Empfehlung eines Experten-Gremiums

Wittenberger „Judensau“: Kirchengemeinde zieht Entfernung in Betracht

Eine als "Judensau" bezeichnete Schmähplastik ist an der Stadtkirche Wittenberg zu sehen.

Eine als "Judensau" bezeichnete Schmähplastik ist an der Stadtkirche Wittenberg zu sehen.

Wittenberg. Die Wittenberger Stadtkirchengemeinde schließt die Entfernung der judenfeindlichen Schmähplastik an der Südfassade ihrer Kirche nicht aus. „Die Abnahme ist für uns kein Tabu“, sagte der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats, Jörg Bielig, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein von der Gemeinde einberufenes Experten-Gremium hatte nach fast zweijähriger Beratung die Verbringung des Reliefs in einen „adäquat kontextualisierenden Rahmen“ empfohlen. Die Empfehlung war am Dienstag veröffentlicht worden. Die auch als „Judensau“ bekannte Darstellung aus dem 13. Jahrhundert zeigt unter anderem ein Schwein, an dessen Zitzen Menschen saugen, die Juden darstellen sollen.

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Aufgeschlossen zeigte sich auch ein Sprecher des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie von Sachsen-Anhalt. „Wir hatten uns eigentlich für einen Verbleib der Plastik ausgesprochen“, sagte Alfred Reichenberger. „Sollte die Entscheidung aber so ausfallen, dass die Plastik in den empfohlenen Lernort überführt werden soll, dann werden wir uns dagegen nicht verschließen.“

Gebäude zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe

Bielig bremste indes Erwartungen für eine schnelle Entscheidung. Der Gemeindekirchenrat komme erst wieder Ende August zusammen und werde zu der Experten-Empfehlung vorher nicht Stellung nehmen. Ohnehin könne man eine Entscheidung von so großer denkmalschützerischer und politischer Tragweite nicht übers Knie brechen. Die Stadtkirche gehöre immerhin zum UNESCO-Weltkulturerbe, betonte Bielig.

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Grundsätzlich habe er Verständnis für die mitunter hitzige Debatte um die Wittenberger Schmähplastik. Zwar bekämen ähnliche mittelalterliche Plastiken an Kirchengebäuden des deutschsprachigen Raums weniger Aufmerksamkeit. „Das Relief wurde jedoch 1570 um eine explizit judenfeindliche Überschrift ergänzt, welche auf eine antijudaistische Schmähschrift Martin Luthers Bezug nimmt. Das verschärft die judenfeindliche Botschaft“, erläuterte Bielig.

Zu dem von der Gemeinde einberufenen Experten-Gremium, dem „Beirat zur Weiterentwicklung der Stätte der Mahnung“, gehören unter anderem der Beauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), Andreas Nachama, sowie der Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus, Wolfgang Schneiß.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Juni entschieden, dass das Sandsteinrelief nicht entfernt werden muss. Ein Mitglied einer jüdischen Gemeinde hatte die Abnahme verlangt, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht.

RND/epd

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