Zoos machen in der Pandemie Millionenverluste: „Größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“
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Eine Besucherin des zoologisch-botanischen Gartens Wilhelma betrachtet Anfang März einen Brillenpinguin. Mittlerweile ist der Tierpark wegen der hohen Inzidenz in Stuttgart wieder geschlossen.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
„Der Löwe geht nicht ins Homeoffice“: So steht es in einer Mitteilung des Dachverbands der deutschen Zoos. Die Botschaft dahinter: Viele Unternehmen machen gerade in der Corona-Krise große Verluste – doch zumindest können sie bei Schließungen an anderen Stellen etwas einsparen, beispielsweise beim Personal, das in Kurzarbeit geht, oder den Stromkosten in der Firma, die niedriger werden. Bei Zoos ist das anders: Auch wenn keine Besucher kommen, müssen die Tiere gefüttert und versorgt werden – und dafür wiederum braucht es dasselbe Personal wie im Normalbetrieb vor der Pandemie.
„Ein Zoo lässt sich nicht so einfach herunterfahren wie vielleicht ein Autowerk“, erklärt Sebastian Scholze, Pressesprecher des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Weil die Tiere weiter gefüttert und gepflegt werden müssten, blieben auch Pfleger und Veterinäre vor Ort. „Die Warmhäuser müssen weiter geheizt, das Wasser in den Becken muss weiter aufbereitet werden. Deswegen sinken die Kosten für einen Zoo eigentlich nicht, wenn er geschlossen ist.“ Die Einnahmen hingegen brechen größtenteils weg. „Die lange Zeit ohne die normalen Einnahmen hat die Reserven unserer Mitglieder aufgebraucht“, so der Sprecher. Mit Mitgliedern meint Scholze die 71 Zoos, die dem Verband angehören.
Hohe tägliche Betriebskosten in Zoos
Die Verluste der deutschen Zoos steigen seit Beginn der Pandemie in den mehrstelligen Millionenbereich. „Wenn man jetzt weiß, dass die täglichen Kosten für Zoos sehr hoch sind, kann man sicherlich nachvollziehen, dass dies die größte Krise für die deutschen Zoos seit dem Zweiten Weltkrieg ist“, erläutert Scholze die dramatische Lage. So kosteten beispielsweise Zoo, Tierpark und Aquarium in Berlin zusammen für den Betrieb täglich satte 140.000 Euro. Beim Zoo Hannover seien es rund 63.000 Euro, beim zoologisch-botanischen Garten Wilhelma in Stuttgart 70.000 Euro – und das jeweils nur für einen Tag.
„Noch konnten Insolvenzen abgewendet werden“, sagt der Sprecher. Die Frage sei, wie lange das noch gelinge, sollten die Zoos mit den neuen angedachten Maßnahmen wieder dauerhaft geschlossen werden und kein bundeseinheitliches Hilfsprogramm kommen. „Die bisherigen Hilfsangebote kommen entweder nur von den Bundesländern selbst oder sind leider nicht von allen Zoos nutzbar“, erklärt Scholze das Problem. Er spricht gleichzeitig von einer „großartigen Welle der Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung“, die zumindest einen kleinen Teil der riesigen Umsatzeinbußen auffange. Die Bereitschaft, zu spenden oder Tierpatenschaften abzuschließen, sei aktuell an einem Höhepunkt.
Aktuell sind die Regelungen zur Öffnung oder Schließung von Zoos kaum zu überblicken, weil sie weder bundesweit noch landesweit gelten, sondern an Landkreise, Kommunen und deren Inzidenzwerte geknüpft sind. Da könne es täglich zu Änderungen kommen, meint Scholze. Die meisten der Tiergärten seien über längere Zeiträume geschlossen gewesen. „Diese Art von Achterbahnfahrt macht natürlich die Planungen für die Zoos außerordentlich schwierig.“
Zoo, Tierpark und Aquarium in Berlin: Verlust von 12 Millionen Euro
Der Zoo und der Tierpark in Berlin haben beispielsweise aktuell mit Einschränkungen für Besucher geöffnet, das dazugehörige Aquarium nur für Jahreskarteninhaber. Für den Besuch von Zoo und Tierpark müsse ein Zeitfenster gebucht werden, es gebe keine kommentierten Fütterungen und Shows, und die Tierhäuser, die sich drinnen befinden, seien geschlossen, erklärt Pressesprecherin Katharina Sperling dem RND. Außerdem gelte überall eine Maskenpflicht.
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Doch die Bilanz des vergangenen Jahres ist erschreckend: „Für 2020 haben wir einen Verlust von etwa 12 Millionen Euro zu verzeichnen“, so die Sprecherin. Ein kleiner Teil davon sei durch die Novemberhilfe ausgeglichen worden, außerdem hätten sie weitere Überbrückungshilfen beantragt. Der Zootierbestand in Berlin – laut Sperling der größte weltweit – habe aber dank Rücklagen und Spenden aufrechterhalten werden können. „Bei der Versorgung der rund 30.000 Tiere in Zoo und Tierpark werden keine Abstriche gemacht, auch wenn allein die Futterkosten sich auf rund 1 Million Euro pro Jahr belaufen“, berichtet sie.
Auch bereits vor der Pandemie finanzierte Bauvorhaben wie eine Savannenlandschaft im Tierpark oder eine Nashornanlage im Zoo liefen wie geplant weiter. „Die finanziellen Einbußen der letzten 13 Monate führen jedoch dazu, dass die Modernisierung von Zoo und Tierpark Berlin womöglich nicht im angedachten Tempo voranschreiten kann.“ So müsse beispielsweise die Planung eines neuen Affenhauses erst mal coronabedingt pausieren.
Kölner Zoo: Einbußen gehen nicht zulasten der Tiere
Schlechter geht es zumindest in Sachen Öffnung aktuell dem Kölner Zoo: Denn der ist seit dem 12. April auf behördliche Anordnung hin wieder geschlossen. Wann er wieder öffnen darf, ist unklar. Zuvor habe der Zoo für vier Wochen geöffnet gehabt, berichtet Finanzvorstand Christopher Landsberg dem RND. Er nennt das zu dem Zeitpunkt geltende Hygienekonzept mit unter anderem Onlinereservierung, Besucherobergrenze und Ampelsystemen für Tierhäuser „erfolgreich“. Es habe sogar in den Gastronomieräumen des Zoos ein Testzentrum gegeben. „Ein Mehr an Sicherheit, wie es Zoos an sich bieten, kann es nicht geben“, meint er, und beruft sich dabei auch auf jüngste Aerosolstudien, die gezeigt haben, dass die meisten Corona-Ansteckungen drinnen stattfinden.
Aber auch wenn der Zoo in Köln wieder öffnen darf, macht er unter diesen Bedingungen keine Gewinne: „Rein wirtschaftlich bleibt es unter diesen Vorgaben selbst bei Öffnung ein Zuschussgeschäft“, so Landsberg. Das Überleben des Zoos werde seit Beginn der Pandemie weitestgehend aus Überschüssen der erfolgreichen vergangenen Jahre sowie aus Landesmitteln und kommunalen Förderungen gedeckt.
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Wie auch Dachverbandssprecher Scholze verweist der Kölner auf die Problematik mit den staatlichen Hilfen, auf die die Zoos meist keine Ansprüche hätten. „Die vom Bund zur Verfügung gestellten Überbrückungshilfen greifen in aller Regel für die Zoologischen Gärten nicht“, erklärt er. Hintergrund sei, dass sogenannte öffentliche Unternehmen von der Bundesförderung grundsätzlich ausgenommen würden, Zoos aber in der Regel in kommunaler Trägerschaft stünden und damit als öffentliche Unternehmen gälten und damit nicht antragsberechtigt seien. Eine Ausnahme sei dabei nur die November- und Dezemberhilfe gewesen. „Für das Jahr 2021 gibt es aber immer noch kein einziges passendes Förderprogramm für Zoos in kommunaler Trägerschaft“, kritisiert Landsberg und nennt das „mehr als bedauerlich“. Seit März 2021 sichere im Fall des Kölner Zoos aber der jährliche Betriebskostenzuschuss der Stadt Köln über 3,5 Millionen Euro die Liquidität des Tierparks ab.
Das ist auch nötig: Die Umsätze sind im Pandemie-Jahr um 44 Prozent eingebrochen, berichtet Landsberg – ganze 4,3 Millionen Euro weniger hat der Zoo im Vergleich zum Vorjahr eingenommen. Der tägliche Betrieb mit Tieren, Mitarbeitern und Co. koste allein 54.000 Euro – „egal, ob wir offen oder geschlossen haben“, betont Landsberg. Zulasten der Tiere geht das aber bisher glücklicherweise nicht: „Der Bestand des Kölner Zoos und die Versorgung unserer Tiere war und ist zu jeder Zeit in vollem Umfang gewährleistet“, versichert der Finanzvorstand. Dennoch: „Ewig anhalten, das ist jedem klar, kann der jetzige Zustand nicht.“
Zoologisch-botanischer Garten in Stuttgart
Das sieht auch Harald Knitter, Pressesprecher des zoologisch-botanischen Gartens Wilhelma in Stuttgart, so – auch wenn dieser Tierpark in der Zoolandschaft eine Sonderstellung hat. Denn: Er ist – wie der Name es schon sagt – nicht nur Zoo, sondern auch botanischer Garten. Durch die Gewächshäuser und die Gärtnerei seien die Betriebskosten dementsprechend noch mal höher als bei reinen Zoos. Außerdem sei die Wilhelma ein Landesbetrieb des Landes Baden-Württemberg und damit der einzige deutsche Zoo in Trägerschaft eines Bundeslandes, was sich auch auf die Finanzen auswirke.
Auch unter normalen Bedingungen, ganz ohne Pandemie, habe der zoologisch-botanische Garten mit seinen rund 11.000 Tieren laut Knitter „nur“ ein Deckungsziel von 70 Prozent. „Das Land bezuschusst den Betrieb, um die Eintrittspreise moderater zu gestalten“, erklärt der Sprecher. Es gehe also auch in der aktuellen Situation nicht darum, eine schwarze Null zu schreiben, sondern die Deckungslücke nicht zu groß werden zu lassen.
Doch wie bei anderen Zoos auch kann in der Pandemie trotz Schließungen in Stuttgart kaum Geld eingespart werden. Es bleibt bei rund 70.000 Euro täglich, die der Betrieb kostet. „Vielmehr stehen den geringen Einsparungen, zum Beispiel bei Reinigungsintervallen, Mehrkosten gegenüber durch erhöhte Hygienemaßnahmen, Masken, Selbsttests, Online-Ticketing usw.“, berichtet Knitter. Eine Wiedereröffnung der aktuell geschlossenen Wilhelma ist laut dem Sprecher aktuell nicht in Sicht – die Inzidenz in der Stadt liegt weit über 100.
Trotzdem hofft er auf eine solche: Denn die Öffnung des Parks lohne sich auch mit den ganzen Einschränkungen, „um den Komplettausfall der Einnahmen abzumildern“. Die Wilhelma habe, als sie offen war, auf dem etwa 30 Hektar umfassenden Gelände 4000 Gäste täglich empfangen dürfen. Damit seien „pro Tag Einnahmen im fünfstelligen Bereich möglich, die das Defizit reduzieren“. Der Rückgang der Einnahmen durch weniger verkaufte Eintrittskarten habe im vergangenen Jahr bei einem mittleren, einstelligen Millionenbetrag gelegen, den das Land Baden-Württemberg für die Wilhelma als Landesbetrieb ausgeglichen habe. Noch nicht eingerechnet seien dabei zusätzliche Einnahmerückgänge durch fehlende Kundschaft bei Restaurants und Shop sowie bei sonst zu buchenden Angeboten wie Führungen, Kindergeburtstagsfeiern, Tierbegegnungen oder Fotoshootings.
Trotzdem versichert Knitter, dass auch in Stuttgart die Tiere nicht unter den Verlusten leiden: „Im Bereich der Tiere gab es weder bei der Versorgung mit Futter noch der Betreuung durch Pfleger Kürzungen“, sagt er. Die Futterkosten würden sowieso nur rund 2 Prozent der Kosten ausmachen – eine kurzfristige Reduzierung des Tierbestands würde also aus finanzieller Sicht auch keinen großen Effekt haben. „Auf dem Prüfstand stehen vielmehr die Rücklagen für Projekte, um Anlagen zu renovieren oder zu ersetzen, um den Bestand an Gebäuden und Gehegen in Schuss zu halten und weiterzuentwickeln“, erklärt der Pressesprecher, wo stattdessen gespart wird, um die großen Verluste zu begrenzen.