenen Gebieten nicht mehr sichergestellt.

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Die öffentliche Sicherheit wäre gefährdet, es drohe eine „nationale Katastrophe“, heißt es in einem Bericht des Bundestagsausschusses für Technikfolgenabschätzung: „Ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wäre kaum zu verhindern“, schrieben die Verfasser bereits im Jahr 2011. Und kritisierten schon damals: Leider gebe es „keine nennenswerte Vorbereitung der Bevölkerung auf einen Stromausfall“.

Die Bevölkerung bereitet sich selbst vor

Elf Jahre später steigt angesichts der Energiekrise und von Sabotageakten die Angst vor einem Blackout. Und die Bevölkerung? Bereitet sich selbst vor: „Die Warteliste ist sehr, sehr lang“, sagt Ursula Glas. Für das Medizinische Katastrophen-Hilfswerk Deutschland (MHW) organisiert sie Selbsthilfekurse, in dem die Teilnehmer für den Katastrophenfall – zum Beispiel einen längeren Stromausfall – üben.

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Zweimal im Jahr kommen rund 100 Teilnehmende aus ganz Deutschland zum Schulungsgelände des Vereins im oberbayerischen 1300-Seelen-Dorf Tuntenhausen. Seit Beginn der Energiekrise habe die Nachfrage noch einmal deutlich zugenommen, berichtet Glas.

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Stromleitungen verlaufen vor dem Kernkraftwerk Emsland in der Nähe von Lingen.

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Kochen ohne Strom, Trinkwassergewinnung, das Anlegen von Notfallvorräten oder das Versorgen von Wunden stehen auf dem Lehrplan. Laut MHW gibt es derzeit in Deutschland kein vergleichbares Angebot. Kostenlose Kurse für Jedermann, die auf Katastrophenszenarien vorbereiten, sind Mangelware. In die Lücke stoßen private Anbieter, für deren Kurse die Teilnehmer häufig tief in die Tasche greifen müssen.

Eine bessere Vorbereitung der Bevölkerung auf Katastrophenfälle ist inzwischen als Thema in der Bundespolitik angekommen. An diesem Mittwoch will der Berliner Grünen-Abgeordnete Canan Bayram sich in der Fragestunde des Bundestages die geplanten Maßnahmen von der Bundesregierung erläutern lassen.

Bereits im Juli hatte zwar Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine sogenannte Resilienzstrategie ins Bundeskabinett eingebracht: An Kitas, Schulen oder in der Erwachsenenbildung sollen Menschen aller Altersgruppen das richtige Verhalten in Notsituationen lernen, so der Plan. Doch wie das konkret aussehen soll, ist noch unklar.

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Erst nach einem Dialog- und Beteiligungsprozess mit verschiedenen Beteiligten bis 2023 will das Innenministerium eine erste Zwischenbilanz ziehen: im Jahr 2025. Faeser möchte ab dem kommenden Jahr zudem einen Bevölkerungsschutztag einführen. Der soll die Menschen ermutigen, selbst Vorsorge für Katastrophen zu treffen.

Solange müssen die wenigen vorhandenen Kursangebote ausreichen. Das Medizinische Katastrophen-Hilfswerk in Tuntenhausen veranstaltet den nächsten Workshop erst wieder im Mai. Der sei bereits überbucht, sagt Ursula Glas. Zwei Kurse im Jahr reichen eigentlich nicht – doch ein größeres Angebot kann der Verein nicht stemmen. „Wir machen das alle ehrenamtlich“, erklärt Glas.

Fördergelder vom Land oder Bund erhielten sie für das Angebot nicht. Schon mehrmals habe man bei der Politik nachgehorcht, so Glas, ob sich das nicht ändern ließe. „Sehr lobenswert, aber nicht förderungswürdig“, so in etwa hätten Politiker dies zurückgewiesen. Mit finanzieller Unterstützung würde das MHW viel mehr Kurse anbieten können, sagt Glas. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Tuntenhausen in Bayern: Ein Instruktor informiert bei einem Selbsthilfekurs des Medizinischen Katastrophen-Hilfswerks in einer gestellten Situation über die ersten Maßnahmen zur Absicherung eines Verkehrsunfalls.

Tuntenhausen in Bayern: Ein Instruktor informiert bei einem Selbsthilfekurs des Medizinischen Katastrophen-Hilfswerks in einer gestellten Situation über die ersten Maßnahmen zur Absicherung eines Verkehrsunfalls.

Seit 2020 fördert das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Katastrophenschutzkurse zwar nicht für die breite Masse, sondern für bestimmte Zielgruppen. „Erste Hilfe mit Selbstschutzinhalten“, kurz EHSH, heißt das Programm. Hilfsorganisationen bringen in erster Linie Kita- und Schulkindern sowie deren Eltern bei, wie sie sich in Notlagen helfen können.

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Die Nachfrage sei seit dem Start durchgehend sehr hoch, sagt Dorothee Winden, Sprecherin des Arbeiter-Samariter-Bundes Deutschland (ASB). Auch aufgrund der gehäuften Krisen: Corona, die Hochwasserkatastrophe, der Krieg gegen die Ukraine und nun die Energiekrise. „Diese Krisen haben das Bewusstsein dafür geschärft, wie wichtig es ist, sich auf Notfälle vorzubereiten.“

„Großes Interesse an der Thematik“

Auch die Johanniter-Unfall-Hilfe berichtet von zuletzt gestiegenen Teilnahmezahlen für die EHSH-Kurse. „Es besteht ein sehr großes Interesse an der Thematik“, insbesondere in Kindertageseinrichtungen, lautet die Zwischenbilanz von Annkatrin Tritschoks, Sprecherin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Das BBK-Förderprogramm läuft bis Ende 2024. Es sei hochaktuell und sollte unbedingt verlängert werden, fordert die DRK-Sprecherin. „Hier muss der Staat seiner Verantwortung durch eine Verstetigung dieser Ausbildung durch eine verlässliche Finanzierung über 2024 hinaus nachkommen.“ Auch der ASB setzt sich für eine längere Förderung ein, „sodass wir noch mehr Menschen erreichen und diese in ihrer Resilienz stärken können“, sagt Sprecherin Winden.

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