Wo Böllern in Deutschland verboten ist – und warum
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Ein Mann zündet einen Böller an.
An Silvester wird traditionell das neue Jahr mit viel Feuerwerk eingeläutet. In den beiden vergangenen Jahren war das aufgrund von Corona-Beschränkungen nicht erlaubt. Bund und Länder hatten damals ein deutschlandweites Verkaufsverbot für Feuerwerk und ein Versammlungsverbot für Silvester und Neujahr verhängt. Hintergrund war die Auslastung der Krankenhäuser in der Corona-Pandemie.
Ein allgemeines Böllerverbot in Deutschland gibt es zum bevorstehenden Jahreswechsel nicht mehr. Auch keines der 16 Bundesländer sprach sich für ein landesweites Verbot von Feuerwerkskörpern aus. Somit sind Feuerwerke dieses Jahr erlaubt – es sei denn, Städte, Landkreise oder Gemeinden entscheiden sich anders. Dies ist in einigen Orten der Fall. Häufig werden bestimmte Zonen eingerichtet, in denen keine Raketen und Ähnliches gezündet werden dürfen.
Verbotszonen wegen Brandgefahr
In ganz Deutschland gilt grundsätzlich: In unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden ist das Abbrennen von Pyrotechnik verboten. Es darf also nicht geböllert oder dürfen Raketen gezündet werden. Das ist gesetzlich in der Verordnung zum Sprengstoffgesetz geregelt und gilt schon seit 1977.
Wegen der Brandgefahr dürfen beispielsweise rund um die bayerischen Schlösser, Burgen und Residenzen keine Raketen und Böller abgebrannt werden. Das gilt auch für Orte mit geschützten Denkmälern oder Orte von besonderer Bedeutung, wie dem Bereich rund um den Luisenplatz und auf der Mathildenhöhe in Darmstadt oder dem Dom in Köln. In Berlin ist unter anderem das Böllern rund um den Alexanderplatz untersagt. Reetgedeckte Häuser, beschloss beispielsweise Norderstedt in Schleswig-Holstein, müssen ebenfalls vor einem möglichen Brand geschützt werden.
Verbote zum Schutz der Menschen
Für einige Städte steht der Schutz der Besucherinnen und Besucher an erster Stelle, sodass es in bestimmten Zonen zu Verboten kommt. Das ist beispielsweise in Stuttgart der Fall. Auch Bremen und Hamburg machten zuletzt Erfahrungen mit Verletzungen im Zusammenhang mit Feuerwerk und großen Menschenansammlungen. In Hamburg bleibt das Abfeuern von Feuerwerksraketen und Böllern in der Silvesternacht deshalb rund um die Binnenalster und auf dem Rathausmarkt untersagt. Düsseldorf und Trier möchten mit einem Verbot nicht nur die Sicherheit der Bevölkerung erhöhen, sondern auch Einsatzkräfte schützen, die in der Vergangenheit gefährlichen Situationen ausgesetzt waren. Deswegen wird es auch in Dortmund zwei Verbotszonen geben.
Deutschlands Krankenhäuser erwarten dennoch wieder ein normales Silvester – sprich: eine hohe Belastung der Kliniken wegen Verletzungen. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Krankenhäuser und ihre Notaufnahmen in der kommenden Silvesternacht wieder so stark wie in den Jahren vor der Pandemie mit Feuerwerksverletzungen belastet werden“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
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„In der Silvesternacht des Böllerverbots 2020/21 haben die Krankenhäuser zwei Drittel weniger Feuerwerksschwerstverletzte auf den Stationen gezählt. Analog dazu wurden auch die Notaufnahmen spürbar entlastet“, sagte Gaß. Die Rückkehr normaler Feierlichkeiten zum Jahreswechsel 2022/23 mit Böllerei treffe nun „auf die weiterhin angespannte Situation aus gehäuften Atemwegserkrankungen und Personalausfällen durch erkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Gaß betonte, die DKG sei gegen ein generelles Feuerwerksverbot, appelliere aber, verantwortungsvoll und vorsichtig mit Raketen und Böllern umzugehen. „Das kann den Krankenhäusern und ihren Beschäftigten bereits helfen.“
Auch Politikerinnen und Politiker warnten angesichts der dramatischen Situation vieler deutscher Kliniken vor einer weiteren Belastung durch Silvesterböller. „Obwohl ich den Reiz eines Feuerwerks gut verstehe, denke ich, dass wir uns Verletzungen durch Böller zurzeit einfach nicht erlauben können und auch grundsätzlich besser sparen sollten“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Janosch Dahmen.
Luftverschmutzung und Müll
Durch das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk kommt es zu Luftverschmutzung und Müll. Daher legte beispielsweise München per Allgemeinverfügung fest, dass wegen des Feinstaubs, der zu Atemwegsbeschwerden führen kann, innerhalb des Mittleren Rings das Böllern verboten ist. Auf den Nordseeinseln Sylt, Amrum sowie in St. Peter-Ording ist Feuerwerk beispielsweise vollständig untersagt.
Durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern werden nach Angaben des Umweltbundesamts jährlich rund 2050 Tonnen Feinstaub freigesetzt, 1500 Tonnen davon in der Silvesternacht. Die Menge entspricht demnach etwa einem Prozent der insgesamt in Deutschland freigesetzten Feinstaubmenge pro Jahr.
Städte planen keine Verbote - Spaß mit Eigenverantwortung
Einige Städte planen aber auch keine weiteren Verbotszonen als die gesetzlich vorgeschriebenen. Dazu zählen unter anderem Wiesbaden, Völklingen, Potsdam, Flensburg – und Homburg. Der dortige Bürgermeister Michael Forster sah keinen Anlass für ein Verbot in seiner Stadt. „Viele haben Spaß daran, und es gibt aus meiner Sicht aktuell keinen hinreichenden Grund, das laute Treiben, die Raketen und die Illumination an Silvester komplett zu verbieten“, sagte der Verwaltungschef der mit über 41.000 Einwohnern drittgrößten Stadt des Saarlandes.
Forster habe Verständnis für Naturschützer und könne auch die Argumentation von Ärztinnen, Ärzten und Pflegenden nachvollziehen. Es gelte aber auch, die Sorgen der Hersteller und der Gewerbetreibenden zu akzeptieren, die von der Produktion und dem Verkauf von Feuerwerkskörpern lebten. Und nicht zuletzt spiele die Freude und die Begeisterung für das laute Knallen und die bunten Funken am Himmel eine Rolle – bei denen, die ganz einfach Spaß daran haben. „Für mich bedeutet dies, dass das jeder für sich selbst entscheiden können muss und soll“, sagte Forster.
Abbrennen von Silvesterfeuerwerk zeitlich begrenzt erlaubt
Feuerwerk darf in den meisten Bundesländern übrigens nur am 31. Dezember 2022 und am 1. Januar 2023 benutzt werden. In einigen Städten, Landkreisen oder Gemeinden kann es zudem engere zeitliche Einschränkungen geben.
Genaue Informationen, ob, wann und wo das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in Ihrer Stadt, Gemeinde oder Ihrem Landkreis verboten ist, erhalten Sie in der Regel auf den entsprechenden Websites.
Forderungen nach bundesweitem Böllerverbot
Immer wieder gibt es aus verschiedenen Gründen Forderungen nach einem Böllerverbot, wie beispielsweise von der Bundesärztekammer oder der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Das Bundesinnenministerium hat diese Forderungen jedoch zurückgewiesen und für Silvester 2022 kein generelles Verbot ausgesprochen.
Die DUH hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zuvor aufgefordert, die Böllerei in diesem Jahr „ein für alle Mal“ zu beenden. Durch wenige und einfache Änderungen der Sprengstoffverordnung könne die Ministerin umweltschädlichem Feuerwerk schnell ein Ende setzen, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dem RND Ende Oktober.
„Die Argumente für ein Verbot der Schwarzpulverraketen und Böller sind vielfältig: Luftverschmutzung und Tausende Tonnen Abfälle, Millionen verschreckte und leidende Tiere, Häuserbrände und viele Tausend verletzte Kinder wie Erwachsene“, sagte Resch. Auch Städte und Gemeinden sollten auf klassisches Feuerwerk verzichten. „Kommunen können auch über kreative Licht- und Lasershows oder gar eine Drohnenshow für einen bunten Jahreswechsel sorgen.“
Das Bundesinnenministerium wies bereits Anfang November die Forderung der DUH zurück. Ein entsprechendes Verbot sei zum Jahreswechsel 2020/2021 und 2021/2022 jeweils von Bund und Ländern aufgrund der Corona-Pandemie beschlossen worden, sagte eine Sprecherin damals. „Ob erneut eine Situation entstehen wird, die einen vergleichbaren Beschluss erforderlich macht, ist derzeit nicht absehbar“, fügte sie hinzu.
Bundesärztekammerchef für dauerhaftes Böllerverbot
Der Präsident der Bundesärztekammer sprach sich ebenfalls für ein „dauerhaftes und umfassendes“ Böllerverbot aus. Die „ungeregelte Knallerei“ sei „schlecht für Umwelt und Klima und führt immer wieder zu schweren Verletzungen“, sagte Klaus Reinhardt. Besonders Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahren seien von Knalltraumata betroffen, dazu kämen Verletzungen am Auge und Verbrennungen. „Das bedeutet eine starke zusätzliche Belastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kliniken, die ohnehin schon seit Monaten am Limit arbeiten“, sagte Reinhardt.
Reinhardt wünschte sich auch angesichts der Weltlage ein Umdenken: Es sei „vollkommen fehl am Platz, das neue Jahr mit Raketen zu begrüßen, während in Europa ein Krieg wütet“, sagte er. „Bei zahlreichen Geflüchteten aus Kriegsgebieten löst die Silvesterknallerei schlimme Gefühle aus, bei manchen sogar Todesängste. Statt Geld für Böller und Raketen auszugeben, wäre mir ein Spendenfeuerwerk für diese Menschen lieber.“
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach sich für ein generelles Verbot des privaten Abbrennens von Silvesterfeuerwerk aus. Schon allein aufgrund der enormen und völlig unnötigen Schadstoffproduktion sowie der Müllberge auf den Straßen am Neujahrsmorgen sei dies eine für viele vielleicht schmerzhafte, aber sinnvolle Maßnahme, teilte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke mit. Dies gelte erst recht mit Blick auf das hohe Unfallrisiko – vor allem unter Alkoholeinfluss –, Böller- und Raketen-Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungssanitäter, Sachbeschädigungen und die Belastungen vieler Menschen und Tiere durch Feuerwerk.
Bundesverband Pyrotechnik argumentiert gegen Verbot
Der Bundesverband Pyrotechnik, ein Zusammenschluss von Profi- und Hobby-Feuerwerkern, argumentiert dagegen, ein Verbot von Kleinfeuerwerk vor der eigenen Haustür oder im Garten entlaste kaum die Krankenhäuser. Der größte Teil der Verletzungen in den Notaufnahmen sei auf Alkoholkonsum und entsprechende Konflikte zurückzuführen. Die Feuerwerkindustrie rechnet in diesem Jahr mit einem ähnlichen Silvesterumsatz wie vor der Corona-Pandemie. Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) geht von Erlösen von rund 120 Millionen Euro aus. 2019 wurden laut VPI rund 130 Millionen Euro Umsatz erzielt.
Mit dpa-Material