Brandschutz durch Ziegen: Kalifornien steht vor einem Problem
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Dieses Bild zeigt das Mosquito Fire im September vergangenen Jahres.
© Quelle: Noah Berger/AP/dpa
West Sacramento. Hunderte von Ziegen mampfen an einem Hang mit hochgewachsenem gelben Gras nahe eines ausgedehnten Reihenhauskomplexes vor sich hin. Sie sind angemietet worden, um die Pflanzen zu beseitigen, die in der bevorstehenden Sommerhitze Flächenbrände anfachen könnten. Die unersättlichen Pflanzenfresser sind im US-Staat Kalifornien stark gefragt, denn nachdem es dort im vergangenen Winter zu ungewöhnlich schweren Regen- und Schneefällen gekommen ist, haben sich jetzt Unkraut und Gebüsch ausgebreitet.
„Es ist eine riesige Brennstoffquelle. Wenn man es ungezügelt lässt, kann es sehr hoch wachsen. Und dann, wenn der Sommer alles austrocknet, ist es eine perfekte Nahrung für ein Feuer“, sagt Jason Poupolo, leitender Beamter für Grünflächenpflege der Stadt West Sacramento, wo Ziegen kürzlich im Einsatz waren.
Kalifornien investiert viel Geld in die Feuerverhütung, nachdem es dort im Zuge von mehreren Jahren mit anhaltender Dürre zu verheerenden Wald- und Buschbränden gekommen ist. Millionen Hektar Land wurden vernichtet, Tausende Häuser zerstört und Dutzende Menschen getötet.
Starke Anhebung der Hirtenlöhne bedroht Ziegenhaltung
Gezieltes Grasen ist ein Teil der kalifornischen Strategie zur Verringerung der Brandgefahr, denn die Ziegen können sich eine Vielfalt an Vegetation einverleiben und auch in steiles, felsiges Terrain entsandt werden, das sonst nur schwer zugänglich ist. Befürworter und Befürworterinnen sprechen von einer umweltfreundlichen Alternative zu chemischen Unkrautvernichtungsmitteln oder Trimmgeräten, die laut sind oder die Luft verpesten.
Aber Änderungen bei den Arbeitnehmerrechten im Westküstenstaat machen es teurer, diese Ziegendienste anzubieten, und die Unternehmen, die die Herden halten, fürchten um ihre Existenz. Die Änderungen könnten die monatlichen Löhne von Hirten von derzeit 3730 Dollar (3500 Euro) auf bis zu 14.000 Dollar (13.140 Euro) anheben, wie das California Farm Bureau vorrechnet, eine Vereinigung, die Bauern und Bäuerinnen, Viehzüchtende und andere landwirtschaftliche Produzenten und Produzentinnen vertritt.
Die Unternehmen setzen meistens einen Hirten pro etwa 400 Ziegen ein. Viele dieser Beschäftigten in Kalifornien kommen aus Peru, als landwirtschaftliche Hilfskräfte mit zeitlich begrenzten Visa. Sie leben in vom Arbeitgeber oder von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Wohnwagen nahe der abzugrasenden Orte.
Mehrere Tote bei schweren Stürmen in Kalifornien
Amateuraufnahmen zeigen, wie der Kern River über die Ufer getreten ist. Tausende waren ohne Strom.
© Quelle: Reuters
Müssen die Ziegen nun geschlachtet werden?
„Mein Telefon klingelt in dieser Jahreszeit ständig“, schildert Tim Arrowsmith, Besitzer der Firma Western Grazers, die ihre Dienste unter anderem in West Sacramento anbietet. „Die Nachfrage ist von Jahr zu Jahr zu Jahr gestiegen.“
Sein in der Stadt Red Bluff angesiedeltes Unternehmen hat etwa 4000 Ziegen zum Vermieten an Regierungsbehörden, Städte und private Landeigentümer und -eigentümerinnen in Nordkalifornien. Ohne eine Änderung der neuen Vorschriften, so sagt er, „werden wir gezwungen sein, diese Ziegen zum Schlachten und an Auktionshöfe zu verkaufen (…), und wir werden wahrscheinlich Konkurs anmelden müssen.“
Unternehmen war es über lange Jahre gestattet worden, Ziegen- und Schafhirten einen monatlichen Mindestlohn anstatt von Mindeststundenlöhnen zu zahlen, weil ihre Arbeit es erfordert, praktisch rund um die Uhr in Rufbereitschaft zu sein. Aber ein 2016 in Kraft getretenes Gesetz berechtigt sie auch zu Überstundengeld, was die monatlichen Mindesteinkommen für die Hirten und Hirtinnen von 1955 Dollar auf 3730 Dollar in diesem Jahr erhöhte, und nach kalifornischen Behördenangaben sollen sie 2025 weiter ansteigen, auf 4381 Dollar.
Keine Ziegen, kein Brandschutz?
Bislang haben die betroffenen Unternehmen die meisten der erhöhten Arbeitskosten auf ihre Kunden und Kundinnen umgelegt. Aber Anfang nächsten Jahres droht ein weiterer und noch massiverer Anstieg. Denn eine staatliche Behörde hat entschieden, dass Ziegenhirten und Ziegenhirtinnen künftig gesetzlich mit anderen landwirtschaftlichen Arbeitskräften gleichgestellt werden sollen. Sie wären damit zu sogar noch höheren Löhnen berechtigt, bis zu 14.000 Dollar im Monat. Die Regelung soll am 1. Januar 2024 in Kraft treten – wenn nichts getan wird, um sie zu ändern.
Ziegenhaltungsfirmen sagen, dass sie es sich nicht leisten könnten, den Hirten und Hirtinnen so viel zu zahlen. Sie müssten dazu die Preise für ihre Kunden und Kundinnen so drastisch erhöhen, dass die Dienstleistung praktisch unerschwinglich würde.
„Wir unterstützen Lohnerhöhungen für Hirten voll und ganz, aber 14.000 Dollar im Monat sind nicht realistisch. Wir müssen das also lösen, um diese Ziegenbetriebe am Leben zu erhalten“, sagt Brian Shobe vom Organisation California Climate and Agriculture Network. Die Unternehmen dringen auf ein staatliches Gesetz, das festschreibt, dass Ziegenhirten und Ziegenhirtinnen nach den selben Regeln behandelt werden wie Schafhirten und Schafhirtinnen. Eine öffentliche Anhörung über ein entsprechendes Gesetz steht noch aus.
Arrowsmith beschäftigt sieben Ziegenhirten und Ziegenhirtinnen aus Peru. Er zahlt ihnen 4000 Dollar im Monat und weist darauf hin, dass sie zusätzlich gratis Essen und Unterkünfte erhielten. Aber 14.000 Dollar im Monat – das könne er nicht aufwenden, und auch die Städte als Kunden könnten solche Kosten nicht decken, so Arrowsmith. Was letztendlich auf dem Spiel stehe, sei, „dass dein Haus abbrennen könnte, weil wir die Feuergefahr nicht verringern können.“
RND/AP